Von Christian Euler
Die Zahl der verfügbaren Intensivbetten wird seit Beginn der Corona-Krise immer wieder als Indikator für die Dramatik der Lage herangezogen. Die Warnungen vor einer Überlastung der Intensivstationen gehören zur Corona-Berichterstattung wie der tägliche Blick auf das Wetter. Als ebenso viel beachteter wie gefürchteter Seismograph gilt die Berliner Corona-Ampel für Intensivbetten.
Die Aussagekraft dieser Zahlen ist jedoch extrem begrenzt, wie ein Vergleich zweier Anfragen des Berliner Abgeordneten Marcel Luthe an die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zeigt. Der Spitzenkandidat der Freien Wähler Berlin wollte im November 2020 und im April dieses Jahres wissen, wie viele Betten auf Intensivstationen es – verteilt auf die jeweiligen Monate – in den Jahren 2016 bis 2021 in der Bundeshauptstadt gab,
Die Antwort des Senats zeigt stark abweichende Zahlen für die gleichen Beobachtungszeiträume. Lag beispielsweise die Zahl der aufgestellten Intensivbetten im Juli 2020 laut der Antwort im November bei 1297, waren es im April mit 1403 Betten rund acht Prozent mehr. Für September 2020 beläuft sich die Diskrepanz – je nach Anfragedatum – auf 1252 gegenüber 1147 Betten. (s. Tabellen).
Der Vergleich der beiden Tabellen zeigt: Ganz offensichtlich gibt es keine sauberen Kennzahlen. „Der Senat agiert schlicht pseudowissenschaftlich, wenn man relative Auslastungsgrade von Betten ‚vergleicht‘, dabei aber übersieht, dass die Zahl der belegbaren Betten sich nicht faktisch, sondern nur durch Umdefinition verändert“, wettert der Abgeordnete Luthe, „wenn Sie den Personalschlüssel verändern, können Sie ‚Ampelfarben‘ beliebig von grün auf rot schieben, obwohl sich tatsächlich nichts ändert.“
Im Rahmen einer weiteren schriftlichen Anfrage wollte der frühere FDP-Politiker wissen: „Inwieweit dient die seit 13 Monaten andauernde Verordnungspolitik des Senats der „Gesundheit“ im Sinne der WHO und schadet ihr nicht vielmehr durch eine singuläre Fokussierung auf ein Virus unter Ausblendung der gesundheitlichen Nebeneffekte?“
Die wörtlich zitierte Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: „Die Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen dienen der Eindämmung der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und zur Bewältigung der Auswirkungen auf das Gesundheitswesen. Sie dienen damit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor einer schwerwiegenden Infektion und somit auch der Gewährleistung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach dem Grundgesetz.“
Die Folgeschäden werden massiv zunehmen
Marcel Luthe gibt sich damit nicht zufrieden: „Dass der Senat immerhin die Definitionen kennt und versteht, dass der Schutz der Gesundheit medizinisch ganzheitlich zu betrachten ist, wäre ja ein Anfang.“ Wie man aber dazu komme, vor diesem Hintergrund die massiv gesundheitsschädlichen Verordnungen des Senats nicht als solche zu erkennen, könne er sich nur mit Realitätsverweigerung erklären. Seine Befürchtung: „Die Folgeschäden der Verordnungen – ob durch Übergewicht, Einsamkeit oder Existenzangst – seien bereits jetzt offensichtlich und würden massiv zunehmen.“
Der Spitzenkandidat der Freien Wähler sieht weitere tiefgreifende Defizite: „In einer Demokratie lösen wir Probleme durch Sprache. Grundvoraussetzung dafür ist die gemeinsame Sprache. Wir müssen also Worte – auch das ist wissenschaftliches Basiswissen – zunächst definieren und Vergleichszahlen standardisieren. Genau das findet aber im ,Volk der Dichter und Denker‘ seit 15 Monaten nicht statt.“
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Bild: peter jesche/Shutterstock
Text: ce
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