(Corona-)Denunziation unter Journalisten Die Bundespressekonferenz heute

Bei vielen Ereignissen ist das, was hinter den Kulissen vor sich geht, zuweilen aussagekräftiger als der offizielle Teil. Diesen Eindruck hatte ich heute auch nach der Bundespressekonferenz. Kaum hatte ich deren Gebäude am Schiffbauerdamm unweit von Bundestag und Bundeskanzleramt verlassen, kam ein Mann auf mich zu, dessen Beruf es ist, dort für die Sicherheit zu sorgen. Sehr freundlich und höflich bat er mich, in Zukunft statt meines Schals eine Maske als Mund- und Nasenbedeckung zu tragen. Ich entgegnete ebenso freundlich, dass laut Berliner Corona-Verordnung auch ein Schal ausreiche. Der Mann druckste etwas herum, regelrecht entschuldigend und weiter sehr, sehr freundlich meinte er dann, es hätte Beschwerden gegeben, wegen meines Schals. Ich hakte nach, wer sich beschwert habe. Der überaus sympathische Mann nannte dann den Namen desjenigen, der da am Denunzieren war. Es ist ein anderes Mitglied der Bundespressekonferenz: Tilo Jung von „jung und naiv“. Der Mann, der Stalin, Mao und die DDR für „rechts hält“ (siehe hier). Und der öffentlich meine Aufnahme in die Bundespressekonferenz kritisierte, auf eine despektierliche Weise.

Meine MNB – konform mit der Verordnung

Mich hat die Information umgehauen. Dass sich Journalisten über andere Journalisten bei Sicherheitsleuten beschweren, weil sie der Auffassung sind, sie müssten noch mehr Sicherheitsmaßnahmen einhalten, als es die gesetzlichen Regeln vorschreiben, halte ich für unglaublich. So eine „Melderei“ hätte ich noch vor Monaten für eine überwundene Unsitte aus finsteren Zeiten der Geschichte gehalten. Jetzt ist diese Unsitte wieder da. Warum sprach der Kollege mich nicht einfach persönlich an? Besonders pikant: Ich habe in der Bundespressekonferenz nachgefragt, wie die Bundesregierung zu Berichten steht, wonach Stoffbedeckungen nur unzureichende Wirkung haben. Die Antwort war ausweichend. Also kann die Stoffbedeckung doch nicht so schlecht sein! Der Kollege hat in der Sache bei der Regierung nicht kritisch nachgefragt. Dafür meldet er mich hinter meinem Rücken. Eine bemerkenswerte Berufsauffassung. Jung und naiv eben. Und nicht nur hundertprozentig auf Linie, sondern hundertfünfzigprozentig: Alles, was der Staat vorschreibt, muss nicht nur strikt eingehalten werden, sondern auch noch übererfüllt!

Aber nun zur Veranstaltung. Merkels Sprecherin Ulrike Demmer, mit der ich früher gemeinsam beim Focus im Berliner Büro arbeitete, berichtete, dass die Bundesregierung den Kinder- und Jugendbericht im Kabinett erörtert habe. Ich fragte sie, ob dabei auch die heftigen Vorwürfe gegen die Corona-Politik diskutiert wurden, die am 9. September von dem Kindheitsforscher Michael Klundt in der Kinderkommission des Bundestages erhoben wurden. Und ob diese, wenn sie heute kein Thema waren, generell schon erörtert wurden von der Bundesregierung. Klundt hatte unter anderem von einer „Form der Kindeswohlgefährdung“ gesprochen (ich habe darüber heute hier berichtet). Zudem wollte ich von Merkels Sprecherin wissen, wie es zusammenpasst, dass die Regierung die Wichtigkeit von „transnationaler Bildung“ betont, die Grenzen aber faktisch geschlossen seien. Demmert antwortete ausweichend (anzusehen hier). Ich hakte nochmal nach, ob sich das Kabinett mit den Kritikpunkten Klundts beschäftigt habe oder, wenn nein, dies plane. Demmert dazu: „Das müsste jetzt das zuständige Fachressort vielleicht sagen, ich kann Ihnen hier nur zu dem Kinder- und Jugendbericht antworten, zu den Zitaten kann ich mich nicht äußern, weil sie mir nicht vorliegen.“

