„Besucher mit russischem Pass, sind bei uns im Haus unerwünscht. Es ist uns bewusst, dass der ’normale‘ russische Staatsbürger keine Schuld an dem kriminellen Handeln der russischen Regierung trägt, es ist jedoch Zeit ein Zeichen zu setzen. Dies ist unser Beitrag, damit unsere Kinder in einem friedlichen Europa leben können.“
Diese Ankündigung eines Restaurants aus Baden-Württemberg kursiert jetzt im Internet.
Und sie macht Angst.
So wichtig es ist, den Angriffskrieg von Wladimir Putin ohne Wenn und Aber zu kritisieren – so fatal ist es, jetzt einfache russische Bürger deswegen zu diskriminieren.
Diese Herangehensweise erinnert unweigerlich an die Diskriminierung von Ungeimpften. Dahinter steckt das gleiche undemokratische, ja im Kern totalitäre Denken, das auch infantile Züge trägt: Nämlich in einem Schwarz-Weiß-Denken, das nur Gut und Böse kennt und dabei keine Differenzierung erlaubt.
Aber es geht auch umgekehrt. Valery Gergiev, der Dirigenten-Star und Multimillionär, den ich auch persönlich kenne, ist in Russland ein wichtiger Propagandist Putins und wird dafür massiv gefördert. Putins Einmarsch in Georgien 2008 feierte er mit einem Konzert. Die Stadt München hat ihn nun vor die Wahl gestellt – sich entweder für den Westen zu entscheiden oder für Putin.
So sehr es zu verurteilen ist, wenn einfache Menschen für Meinungsäußerungen mit negativen beruflichen oder sozialen Folgen rechnen müssen – so absurd wäre es, die gleichen Maßstäbe in einem Krieg auf einen wichtigen Propagandisten anzuwenden, der auf beiden Seiten der Front Millionen macht.
Auch hier differenzieren viele nicht.
Die Menschen in Russland, einem Land, das ich wie eine zweite Heimat liebe, wollen keinen Krieg. Die Propaganda lügt sie an, versucht sie zu überzeugen, die Ukraine sei der wahre Aggressor. Viele Menschen durchschauen diese Propaganda. Tausende sind auf die Straße gegangen, obwohl ihnen dafür Haft und Prügel drohen. Sie protestieren gegen Putins Angriffskrieg. Sie stehen für das andere, wunderbare, großartige Russland, mit dem wir hoffentlich nach Putin ganz eng zusammenarbeiten und unzertrennliche Partner werden. Jeder vernünftige Europäer muss diesen Traum träumen, einen Schulterschluss mit Russland.
Jetzt normale Bürger dieses großartigen Landes zu diskriminieren und auszuschließen, ist Teil der deutschen Pathologie – genauso wie der Ausschluss von Ungeimpften oder etwa Politikern der AfD. Meine ausländischen Freunde können diesen deutschen Drang zum Spalten schlecht nachvollziehen. Mir macht er Angst. Wohin er in letzter Instanz führen kann, zeigt uns die Geschichte.
PS: Der Wirt hat inzwischen eine Ergänzung veröffentlicht. Fehler machen wir alle, ich leider auch, sogar zu viele, wichtig ist, sie einzugestehen.
„An alle Unterstützer und Versteher von Putin:
Das ist keine Politik, das ist Mord!
Wer dieses Statement nun als falsch oder gar ehrverletzend für Putin empfindet, dem
steht es frei, der Traube die Freundschaft zu kündigen und fortan fernzubleiben.
Es war ein Fehler, die Kritik an Putin an der Nationalität festzumachen. Niemals wollte ich
jemanden wegen seiner Nationalität beleidigen.
Allerdings rechtfertigt das nicht, meine Familie und Mitarbeiter zu bedrohen.“
Bild: Shutterstock
Text: br