Von Mario Martin
Die Physikerin Dr. Ute Bergner, die ehemals der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag angehörte, inzwischen zur Partei „Bürger für Thüringen“ gewechselt ist, hielt am 17.11. vor dem Thüringer Landtag eine Rede, in der sie eine von ihr in Auftrag gegebene Analyse vorstellte.
Sie hatte zwei Statistiker beauftragt, zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Impfquote und der Übersterblichkeit in den 16 Bundesländern gibt.
Hier die Rede in zwei Teilen:
Bergner:
„Die Übersterblichkeit wächst mit steigender Impfquote“.
Sie übergibt Papier mit Quellen und Methodik und fordert den Druck auf Ungeimpfte sofort zu stoppen. 2/2 pic.twitter.com/ioQ2Fn7Jf1
— henning rosenbusch (@rosenbusch_) November 18, 2021
Zusammenfassung der Ergebnisse
Prof. Dr. Rolf Steyer und Dr. Gregor Kappler analysierten den Zeitraum von KW 36 bis KW 40.
Die Ergebnisse sind alarmierend. In der Zusammenfassung der Analyse heißt es:
Eine Übersterblichkeit ist in allen 16 Ländern festzustellen. Die Anzahl der vom RKI berichteten Covid-Sterbefälle in dem betrachteten Zeitraum stellt durchweg nur einen relativ kleinen Teil der Übersterblichkeit dar und kann vor allem den kritischen Sachverhalt nicht erklären:
Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit.
Die direkteste Erklärung ist:
・ Vollständige Impfung erhöht die Sterbewahrscheinlichkeit.
Natürlich sind indirektere Erklärungen möglich:
・ Je höher der Anteil der Alten, desto höher die Impfquote und die Übersterblichkeit. Daher korrelieren auch Impfquote und Übersterblichkeit. (Diese Erklärung ist aber nicht sehr plausibel, da sich der Anteil der Alten zwischen 2016-2020 einerseits und 2021 andererseits erheblich verändert haben müsste.)
・ Höhere Impfquoten werden durch erhöhten Stress und Angst in dem betreffenden Land erzielt und letztere führen zu erhöhten Anzahlen bei den Sterbefällen.
Weitere Erklärungsansätze sind keineswegs ausgeschlossen. Manche davon lassen sich vielleicht auch mit Zahlen untermauern und sollten weiter untersucht werden. Für Anregungen dieser Art sind wir sehr dankbar.
Die statistische Auswertung ergibt folgendes Bild: Die y-Achse zeigt die Übersterblichkeit in Prozent. Zum Beispiel steht die 110.0 für eine Übersterblichkeit von 10 %. 100.0 bedeutet keine Übersterblichkeit und kennzeichnet den Schnitt von 2016 bis 2020. Die x-Achse zeigt die Impfquote des Bundeslandes in Prozent.
1. NACHTRAG: Ein Leser äußerte einen berechtigten Kritikpunkt an der Analyse: Die Übersterblichkeit wäre nicht um demografische Merkmale bereinigt worden. Somit wäre der Vergleich mit der Übersterblichkeit der Vorjahre unscharf. Der Kritikpunkt wurde an die Autoren der Arbeit weitergereicht. Sollte der Effekt mit eingebaut werden, wird dies hier ergänzt.
2. NACHTRAG: Die beiden Wissenschaftler haben inzwischen eine Klarstellung veröffentlicht, die an dieser Stelle wiedergegeben werden soll: „Es ist kein logischer Widerspruch, dass eine positive Korrelation vorliegt, ohne dass man einen negativen Effekt der Impfquote auf die Übersterblichkeit unterstellen muss. Die Überschrift unserer Notiz ist eine übliche Umschreibung einer positiven Korrelation und insofern sachlich nicht falsch. Nachdem der Bericht aber, gegen unsere Absicht, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, die den Begriff der Korrelation nicht richtig versteht, bedauern wir inzwischen auch die Wahl der Überschrift unserer Notiz vom 16. November 2021. Sie hat sicherlich zu voreiligen Schlüssen beigetragen. Wir bitten, dass diese Stellungnahme überall dort zur Kenntnis gebracht wird, wo aus unserer Notiz zitiert wird, oder diese gar in Gänze übernommen wurde.“
22. Nov. 2021 Rolf Steyer und Gregor Kappler
Thüringen (4 %) und Sachsen (2 %), die beiden Länder mit den niedrigsten Impfquoten, weisen ebenfalls die geringste Übersterblichkeit auf. Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern mit einer Impfquote von 66 % und einer Übersterblichkeit von 16 %. Die größeren Bundesländer liegen alle im Bereich einer Übersterblichkeit von 10 % mit Impfquoten von 66 bis 71 %.
Ergebnisse erfordern 'dringende Klärung'
Für die Statistiker unter Ihnen: Der Korrelationskoeffizient beträgt +0,31. In den Augen der beiden Wissenschaftler sei dies “erstaunlich hoch”. Zumal das Vorzeichen nicht stimmt. Eigentlich erwarten wir eine andere Beziehung: Je mehr Impfungen, desto geringer die Sterblichkeit. Die Intention der „Impfung“ ist ja schließlich der Schutz der Menschen.
Nun ist der Zusammenhang aber positiv: „Die Übersterblichkeit wächst mit steigender Impfquote“. Dies bedürfe dringender Klärung, fordern die beiden Statistiker. Weiterhin sei angesichts „der anstehenden politischen Maßnahmen zur angestrebten Eindämmung des Virus […] diese Zahl beunruhigend und erklärungsbedürftig, wenn man weitere politische Maßnahmen ergreifen will, mit dem Ziel, die Impfquote zu erhöhen“.
Die Analyse wurde dem Thüringer Landtag zur Begutachtung übergeben.
Am Ende ihrer Rede betonte Ute Bergner: “Der Wert eines Menschen hängt nicht von seinem Impfstatus ab.” Erschreckend, dass eine Äußerung solcher Selbstverständlichkeiten inzwischen nötig geworden ist.
Wie diese Ergebnisse zustande kommen, müsste jetzt von der Politik beantwortet werden. Die Erfahrung zeigt: Die Hoffnung, in Bezug auf einen derartigen Sachverhalt und die daraus resultierenden Fragen logische Antworten aus der Politik zu erhalten, ist vermutlich vergebens.
Übersterblichkeit der 15- bis 44-Jährigen
An dieser Stelle wollen wir noch einen Blick auf die aktuelle Übersterblichkeit der 15 bis 44-Jährigen in Deutschland und Europa werfen. Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Sterblichkeit der letzten Jahre. Im roten Kreis sehen wir das Jahr 2021, das fast durchgängig eine Übersterblichkeit bei den 15- bis 44-Jährigen ausweist. Normalerweise schwankt der Graph viel stärker zwischen Unter- und Übersterblichkeit. Nicht so in diesem Jahr (rote Elipse rechts).
Auch in ganz Europa sehen wir eine hohe Übersterblichkeit in der Altersgruppe:
Gab es bereits im letzten Jahr eine Übersterblichkeit von 3.000 Toten, so liegt die Übersterblichkeit in Europa in diesem Jahr bereits fast 5.000.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
+++ Transparenzhinweis +++
In der Ursprungsversion des Artikels war die dritte Grafik nicht korrekt gekennzeichnet. Es wurde der Anschein erweckt, als handele es sich um Zahlen für Deutschland und nicht für ganz Europa. Ich bitte den Fehler zu entschuldigen.
Bitte beachten Sie auch die Hinweise unterhalb der ersten Grafik.
Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: ShutterstockText: Gast