Drastische Blitz-Urteile gegen Demonstranten mit Freiheitsstrafen Einen Tag nach Demo. Möglicherweise auch Mutter von mit Pfefferspray verletztem Kleinkind verurteilt

Nein, ich kann hier nicht wiedergeben, mit welchen Worten mein Freund, gestandener Journalist mit jahrelanger Erfahrung, mir den Link auf diese Nachricht schickte: „Nur einen Tag nach einem gewalttätigen Corona-Protest in Schweinfurt sind Urteile gegen vier Demonstranten gefallen. Ein Mann muss eine Geldstrafe zahlen, die anderen Teilnehmer bekamen Freiheitsstrafen auf Bewährung.“ Der Freund und Kollege war schlicht entsetzt. Er sprach von Blitzurteilen. Die historischen Vergleiche, die er zog, möchte ich hier nicht wiedergeben.

Und in der Tat erkennt man unsere Justiz kaum wieder: Braucht sie sonst oft eine Ewigkeit, bis hin zu Jahren, um auch schwerwiegende Vergehen zu ahnden (wobei sie dann sehr oft unglaublich milde Urteile fällt), so zeigt sie sich bei Maßnahmen-Kritikern von einer ganz anderen Seite. „Das Amtsgericht sprach die vier Beschuldigten im Alter zwischen 22 bis 50 Jahren unter anderem wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung schuldig“, heißt es in einem Bericht in der „Welt“:  „Ein 22-Jähriger wurde zu einer Geldstrafe von insgesamt 1600 Euro verurteilt. Die anderen beiden Männer und die Frau erhielten Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.“

Weiter schreibt die „Welt“: „Bei den Zusammenstößen am Sonntag in Schweinfurt war auch ein vierjähriges Kind durch Reizgas leicht verletzt worden (wir berichteten). Es musste den Angaben zufolge wegen einer Augenreizung von Rettungskräften versorgt werden.“ Das klingt so, als habe sich das Kind selbst verletzt – und als wäre die Verletzung nicht in Folge des Einsatzes der Polizei erfolgt. In dem Text steht dann: „Seine Mutter, laut Polizei eine Anhängerin der „Querdenker“-Szene, hatte das Kind beim Versuch mitgenommen, eine Polizeiabsperrung zu überwinden. Gegen die Frau wurde Anzeige erstattet, sie gehörte nicht zu den am Montag Verurteilten.“ Die Frankfurter Allgemeine schreibt das Gegenteil: „Unter ihnen ist auch die Mutter eines vier Jahre alten Kindes, das als ‚Schutzschild‘ missbraucht wurde.“ Was für eine Täter-Opfer-Umkehr!

Weiter schreibt das Blatt aus Frankfurt, das stramm auf Regierungslinie ist: „Die Mutter eines vierjährigen Kindes, das am Sonntag an einer Polizeiabsperrung durch Pfefferspray leicht verletzt wurde, wurde vom Amtsgericht Schweinfurt wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, wie die Justiz mitteilte.“

Ich war am Sonntag in Schweinfurt nicht vor Ort und kann Ihnen leider keine objektive Einschätzung geben. Gestern hatte ich hier berichtet, was Augenzeugen mir schrieben – und was der Darstellung der Polizei diametral entgegenläuft (nachzulesen hier). Die großen Medien wie die Welt verschweigen diese andere Sichtweise. 

Mein Vertrauen in Polizei und Rechtsstaat ist leider schwer erschüttert. Wiederholt habe ich in den vergangenen Jahren Polizeigewalt und Willkür bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik erlebt, wie ich sie früher in Deutschland für völlig unmöglich gehalten hätte und wie ich sie aus Russland kenne. Inzwischen holt auch die Justiz nach – etwa mit der Verurteilung des „Pianisten“ Arne Schmitt wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“, bei der das Gericht ihn gar nicht zu Wort kommen ließ und Videos ignorierte, die zeigen, dass sich Schmitt in der einschlägigen Situation ohne Widerstand abführen ließ.

Blitzurteile am Tag nach einer Demonstration gegen Demonstranten mit Freiheitsstrafen (und das bleiben sie, auch wenn sie zur Bewährung ausgesetzt sind) sind ein neuer Schritt auf der Eskalationsstufe im Kampf des Staates gegen Regierungskritiker. Das sind Methoden der Einschüchterung, wie man sie bisher eher aus autoritären Systemen kannte. Die Schnelligkeit, mit der die Regierenden diese Eskalation betreiben, ist gespenstisch. Was kommt als Nächstes? Und wie weit werden sie gehen? Mich schaudert, wenn ich mir diese Fragen stelle. Allerdings gibt es auch einen Hoffnungsschimmer: Das System überdreht, offenbar aus Angst. Die Geschichte zeigt: Das führt oft dazu, dass grundlegende Veränderungen sich Bahn brechen. 

Leserkommentar:

Nur mal zum Vergleich:

„Ingolstadt – Wegen sexuellem Missbrauch einer 13-Jährigen wurde ein 25-jähriger Afghane am Dienstag vom Amtsgericht Ingolstadt zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt – ausgesetzt zur Bewährung.“ (Donaukurier 22.09.2020)

Video von der Demonstration in Schweinfurt:

Bild: Screenshot Twitter
Text: br

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