Deutschland im Abwärtsstrudel: Selbständige immer stärker unter Druck "Die große Enttäuschung des Jahres"

Von Daniel Weinmann

Es erstaunt immer wieder aufs Neue, wie weit Realität und Wunschdenken in der Ampelkoalition auseinanderklaffen. Versprach Bundeskanzler Scholz im Frühjahr 2023 ein Wachstum wie zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders der 1950er und 1960er Jahre, zündete er im Juli den „Wachstumsturbo“. Die dafür ins Auge gefassten Maßnahmen enthielten „sehr viele sehr kluge Maßnahmen“, postulierte Scholz.

Die desolate Verfassung der deutschen Wirtschaft spricht eine andere Sprache. „Die deutsche Konjunktur ist tatsächlich die große Enttäuschung des Jahres, vor allem auch im Vergleich mit anderen westlichen Industriestaaten“, ätzt Berenberg Bank-Chefvolkswirt Holger Schmieding in einem aktuellen „Capital“-Interview.

Zu den Leidtragenden zählen insbesondere Selbständige und Freiberufler. Im August fiel der „Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex“ für Selbstständige von minus 13,4 Punkten im Vormonat auf minus 18,4 Zähler und damit auf dem tiefsten Stand des Jahres. Dabei beurteilen die Selbstständigen ihre aktuelle Lage mit minus 12,8 Punkten deutlich schlechter als im Vormonat (minus 6,6 Punkte). Mit Blick auf die Zukunft geben sie sich ebenfalls pessimistisch. Die Geschäftserwartungen liegen derzeit bei minus 23,8 Zählern, verglichen mit minus 20 im Vormonat.

»Solo-Selbstständige fühlen sich häufig unter Generalverdacht«

Freiberufler und Kleinunternehmer sind von der wirtschaftlichen Unsicherheit in diesem Land besonders betroffen. „Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft geht es den Selbstständigen schon seit Monaten deutlich schlechter als der Gesamtwirtschaft. Jetzt spitzt sich ihre Lage weiter zu”, bringt es Jimdo-Chef Matthias Henze auf den Punkt. Prekär: Laut ifo-institut machen die Selbstständigen und kleinen Unternehmen hierzulande 83 Prozent aller Unternehmen aus.

Vielen Freiberuflern vergällt die überbordende Bürokratie die Freude am Job. „Solo-Selbstständige fühlen sich häufig unter Generalverdacht“, zitiert die „Welt“ Holger Schäfer, vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrund verwundert kaum, dass die absolute Zahl der Selbstständigen kontinuierlich zurückgeht. Im vergangenen Jahr waren es mit 3,8 Millionen so wenige wie zuletzt Mitte der 1990er-Jahre. Mit 8,4 Prozent ist der Anteil der Freiberufler und Kleinunternehmer an sämtlichen Erwerbstätigen zuletzt auf das tiefste jemals gemessene Niveau gefallen. 1970 waren es noch gut 16 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst hingegen stieg seither exorbitant an.

Private Kleinfirmen passen nicht ins sozialistische System

„Auf die Abgeordneten wartet viel Arbeit. Die Wirtschaft hat sich in der Sommerpause nicht auf magische Weise erholt“, desavouiert Andreas Lutz vom „Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland“ den Kanzler. Die Wirtschaft leide weiterhin an einem Übermaß an Bürokratie und Rechtsunsicherheit. „Ich wünsche mir entscheidungsfreudige Politiker/innen, die jetzt aktiv werden, um die Situation der Selbstständigen zu verbessern.“

Im Forum der „Welt“ fasst ein Teilnehmer seine Erfahrungen so zusammen: „Man braucht für das Eröffnen eines Betriebs mehr Papiere als zur Beantragung von Sozialleistungen und für den Antrag auf Sozialleistungen noch mehr Papiere als für die Einwanderung ins Asylsystem.“

Bezeichnend: Von den reichweitenstarken Medien berichtet hierzulande nur das Springer-Blatt über die desaströse Entwicklung bei den Selbständigen und das auch nur hinter der Bezahlschranke. Zugleich steht zu befürchten, dass die Gängelung der Freiberufler offenbar Teil der aktuellen politischen Agenda ist. Private Kleinfirmen passen nicht ins sozialistische System – abzulesen am DDR-Regime, das die Selbständigen mit Steuersätzen von bis zu 98 Prozent schröpfte.

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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Inha Khrushchova/Shutterstock
 

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