Von Daniel Weinmann
„Deutschland hat genug Gas – eigentlich. Bis zu 2300 Milliarden Kubikmeter Schiefergas schlummern laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe unter Deutschlands Böden – genug, um die Republik über Jahrzehnte zu versorgen. Doch weil es Schiefergas ist, will es die Bundesregierung nicht fördern. Denn es kann nur mit Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, gewonnen werden, das 2016 von der Großen Koalition verboten wurde.
Bei diesem Verfahren bohrt man in Schiefergesteinsschichten und presst Wasser hinein, bis die Steine brechen. Der Flüssigkeitsdruck sorgt dafür, dass das Gestein aufgesprengt und gasdurchlässig wird. Zu groß seien die Risiken, argumentierten bereits die Protagonisten des Merkel-Kabinetts. Im schlimmsten Fall könnte es zu Erdbeben kommen und Grundwasser verseucht werden.
Eine Expertenkommission sollte die Bedenken gleichsam amtlich bestätigen. Doch der Plan ging schief. 2021 schätzte der u. a. mit Umweltschützern des Umweltbundesamts und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung besetzte Ausschuss das Risiko von Fracking für das deutsche Trinkwasser als „gering“ ein. Das Risiko von Erdbeben schätzten die Szenekenner gar als „äußerst gering“ ein. Der 33 Seiten umfassende Bericht wurde – wen wundert’s – von den Medien kaum beachtet und auch nicht im Bundestag debattiert. Stattdessen schrieb das Wirtschaftsministerium in einer dürren Stellungnahme, dass sich das Fracking-Verbot „bewährt“ habe.
Zum Habitus von Habeck passt, selbst die eigenen Berater zu ignorieren
Für den aktuellen Bundeswirtschaftsminister Habeck war dies eine Steilvorlage. Fracking sei wegen der „schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Wasser“ verboten, ließ der Grüne eine Sprecherin auf die Frage antworten, ob über Fracking nochmals diskutiert werden könne. Die Förderung von Fracking-Gas leistet in seinen Augen in der gegenwärtigen Situation keinen sinnvollen Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung in Deutschland.
Zum Habitus des Grünen passt, selbst die eigenen Berater zu ignorieren. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die den Bundeswirtschaftsminister wissenschaftlich beraten soll, entwarnte bereits 2016: „Aus geowissenschaftlicher Sicht“ könne Fracking „kontrolliert und sicher erfolgen“. Doch Fracking ist fossil – und daher ein rotes Tuch für Habeck und seine grünen Mitstreiter.
Die ideologisch verblendeten Klimaschützer offenbaren bei diesem Thema die gleiche Doppelmoral wie beim Atomstrom, der hierzulande zwar verpönt ist, aber aus dem Ausland importiert wird. Weil Grünrot das Fracking-Verfahren nicht akzeptiert, kauft man Gas, das woanders gefrackt wurde, beispielsweise in den USA.
»Da haben wir wohl etwas unpräzise formuliert, da ich weitere eigene Quellen nicht anbieten kann«
Bundesfinanzminister Christian Lindner wollte sich dafür einsetzen, die heimischen Erdgasvorräte mittels Fracking-Technologie verfügbar zu machen – und erntete harsche Kritik. In Deutschland werde niemand dieses Verfahren in Erwägung ziehen, wenn die vielerorts auftretende Zunahme von Krebserkrankungen rund um Fracking-Bohrstellen berücksichtigt werde, beschied ihm Andreas Krüger, Präsident des größten deutschen Umweltverbands, Nabu.
Die „Welt am Sonntag“ wollte wissen, welche Belege der Vorzeige-Umweltschützer für seine Warnungen habe. Der Verband verwies zunächst auf einen Verdachtsfall in der niedersächsischen Samtgemeinde Bothel. Als dort im Jahr 2013 Erdgas gefördert wurde, nahm dort die Anzahl an Krebserkrankungen zu. Eine Studie der Universität München aus dem Jahr 2018 konnte hingegen „weder einen Zusammenhang der räumlichen Wohnnähe zu Schlammgruben noch zu allen Anlagen der Kohlenwasserstoffförderung (Erdgas- und Erdölförderanlagen)“ nachweisen.
Als Erklärung müsse man daher einen „statistischen Zufall“ oder „konkurrierende Expositionen“ in Betracht ziehen, schrieben die Wissenschaftler. Auch das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen sah „keine Hinweise auf eine Fortsetzung des Clusters“. Auf Nachfrage der „Welt am Sonntag“, mit welchen Fakten der Nabu seine Behauptung untermauert, flüchtete sich dessen Leiter Klimapolitik, Sebastian Scholz, in eine billige Ausrede: „Da haben wir wohl etwas unpräzise formuliert, da ich weitere eigene Quellen nicht anbieten kann“. Dies hält seinen Verband gleichwohl nicht davon ab, Panik zu schüren und auf seiner Website weiterhin die Unwahrheit über die Krebserkrankungen zu berichten.
»Ökonomische, raumplanerische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ berücksichtigen«
Bezeichnend für die Verfasstheit dieses Landes ist, dass Fakten keine Chance gegen ideologische Verblendung haben. Dies zeigt neben dem Naturschutzbund eine Petition der Gruppe „Geos for Future“ gegen die Förderung von Schiefergas. Sie gestehen sogar ein, dass „moderne Methoden der unkonventionellen Erdgasförderung aufgrund von technischen Weiterentwicklungen und hohen Umweltstandards in Deutschland mit vergleichsweise geringen Risiken verbunden sein mögen“.
Um dennoch ihre Ablehnung zu untermauern, bleibt den jungen Geologen nur, fachfremde Argumente heranzuziehen. Man müsse „ökonomische, raumplanerische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ berücksichtigen, postulieren sie in einer Manier, der sich besonders gern Grünen bedienen. „Auch mit umfangreichen Beteiligungsverfahren und bestmöglicher Wissenschaftskommunikation ist nicht davon auszugehen, dass der geforderte Einsatz dieser Methode zur Erdgasgewinnung hierzulande je auf gesellschaftliche Akzeptanz treffen könnte.“
So bleibt wohl weiterhin nur die Abhängigkeit vom Ausland, verbunden mit Energiepreisen, die bei einer vernünftigen und realitätsbezogenen Politik erheblich niedriger sein könnten. Stattdessen bringt der verbissene Fokus der Grünen auf Ideologie unter Missachtung jeglicher Realität den in Jahrzehnten aufgebauten Wohlstand dieses Landes in größte Gefahr.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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