Von Daniel Weinmann
Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) von Ende April sind die Gesundheitsausgaben in Deutschland im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent oder 22,6 Milliarden Euro auf 497,7 Milliarden Euro gestiegen. Dies entspricht 5.939 Euro je Einwohner. Angesichts solcher Zahlen verwundert kaum, dass Betrüger hier gute Geschäfte wittern.
Dazu passt eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse in Hannover (KKH), für die vom 2. bis 5. April bundesweit 1004 zwischen 18 und 70 Jahre alte Bundesbürger befragt wurden. 62 Prozent der Teilnehmer halten das deutsche Gesundheitswesen für anfällig für Betrug und Korruption – 18 Prozent davon stufen es sogar als „sehr anfällig“ ein, während 58 Prozent angaben, selbst Erfahrungen mit Betrug im Gesundheitswesen gemacht zu haben oder Betroffene zu kennen. Im Mittelpunkt stand der Pflegesektor: 41 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, dass jemand aus ihrer Familie oder ihrem Bekanntenkreis trotz zuerkannten Pflegegrades nicht ausreichend versorgt wurde.
„Das Gesundheitswesen ist ein Schlaraffenland für Kriminelle“, kommentierte der Leiter der Staatsanwaltschaft München, Hans Kornprobst, schon vor fast fünf Jahren. Allein der Kaufmännischen Krankenkasse in Hannover ist 2023 durch Korruption, Betrug oder Urkundenfälschung ein Schaden von 3,5 Millionen Euro entstanden, wie die KKH am Mittwoch mitteilte. 2022 lag der Schaden bei mehr als einer Million Euro, im Jahr zuvor waren es 4,7 Millionen Euro.
»Durch solche Machenschaften schwindet das Vertrauen in die qualitativ gute Gesundheitsversorgung«
Die meisten der 553 im vergangenen Jahr von der KKH registrierten Hinweise betrafen die ambulante (179) und die stationäre Pflege (167). Damit gingen rund zwei Drittel aller Fälle auf das Konto von Pflegeeinrichtungen. KKH-Chefermittlerin Dina Michels: „Bei einem ambulanten Pflegedienst bestehe der Verdacht, dass Pflegebedürftige intensivmedizinisch von Personal versorgt wurden, das dafür nicht ausgebildet war. Lebensnotwendige Medikamente seien fehlerhaft gegeben, eklatante Mängel in der Hygiene in Kauf genommen und zudem Leistungen abgerechnet worden, die nie erbracht wurden.“
Im März hatten die Betreiber eines Pflegedienstes vor dem Landgericht Nürnberg zugegeben, Kranken- und Pflegekassen um fast fünf Millionen Euro betrogen zu haben. Die beiden Angeklagten, ein 51-Jähriger und eine 63-Jährige, bekannten sich schuldig, den Pflegedienst ohne die vorgeschriebene verantwortliche Pflegekraft betrieben und falsche Angaben dazu gemacht zu haben. Die für Betrug im Gesundheitswesen zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg wirft den beiden Angeklagten vor, zwischen 2013 und 2021 in 384 Fällen gesetzeswidrig Leistungen für intensiv pflegebedürftige Patienten abgerechnet zu haben.
Beispiele dieser Art gibt es reichlich. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer deutschlandweit in die Milliarden geht. Die Schlupflöcher für Kriminelle sind grenzenlos – und häufig kommen diese Straftaten erst gar nicht ans Licht. „Was viel schwerer wiegt, sind die körperlichen und seelischen Folgen bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Durch solche Machenschaften schwindet das Vertrauen in die qualitativ gute Gesundheitsversorgung in unserem Land“, bringt es KKH-Chefermittlerin Dina Michels auf den Punkt.
Ministerien schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu
Es ist jedoch nicht nur der enorme finanzielle Schaden, der Beklommenheit bereitet. Wenn Pflegebedürftige von Personal versorgt werden, das dafür nicht ausgebildet ist oder lebensnotwendige Medikamente fehlerhaft sind, geht es um Menschenleben.
Die Politik hat dem Treiben der Kriminellen derweil wenig entgegenzusetzen. Die erste ernsthafte Reaktion seitens des Gesetzgebers erfolgte vor gerade einmal acht Jahren, als man Korruption im Gesundheitswesen ins Strafgesetzbuch aufnahm. „Seit Jahren fordern Kassen, Verbände, Staatsanwaltschaften und Polizei eine fundierte Dunkelfeldstudie“, zitiert der „Focus“ den Chefermittler der AOK, Dominik Schirmer. Damit könnten nicht nur Schadenssummen wissenschaftlich exakter beziffert, sondern auch Löcher im System gefunden werden. Der Gesundheitsökonom fordert „eine gesundheitsökonomische und kriminologische Forschung zu diesen Deliktsthemen“.
Doch Deutschlands berühmtester Gesundheitsökonom Karl Lauterbach mauert und wälzt die Verantwortung auf das Justizministerium ab – das sich aber ebenfalls nicht in der Pflicht sieht, für Aufklärung zu sorgen. Es wäre wohl auch zu viel verlangt, von der Ampelkoalition zumindest hier eine kompetente Reaktion zu erwarten.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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