Später fragte ich das Gesundheitsministerium nach einem Unit-Leiter des Robert-Koch-Instituts, der dort für „Laborunterstützung“ zuständig ist, und gleichzeitig Gesellschafter einer Firma, die mit „Standards für PCR“ Geschäfte macht. Der Ministeriumssprecher antwortete ausweichend und bezeichnete meine Frage als „abseitig“. Siehe hierzu meinen eigenen Bericht. Die Frage und die Antwort ist aus der Übertragung der Bundespressekonferenz der „Welt“ herausgeschnitten.

Als in der Bundespressekonferenz deutliche Zuversicht angesichts der bevorstehenden Entwicklung eines Corona-Impfstoffes aufkam, verwies ich auf die von mir in Auftrag gegebene, repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA, nach der nur 42 Prozent der Deutschen sich gleich impfen lassen würden (siehe hier). Wie dies zusammenpasse mit der Aussage von Jens Spahn, dass eine Impfrate von 60 Prozent nötig sei und bei ihm Optimismus herrsche, dass diese erreicht werde. Ob doch eine Impfpflicht möglich sei. Spahn-Sprecher Hanno Kautz antwortete, er gehe davon aus, dass die Impfbereitschaft mit der Zeit steige. Eine Impfpflicht werde es nicht geben. Auf meine Rückfrage nach einer „indirekten Impfpflicht“ etwa dadurch, dass Vertreter bestimmter Berufe nur noch mit Impfung arbeiten dürften, ging Kautz nicht ein. Er sagte: „Ich kann mich nur wiederholen, die Impfung wird freiwillig sein, es wird keine Impfpflicht geben“ (anzusehen hier).

Während meine Frage zum Robert-Koch-Institut bei „Welt“ herausgeschnitten wurde, fehlen bei Phoenix meine beiden Fragen zur Demo in Leipzig und zu innerdeutschen Grenzkontrollen, zumindest auf YouTube. Ich wollte wissen, wie Steffen Seibert und der Seehofer-Sprecher Steve Alter am Montag zu ihren Aussagen gekommen seien, dass bei der Querdenken-Demo in Leipzig massiv die Corona-Auflagen verletzt und Journalisten attackiert wurden, während die Polizei am Dienstag nur von 144 Ordnungswidrigkeiten und keiner einzigen Anzeige eines Journalisten wissen konnte. Der Sprecher des Innenministeriums antwortete ausweichend. Später wurde ich von der Diskussionsleitung zurechtgewiesen, ich hätte Seibert unterstellt, er habe von Anzeigen gesprochen, aber so eine Aussage stehe gar nicht im Protokoll. Ich habe das aber auch gar nicht behauptet. Ich habe Seibert sinngemäß zutreffend dahingehend zitiert, dass er von Übergriffen auf Journalisten sprach. Nicht von Anzeigen. (Frage und Antwort sehen Sie hier, das Nachgeplänkel hier).

Zudem fragte ich nach innerdeutschen Grenzkontrollen. Die Kanzlerin hatte ja vor Jahren gesagt, die Außengrenzen Deutschland seien nicht zu kontrollieren. Nun fänden an den Innengrenzen Kontrollen statt, so wurde etwa der Querdenker-Bus mit Bodo Schiffmann an der Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern gehindert (siehe hier). Meine Frage war, ob es realistisch sei, alle Innengrenzen zu kontrollieren und wenn nicht, wie die Gleichbehandlung sichergestellt werde, wenn nur nach bestimmten Kriterien kontrolliert werde. Die Frage richtete sich an Innen- und Justizministerium wegen des Verfassungsbezugs. Eine Antwort kam nur vom Innenministerium: Man sei nicht zuständig, solche Kontrollen seien Länder-Kompetenz. Da ich angesichts der fortgeschrittenen Zeit eine Doppelfrage gestellt hatte, um beide Themen unterzubringen, hatte ich leider keine Nachfrage mehr frei (Frage und Antwort sehen Sie ebenfalls hier).

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Bilder: Boris Reitschuster, Phoenix/Screenshot
Text: br
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