Eine Glosse von Boris Reitschuster
Kaum stand Ende vergangenen Jahres die Ampel-Koalition, schon jubelten Journalisten-Kollegen, dass jetzt jeder sein Geschlecht selbst auswählen kann. So weit, so gut. Und umso bemerkenswerter, was mir heute auf der Bundespressekonferenz widerfuhr (ich wurde zwar ausgeschlossen, da mein Widerspruch aber aufschiebende Wirkung hat, kann ich weiter online Fragen stellen). Ich traute meinen Ohren nicht, als der Vorsitzende, der frühere Chefredakteur des Deutschlandfunks, Stephan Detjen, meine Frage wie folgt wiedergab – wie es auch im offiziellen Protokoll nachzulesen ist:
DETJEN: Dann gibt es eine Frage von Frau Reitschuster an Frau Hoffmann. In den Parlamenten von EU-Ländern wurden jetzt explizite Kritiker der Coronamaßnahmen angehört. Tauscht sich die Bundesregierung mit expliziten Kritikern aus? Wenn nicht, warum nicht? Plant sie einen solchen Austausch?
In der Videoaufzeichnung ist zu sehen, wie die Sprecher der Bundesregierung ihr Lachen nicht verbergen können (was ich verstehe – ich musste selbst lachen). Ansehen können Sie sich die Szene hier.
HOFFMANN (Sprecherin von Scholz): Ich denke, das ist die Frage von Herrn Reitschuster, oder?
DETJEN: Was hatte ich gesagt?
ZURUF: Frau!
DETJEN: Ach so! Nein, sie ging an Frau Hoffmann. Das wollte ich sagen. Alles andere wäre ein Fehler, für den ich um Nachsicht bitte.
HOFFMANN: Dazu liegen mir keine Informationen vor. Ich würde das gegebenenfalls nachreichen, wenn es etwas nachzureichen gibt.
Die Nachsicht sei Herrn Detjen gewährt, ich bin nicht nachtragend. Der Fehler hatte sich quasi schon angebahnt, da er bei der vorherigen Frage einfach nur von „Reitschuster“ sprach, ohne jede geschlechtliche Zuordnung in Form von Herr (oder eben Frau – siehe hier: „Reitschuster fragt). Auch das ist im Eifer des Gefechts in meinen Augen okay.
Und ich hoffe, die Nachreichung von Frau Hoffmann bezieht sich auf die Experten, und nicht auf mein Geschlecht.
Denn auch wenn der Wechsel desselben unter der neuen Regierung zur Formsache gemacht werden soll: Ich bin heute wie jeden Tag zuvor als Mann aufgewacht. Und ich bin felsenfest überzeugt (zumindest für den Moment – man soll ja niemals nie sagen): Ich werde das auch bleiben.
Und da ich dazu neige, die Dinge positiv zu sehen, finde ich, dass auch die Verwechslung ihre Vorzüge hat. Denn es gab eine Bundespressekonferenz, auf der mein Name überhaupt nicht genannt wurde, und meine Fragen einfach anonym verlesen wurden. Gott sei Dank war das nur einmal der Fall – in einer Sitzung Ende Dezember, die vom Vorsitzenden des Vereins „Bundespressekonferenz“, Mathis Feldhoff vom ZDF, geleitet wurde. Diese Bundespressekonferenz löste viel Hohn und Spott aus (nachzulesen hier).
Seitdem wird auch mein Name bei den Fragen wie die aller anderen Kollegen wieder ganz korrekt verlesen.
Und viel besser, einmal kurz eine Frau zu sein, als namenlos 😉
Text: br