Von Vera Lengsfeld
Der unsägliche Blog „Volksverpetzer“ hat in einem Gastbeitrag des freien Journalisten Erik Klügling versucht, einen Schlag gegen das Europäische Institut für Klima & Energie EIKE zu landen, die Pioniere der kritischen Begleitung der aktuell immer verrückter werdenden Klima- und Energiepolitik in Deutschland. Zentraler Baustein ist ein ausführliches Interview von Erik Klügling mit Prof. Dr. Matthias Quent – Mit Matthias Quent habe ich ständig Auseinandersetzungen, seit ich sein Buch „Deutschland rechts außen“ rezensiert und auf zahllose Fehler hingewiesen habe.
Ich möchte diese Analyse deshalb vor allem auf das Interview und seine beiden unsäglichen Kernspins beschränken.
Exzessive Nutzung der Kampf- und Agitationsvokabel 'Leugnung'
Prof. Dr. Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, wird bei seinem beruflichen Werdegang (u.a. Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Neuerer Geschichte) es sicherlich nicht zurückweisen, wenn man ihm ausgewiesene Expertise im Bereich politische Kommunikation und Framing bescheinigen würde. Fundierteren Hintergrund in klima- und energiewissenschaftlich-technischen Fragen hat er nicht, reklamiert es aber auch nicht. Umso verwunderlicher ist für mich seine aggressive Nutzung des völlig unwissenschaftlichen „Leugnungs“-Frames bei seinen Auslassungen zu EIKE. Laut Matthias Quent (0:31) existiert gar eine „Klimawandelleugner-Szene“, für die EIKE Argumente liefert.
Ist Prof. Quent sich nicht bewusst, was er hier tut? Schwer vorzustellen. Ist Prof. Quent nicht klar, dass „Leugnung“ ein kryptoreligiöser, denunziatorischer Begriff ist, der in der Wissenschaft, insbesondere aber in der Naturwissenschaft absolut nichts verloren hat?
Kein Wissenschaftler, insbesondere kein Naturwissenschaftler, aber erst recht kein Ingenieur, kann wissenschaftliche oder technische Fakten „leugnen“ und sollte dies auch niemals tun, denn wenn er oder sie dies täte und dies nachgewiesen werden würde (und der Witz an Wissenschaft ist ja gerade die Überprüfung von Aussagen, Modellen und Schlussfolgerungen), dann wäre seine berufliche Reputation erledigt. „Leugnung“ ist eine Anklage aus dem Arsenal der spanischen Inquisition und der Nachweis der Leugnung bringt den Ketzer auf den Scheiterhaufen. Oder um einen im Physik Journal, der Mitgliederzeitschrift der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, veröffentlichten Leserbrief zu zitieren: „Klimaleugnung“ ist eine „ideologische Kampf- und Agitationsvokabel“, die nicht zur Beschreibung des Wirkens anderer Wissenschaftler verwendet werden darf.
Ein „Leugnung“ von echten wissenschaftlichen Fakten ist nicht möglich – dies sollte auch dem Politologen Quent klar sein.
„Die Erde bewegt sich um die Sonne“, „der Kontinentaldrift hat existiert und die Gestalt der momentanen Erdoberfläche massiv gestaltet“, „Kernspaltung und radioaktive Strahlung folgen den Gesetzen der Kernphysik“, „Strom kann man nicht im Netz speichern“, „die Leistung jeder Windkraftanlage geht mit dritten Potenz der Windgeschwindigkeit und ist bei Flaute null“, „Kernkraftwerke haben einen deutlich höheren Erntefaktor und einen ganz deutlich geringeren Grundflächenbedarf als allen anderen momentanen verfügbaren Energieanlagen, insbesondere aber im Vergleich zu Solar und Wind“ oder auch „Klima hat sich im Laufe der Erdgeschichte deutlich gewandelt, Triebkräfte dieser Veränderungen manifestiert in z.B. Temperatur oder CO2-Konzentrationsänderungen müssen mangels Vorhandensein von anthropogenen (menschlichen) Einflüssen als ’natürliche‘ Triebkräfte angesehen werden“ usw. usw.
