Von Daniel Weinmann
Bisweilen zeichnen sich die Energiespar-Vorschläge der bundesdeutschen Polit-Protagonisten durch eine eigentümliche Mischung aus Hilflosigkeit und Groteske aus. Paradigmatisch dafür steht der Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Waschlappen statt die Dusche zu benutzen. Der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller setzt auf das Verbot von Saunen und Wellness im Winter. Wer sich dem widersetzt und seine Gewerbefreiheit nicht freiwillig auf dem Altar des Klimawandels opfert, ist nach Meinung des Grünen-Politikers nicht nur unsolidarisch – sondern „grob unsolidarisch“.
Wer indes glaubt, dass Deutschland wieder einmal der Vorreiter in punkto übergriffiger Staat ist, der bis ins Private hineinregiert, wird sich getäuscht sehen. In Italien etwa – so legte es das Ministerium für ökologischen Wandel (sic!) vor wenigen Tagen fest – muss die Temperatur in Wohngebäuden und anderen öffentlichen Einrichtungen ab Oktober auf 19 Grad Celsius begrenzt werden. Zur Diskussion steht derzeit noch ein Limit von 18 Grad.
Für Industriegebäude liegt die maximale Temperatur bei 17 Grad Celsius, zudem soll die Heizung jeden Tag eine Stunde weniger laufen. Verkürzt wird die Heizperiode um je eine Woche im Herbst und im Frühjahr. In den meisten italienischen Gemeinden wird man erst ab November heizen können.
Heizstrahler und Warmluftzelte verboten
Soweit, so normal in trübsinnigen Zeiten wie diesen. Doch Rom geht weiter. Wer sich nicht an die Maßnahmen hält, riskiert saftige Geldstrafen. Laut einem Gesetzestext von 2001, drohen bei einer ‚Regelmissachtung‘ zwischen 516 und 2.582 Euro Strafe. Beruft sich Rom auf ein EU-Dekret zu energieeffizienten Gebäuden aus dem Jahr 2005, wäre für eine nicht-ordnungsgemäße Wartung einer Heizungsanlage gar eine Buße von bis zu 5000 Euro möglich.
Klopft daher bald die Heizpolizei an die Tür? Um die Vorgaben auch durchzusetzen, sind Stichprobenkontrollen und eine Überwachung des nationalen Verteilernetzes vorgesehen. Mit Blick auf Mehrfamilienhäuser liegt es an den Verwaltern, die Initiative zu übernehmen und die Temperaturen der Heizkörper niedrig zu halten.
Einen ähnlichen Weg geht – überraschend – die Schweiz, die bislang vergleichsweise klug die Corona-Klippen umschifft hat. Gibt es im Winter zu enig Gas, dürfen alle mit diesem Energieträger beheizten Innenräume auf nur noch 19 Grad gebracht werden, während Warmwasser nicht die 60 Grad-Marke übersteigen darf. Heizstrahler und Warmluftzelte sind gänzlich verboten, zudem müssen Saunen und Schwimmbecken kalt bleiben, beschreibt die Zeitung „Blick“ den eidgenössischen Energiespar-Instrumentenkasten.
Wann zieht die Ampel 'Daumenschrauben' in Sachen Energiesparen an?
Wer bei 19 Grad friert und das Thermostat höher dreht, riskiert schon bei sogenannten fahrlässigen Verstößen eine Strafe von bis zu 180 Tagessätzen, wenn die Energiekrise zu einem Notfall wird. Bei vorsätzlichem Handeln sieht Bern sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren vor.
Gnädigerweise soll eine Fahndung nach Energiesündern ausblieben: „Wir sind kein Polizeistaat“, postulierte Wirtschaftsminister Guy Parmelin, die Polizei schaue nicht bei jedem vorbei. Gleichwohl könne es sporadische Kontrollen geben. Laut dem Wirtschaftsdepartement des Bundes sind diese insbesondere dann nicht ausgeschlossen, wenn Energiesünder von einem verärgerten Nachbarn angezeigt werden.
Denunziantentum zählte bislang eher zu den deutschen Tugenden. Zuletzt war es der Vorstoß von Innenministerin Nancy Faeser eine zentrale Beratungsstelle zu schaffen, an die sich Bürger vertrauensvoll wenden können, die im Familien- oder Freundeskreis „eine Radikalisierung aufgrund eines wachsenden Verschwörungs-Glaubens beobachten beziehungsweise vermuten“. Da nun selbst die Schweiz zu diesem Mittel greift, würde es kaum überraschen, wenn bald auch das Kabinett Scholz die berühmt-berüchtigten Daumenschrauben in Sachen Energiesparen anzieht.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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