Die Zahl der Sexualdelikte steigt, es herrscht akuter Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die Infrastruktur bröckelt, auf den Bürgerämtern muss man selbst für einen Termin zum Anmelden in einer neuen Wohnung ewig warten. Berlins rot-rot-grüner Senat macht nicht den Eindruck, als ob er diese und viele andere Probleme wirklich beherzt angreift. Stattdessen ist offenbar Ideologie Trumpf. Und Haltung. Bedienstete des Bundeslandes Berlin müssen schon lange vorsichtig sein bei ihrer Wortwahl. Doch jetzt kommt es noch dicker.
Schon mehrere Jahre müssen Berliner Staatsdiener die eigene Sprache vergewaltigen und etwa offiziell von „Zu Fuß Gehenden“ sprechen statt von „Fußgängern. Oder von „Radfahrenden“ und „Verkehrsteilnehmenden“ statt von „Radfahrern“ und „Verkehrsteilnehmern. All das, weil die Landesregierung „eine geschlechtergerechte Ansprache“ angeordnet hat. Ein neuer Leitfaden des Senats „Mitarbeitende der Berliner Verwaltung zum diversitysensiblen Sprachgebrauch“ schlägt dem Faß nun aber endgültig den Boden aus (und gar nicht daran zu denken, was man hätte bewirken können, wären die Autoren etwa in den Bürgerämtern als zusätzliche Schalterbeamte eingesetzt worden).
Der Leitfaden umfasst immerhin 44 Seiten und ist Teil eines Diversity-Landesprogramms. Das soll laut Berliner Kurier „die Mitarbeiter in den Amtsstuben für das Kommunizieren ‘mit den Menschen in dieser Stadt‘ ertüchtigen, unabhängig von deren Geschlecht, ethnischer Herkunft oder Hautfarbe, Alter, Behinderung, Religion, Weltanschauung und sexueller Identität.“ Verantwortlich für das bahnbrechende Werk: Die „Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung“. Sie gehört in den Aufgabenbereich von Justizsenator Dirk Behrendt. Der Mann hatte erst kürzlich faktisch eine Gesinnungs-Überwachung für Justizbeamte angeordnet mit Methoden, die Kritiker an die DDR erinnern (siehe hier). Der setzte auch durch, dass man in Berlin künftig Staatsanwältinnen im Kopftuch vor Gericht begegnen kann (siehe hier).
Der neue Leitfaden schreibt vor, dass etwa das Wort „Ausländer“ tabu ist. Stattdessen soll der Berliner Staatsdienende (oder wie muss es richtig heißen?) nun „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ sagen. Selbst „Menschen mit Migrationshintergrund“ – eine Wort-Neuschöpfung – ist nicht mehr politisch korrekt genug und soll ersetzt werden durch „Menschen mit Migrationsgeschichte“ oder „Menschen mit internationaler Geschichte“.
Der Begriff „schwarze Menschen“ beschreibt den Autoren zufolge nicht Menschen mit schwarzer Hautfarbe, sondern ist eine Selbstbezeichnung „für Menschen, die Rassismuserfahrungen machen“. Dies soll nun dadurch unterstrichen werden, dass das „s“ in Schwarz groß geschrieben wird. Die Frage, ob es Sinn macht, dass nach dieser Definition auch ein Weißer, der etwa in Afrika diskriminiert wurde, sich als „Schwarzer“ bezeichnen könnte, werfen die Autoren nicht auf. Dafür betonen sie, dass auch Begriffe wie „Farbige“ oder „Dunkelhäutige“ wegen ihrer kolonialistischen und diskriminierenden Bedeutungen abzulehnen seien.
Auch der Begriff „schwarzfahren“ wird Opfer der Sprachpolizei. Er soll ersetzt werden mit „Fahren ohne gültigen Fahrschein“. Unerwünscht ist auch „anschwärzen“; es ist zu ersetzen durch „melden“ oder „denunzieren“. Begriffe wie „Wirtschafts-/Armutsflüchtlinge“ sind demnach ebenfalls abwertend, da es ausdrücke, Asylsuchende würden vor allem aus wirtschaftlicher Not einreisen und somit ihr Grundrecht auf Asyl ausnutzen. Ebenso negativ das Urteil über das Wort „Armutsmigration“: Es betone eine vermeintliche Einwanderung in die Sozialsysteme, die es aber nach dem Gesetz gar nicht geben könne.
Auf über elf Seiten beschäftigt sich der Neusprech-Leitfaden mit Geschlechtsidentitäten, „geschlechtsunabhängigem Begehren“ und mit Begriffen wie „Cisgeschlechtlichkeit“, wie der Berliner Kurier beschreibt: „Mit der Vorsilbe ‘cis‘ wird beschrieben, dass eine Person ‘in Übereinstimmung mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht lebt‘ – also dass sich Männer als Männer fühlen und Frauen als Frauen. Man erfährt alles über sexuelle Orientierungen und dass Bi-Sexualität für eine überkommene Zwei-Geschlechter-Ordnung steht. Diese solle durch den Begriff Pansexualität bewusst erweitert werden, indem auch trans- und intergeschlechtliche sowie ‘nicht binäre‘ Menschen mitgedacht werden.“
Als Rechtfertigung für die Sprachpolizei wird angeführt, Sprache könne Meinungen lenken und Handlungen beeinflussen. Das Gegenmittel: Die eigene Sprache reflektieren und kritisch zu hinterfragen.
Orwell hätte sich das, was in Berlin passiert, wohl nicht besser ausdenken können. Es erinnert sehr stark etwa an Anfangszeiten der Sowjetunion, als die Bolschewiken durch Sprach-Neuschöpfungen und Sprachregelungen eine Umerziehung durchsetzen und einen neuen, besseren, sozialistischen Menschen schaffen wollten. Die Idee, dass Probleme weg sind, wenn man die entsprechenden Worte unterbindet, stammt aus der Giftkiste des Totalitarismus. Und im konkreten Fall aus der Unterschublade „Kommunismus“. Lenins Urenkel sind unter uns. Und in Berlin geben sie sogar den Ton an.
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Bild: nfsstudi0/Shutterstock
Text: red