All dies sind naturwissenschaftlich-technische Fakten, die niemand mit heutiger Wissens- und Publikationslage leugnet oder leugnen kann, weder EIKE noch Quent. Trotzdem waren diese Aussagen zu manchen Punkten (hier appelliere ich an den auch historisch ausgebildeten Quent) politisch „umstritten“ oder wurden zumindest im politischen Diskurs versehentlich oder absichtlich falsch oder verzerrt dargestellt. Übrigens im Falle des Kontinentaldrifts von Seiten der etablierten Wissenschaft mit großer Vehemenz gegen den vermeintlich nicht kompetenten Querkopf Alfred Wegner (mit bekanntem Ausgang für die damals dominierende Geologen-Welt-Elite).
All dies kann Quent wissen – trotzdem nutzt er die unsägliche „Leugnungs“-Vokabel gegen EIKE und damit indirekt gegen z.B. Prof. Dr. Joachim Lüdecke, Physiker und Strömungsmechaniker, der unter dem Label EIKE das Buch „Kernenergie: Der Weg in die Zukunft“ zusammen mit Götz Ruprecht veröffentlicht hat und dessen Buch „Energie und Klima. Chancen, Risiken, Mythen“ zu einem der vielen wichtigen Werke gehört, die die komplexe Energie- und Klimawissenschaft und die sich daraus ergebenden Handlungsoptionen oder -notwendigkeiten (aber eben auch die Fallstricke und Fehlkonzepte) jenseits des IPCC-Apparats und seiner Berichte intensiv beleuchten. Weshalb Prof. Lüdecke gern als kritischer Experte in z.B. Anhörungen von Fachausschüssen von Landtagen geladen wurde.
Wenn Quent sich mit klimawissenschaftlicher Fachliteratur beschäftigen würde, dann könnte er bestätigen, dass es sich auch bei den auf den EIKE-Seiten aufgelisteten Publikationsreferenzen nicht etwa um „Fakes“ der „Klimawandel-Lügen Lobby“ (Zitat aus Überschrift des „Volksverpetzer“-Stücks) handelt, sondern um Fakten, die niemand „leugnen“ kann (u.a. dafür gibt es den Apparat der Fachliteraturveröffentlichungen: dass kein politischer oder wissenschaftlicher Apparatschik behaupten kann, es hätte ja niemand widersprechende Erkenntnisse gehabt). Nur zur Klarstellung, da man hier gern missverstanden wird: Ich meine den Fakt, dass die Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften existieren und nicht etwa den Inhalt dieser oder anderer der tausenden Fachpublikationen zum Thema. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass die Nutzung des „Leugnungs“- Frames durch Quent nicht etwa eine Ungenauigkeit, sondern klare Absicht war – verstärkt wird dieser Eindruck durch weitere aggressive Negativvokabeln: „vermeintliche Sachverständige“ (2:49), eingeladen, um „sozusagen eine Desinformationspolitik im Interesse der äußersten Rechten zu tun“ (2:56) oder auch schlicht die Bezeichnung als „Pseudo-Institut“ (1:28) (die Quellen unten enthalten den Link zum vollständigen Interview).
Halten wir also fest: Ein zentrales Charakteristikum der Quentschen Attacke auf EIKE ist die Nutzung des unsäglichen und unwissenschaftlichen „Leugnungs“-Frames.
Sind das etwa Geschlechts- und Altersvorurteile?
Aber es kommt noch dicker: Quents Karriere ist ja eng verbunden mit der Amadeo Antonio Stiftung, welche die Trägerschaft über das Institut hält, das Quent als Direktor leitet. Die Amadeo Antonio Stiftung verfolgt gemäß Eigenbeschreibung das Ziel der Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.
Fällt es nur mir auf, dass Quent in seinem Beitrag für den „Volksverpetzer“ über EIKE mehrfach betont, dass EIKE von älteren Männern geprägt wird? Zitat Quent (ab 2:24) „da werden Sprecher:innen von EIKE, vor allem Sprecher, vor allem ältere Sprecher als Referenten bei Anhörungen etwa in Ausschüssen in den Parlamenten gehört“ und noch mal kommt der Punkt ab 7:09 (hier geht es um z.B. Einladungen zu Talkshows) „man kann sagen, aber unsere Expertinnen und Experten, wobei sie nicht viele Expertinnen haben, vor allem sind es ältere Männer aus dem EIKE-Netzwerk, die bekommen ja gar keine Öffentlichkeit“ – der Einschub in der Wiedergabe war im Gegensatz zum Rest des Satzes keine Quentsche Paraphrasierung der Strategie der von ihm analysierten Netzwerke, sondern eine Klarstellung von Quent zu eben jener Paraphrasierung.
