Die Herrschaft der Exkremente "Putins Demokratur" – mein Bestseller jetzt kostenlos für Sie. Teil 4

Lesen Sie heute Teil 4 von „Putins Demokratur“. Warum ich Buch hier auf meiner Seite veröffentliche, können Sie hier in meiner Einleitung zum ersten Beitrag finden. 

Russland wird Opfer eines neuen, tragischen Missverständnisses, wenn es sich bei der Suche nach neuer Stärke von den schlechten Erfahrungen der wirren 1990er Jahre leiten lässt. Was den Menschen im Raubkapitalismus unter Boris Jelzin damals als »Demokratie« verkauft wird, ist in Wirklichkeit Etikettenschwindel. Vielen Politikern geht es keinen Augenblick ernsthaft darum, den alten Nomenklaturstaat abzuschaffen. Das Ziel ist vielmehr, die alten Eliten, die Apparatschiks, die Schattenwirtschaft, die roten Direktoren in die neue Zeit zu retten. Es gilt, ihre Privilegien zu sichern und das, was sie bisher als Staatseigentum kontrolliert haben, durch Privatisierung in ihren eigenen Besitz zu bringen. Man habe sie getäuscht, klagen heute viele Reformer: Der Kreml habe ein wenig Demokratie gespielt, um Dampf abzulassen, aber ernst gemeint habe er es nie. Die letzten wirklich freien Wahlen waren 1993.

So wie die Nomenklatur einst den kommunistischen Staat als Selbstbedienungsladen betrachtete, so tut sie das unter Jelzin weiter – nur dass sie ihre Privilegien jetzt unter dem Deckmantel der Demokratie genießt. Sobald den Herrschenden Widerstand oder gar ein Machtwechsel droht, handeln sie alles andere als demokratisch: 1993 lässt Jelzin das Parlament, das ihn drei Jahre zuvor zu seinem Vorsitzenden gewählt hat, auflösen und anschließend von Panzern unter Beschuss nehmen. Ein Staatsstreich Jelzins – trotz aller Sünden der Abgeordneten. Der Verfassungsbruch bringt ihm im Westen sogar Beifall ein, weil er ihn als Niederschlagung eines Putsches der Altkommunisten verkauft. Gut ein Jahr später, Ende 1994, lässt Boris Jelzin russische Truppen in Tschetschenien einmarschieren. Die westliche Kritik hält sich in engen Grenzen – so wie über die ausufernde Korruption meist nur hinter vorgehaltener Hand geklagt wird.

Vor den Wahlen im Jahr 1996 scheint die Niederlage Jelzins eine ausgemachte Sache. Doch mit Tricks, Manipulationen und Fehlinformationen schaltet er seine Gegner aus. Die führenden Medien lassen sich freiwillig gleichschalten und werden zu Propaganda-Instrumenten Jelzins. Seine Wahlkampfhelfer, darunter auch US-Amerikaner, spielen gnadenlos mit der Angst der Menschen, denen sie einreden, ein Wahlsieg der Kommunisten werde im Bürgerkrieg enden. Es gibt zahlreiche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe und der Auszählung; Jelzin gewinnt in der Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Gennadi Sjuganow.

Seit Jelzin 1991 in den Kreml einzog, wurden die Verhältnisse von Jahr zu Jahr undemokratischer. Die Wahl von 1996 beweist den Mächtigen, dass sich Stimmungen und der Wählerwille auch in großem Umfang manipulieren lassen. Doch Jelzin und sein Clan vergreifen sich nicht nur an der Demokratie. Die »Semja«, auf Deutsch »Familie«, wie die Russen Jelzins Angehörige und Freunde nennen, bereichert sich derart, dass Kritiker von einem der größten Raubzüge des 20. Jahrhunderts sprechen. Geschäftsmänner mit dubioser Vergangenheit wie Boris Beresowski und Roman Abramowitsch, die enge Kontakte zu Jelzins Tochter Tatjana Jumaschewa pflegen, kommen zu Milliarden-Vermögen. Russlands Reichtümer werden zu Spottpreisen an Günstlinge des Präsidenten versteigert, die sich die Kaufsumme teilweise sogar vom Staat leihen dürfen. Im Gegenzug füllen sie Jelzins Wahlkampfkassen und angeblich auch die Privatschatullen seiner Familie.