Warum betone ich diesen Punkt so? Ganz einfach: Das Themenfeld von EIKE ist Klima und Energie – und ähnlich wie es keine Leugnung wissenschaftlich-technischer Fakten gibt, existiert auch kein Genderblick auf technische Fakten oder naturwissenschaftliche Gesetze. Die Auswahl von Fachleuten für eine Anhörung und insbesondere die Bewertung der dort vorgetragenen Einschätzungen sollte deshalb die Genderfrage vollkommen zurückstellen – wer dies nicht tut, handelt nicht nur unprofessionell, sondern bewegt sich in Mustern, die von der Amadeo Antonie Stiftung zu Recht bekämpft und angeprangert werden.
Die Neutralität gegenüber Geschlecht (oder auch Herkunft, sozialer Stellung) gilt in der Wissenschaft doppelt. Vielleicht hat Quent ja mal vom Standardverfahren der wissenschaftlichen Begutachtung von u.a. Publikationsentwürfen gehört, dem double-blind peer review? Die Doppelverblindung soll sicherstellen, dass eine fachliche Analyse eben nicht durch z.B. rassistische oder sexistische Vorurteile oder auch nur Arroganzen getrübt wird. In Arbeit und der Auseinandersetzung geht es in Naturwissenschaft und Technik ausschließlich um die Stärke der Argumente, der Daten und Modelle. Und eben nicht darum: Wer hat etwas gesagt? Oder aus welcher Motivlage? Oder von wem eingeladen? Oder von wem stammten die Gelder für die Forschung? Also um genau die Punkte, die Quent in seiner Analyse so wichtig zu sein scheinen.
Aber Quent bringt ja nicht nur das Geschlecht von Fachleuten ins Spiel (hat Prof. Quent eine Vorstellung, wie es um den Frauenanteil im z.B. deutschen Physikstudium bestellt war und oft leider immer noch ist?), sondern der immer noch junge Professor (m) bringt auch das Alter ins Spiel – aber gerade in Naturwissenschaften und Technik ist doch Alter in der Regel synonym mit Berufserfahrung! Legt Matthias Quent einem Physiker wie Prof. Lüdecke oder einem Ingenieur wie Michael Limburg tatsächlich ihre jahrzehntelange Berufserfahrung negativ aus?
Oder ist es doch so, dass Prof. Dr. Matthias Quent mit dem Frame „ältere Männer“ bewusst auf billigste und im Umfeld eines von der Amadeu Antonio Stiftung geschulten Politologen unzulässige Weise Vorurteile bedient und schürt?
Noch mal zum Mitschreiben, Herr Professor: Naturwissenschaftlich-technische Erkenntnis ist indifferent zu Geschlecht, Alter, Ethnizität, Herkunft oder politischen Überzeugungen desjenigen, der sie erbringt. Und noch weniger geht es in der Wissenschaft um Glaubensstärke, Bekenntnisse oder gar, Gott behüte, die inquisitorische Demaskierung von angeblicher Leugnung oder vermeintlichem Zweifeln.
Die Kombination seiner klerikalen „Leugnungs“-Weltsicht, und sei sie auch nur primär kommunikationstaktisch eingesetzt, und der für mich deutlich durchschimmernden alters- und geschlechtsdiskriminierenden Denkungsart gibt mir sehr zu denken. Dass das Ganze offen eingesetzt wird von einem Profi, dem Direktor eines Instituts einer einflussreichen Stiftung auf einer, sagen wir mal vorsichtig, sehr einseitigen Plattform wie dem „Volksverpetzer“-Blog, macht es natürlich nicht besser, sondern leider schlimmer.
Quellen:
Volksverpetzer-Blog-Eintrag:
Das Fake-Klimainstitut EIKE & die AfD: Die Klimawandel-Lügen Lobby – Volksverpetzer
Erik Klügling:
About – Erik Klügling (erik-kluegling.com)
Interview mit Prof. Dr. Matthias Quent
IDZ Jena:
IDZ Jena: Matthias Quent (idz-jena.de)
Publikationsliste von Prof. Dr. Horst Lüdecke, inklusive der Arbeiten und Bücher zum Themenbereich Energie und Klima
https://www.horstjoachimluedecke.de/publikationen
Dieser Artikel ist zuerst auf Vera Lengsfelds Blog erschienen.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Sie finden ihn hier.
Text: Gast