Auch der Einfluss der organisierten Kriminalität erreicht ungeheure Ausmaße. Einem internen Bericht der US-Bundespolizei FBI zufolge finden in der Jelzin-Zeit allein in den Vereinigten Staaten 317 Treffen »zwischen Repräsentanten der russischen Mafia und Top-Offiziellen des inneren Kreises« um den russischen Präsidenten statt; wie viele Treffen es in Russland selbst sind, ist nicht einmal zu erahnen. Banditen und Kriminelle fühlen sich als die wahren Herren des Landes. Berater aus den USA und Westeuropa, vor allem die berüchtigten »Harvard boys«, also US-Experten mit jeder Menge theoretischem Wissen, aber ohne praktische Russland-Erfahrung, verordnen dem sowjetisch geprägten Land im Auftrag Jelzins einen neoliberalen Wirtschaftskurs wie aus dem Lehrbuch. Dabei verkennen sie die Besonderheiten des Landes und die Begehrlichkeiten seiner Elite. Während der mit teuren Automobilen, Privatflugzeugen und Jachten zur Schau gestellte Reichtum Einzelner ins Unermessliche steigt, nimmt die Armut der breiten Masse bedrohliche Züge an. Rentner, die zu Sowjetzeiten immerhin ein karges Auskommen hatten, müssen in Mülltonnen nach Essensresten suchen. Jelzin und seine »Harvard boys« machen das linke Parlament und in den Augen der Menschen damit auch die Demokratie für alle Probleme verantwortlich.

Der Verfall des Ölpreises Ende der 1990er Jahre trifft die russische Wirtschaft hart; dem Staat entgehen Milliardensummen. Im August 1998 ist der russische Staat zahlungsunfähig. Die Wirtschaft bricht zusammen. Binnen Stunden sinkt der Wert des Rubels dramatisch, Millionen Russen verlieren ihre Ersparnisse. Weltweit stürzen die Aktienkurse. Anleger im Westen machen ebenso große Verluste wie viele Firmen, die in Russland investiert haben. Schätzungen zufolge kostet der Staatsbankrott Russlands im fernen Deutschland 50 000 Menschen ihre Arbeitsplätze.

Der August 1998 ist für die Menschen in Russland ein Wendepunkt: Das beinahe feudale Modell, das man ihnen zu Unrecht als Demokratie und westlichen Weg verkauft hat, ist gescheitert. Die alten Apparatschiks haben einen Kapitalismus geschaffen, der genau dem Zerrbild entsprach, das die Partei ihnen einst eingebläut hatte: ein ausbeuterisches, menschenverachtendes System ohne feste Regeln und Moral. Der Volksmund macht aus der Demokratie, der Herrschaft des Volkes, die »Dermokratie« – die Herrschaft der Exkremente.

Die Zügel drohen Jelzin aus der Hand zu gleiten; immer mehr Beamte und Politiker kündigen ihre Loyalität auf, um im Falle eines Machtwechsels auf der richtigen Seite zu sein. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, wann die Opposition endgültig das Ruder übernimmt. Dann wären das gewaltige Vermögen und sogar die Freiheit Jelzins und seiner Vertrauten in Gefahr. In dieser Not treffen die Männer um den greisen Präsidenten und seine Tochter Tatjana eine Entscheidung, die sich seit langem angebahnt hat und die schicksalhafter ist, als sie selbst es ahnen können: Sie gehen ein Bündnis mit dem Sicherheitsapparat ein – vor allem mit dem Geheimdienst FSB, dem Nachfolger des berüchtigten KGB. Nur noch die Geheimdienstler können der »Familie«, so offenbar das Kalkül, eine Sicherheitsgarantie geben. Dies ist einer der Schlüsselmomente für das Verständnis der Umwälzungen im heutigen Russland: Jelzin und seine »Familie« haben sich selbst und das, was sie Demokratie nennen, derart diskreditiert, dass sie ausgerechnet einen Pakt mit jenen Kräften eingehen müssen, in denen sich der Geist des alten bolschewistischen Systems wohl am stärksten und reinsten erhalten hat. Die weitere Entwicklung ist damit zu einem nicht unwesentlichen Teil vorgegeben. Als sie den Geist der Vergangenheit und des KGB aus der Flasche lassen, hoffen Jelzins Vertraute offenbar wie Goethes Zauberlehrling, die Kräfte, die sie rufen, beherrschen zu können. Sie unterliegen einem folgenschweren Irrtum.

Die Fortsetzung finden Sie in Kürze hier auf meiner Seite: „Putins bombiger Auftakt“.
Den vorherigen, dritten Teil – Mit Stalin in die Zukunft – die verratene Revolution – finden Sie hier.
Den zweiten Teil – „Der Gas-Schock – Moskaus Warnschuss“ – finden Sie hier.
Den ersten Text der Buchveröffentlichung finden Sie hier

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