Frank Ulrich Montgomery oder der Geist des Totalitarismus Weltärztepräsident beleidigt Oberverwaltungsrichter als „kleine Richterlein“

Von Daniel Weinmann

Eines Boosters für mangelndes Selbstbewusstsein bedarf es bei Frank Ulrich Montgomery wohl kaum. Erheblich effektiver wäre ein Anti-Hybris-Präparat – vorzugsweise einzusetzen bei öffentlichen Aussagen von großer Tragweite, die er sakrosankt in Szene setzt.

Geht es etwa um Corona-Impfungen, kennt der Enthusiasmus des Weltärztepräsidenten keine Grenzen. Dabei nutzt er ungeniert die traditionell stark ausgeprägte Autoritätsgläubigkeit der Deutschen aus. Das jüngste Beispiel in der „Welt“ liest sich so: „Wenn das Omikron-Virus, was wir im Moment nur hoffen können, eine deutlich geringere Krankheitslast hat, würde ich dennoch impfen wie verrückt“, empfiehlt der Weltärztepräsident am vergangenen Sonntag im Interview mit der „Welt“.

Überhaupt nimmt der Maßnahmen-Hardliner kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Furcht vor dem Virus zu schüren. Mitunter mischen sich dann Angst- und Panikmache mit ungehemmtem Totalitarismus. „Meine große Sorge ist, dass sie zu einer Variante führen könnte, die so ansteckend wie Delta und so gefährlich wie Ebola ist“, sagte er Ende November gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe – um sogleich auf sein Lieblingsthema zu kommen. „Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht.“ Um weitere Varianten zu verhindern, werde es nötig sein, die Welt noch jahrelang zu impfen.

Arroganz statt Taktgefühl

Freiheit ist für den ausgebildeten Radiologen sekundär. „Die Freiheit zum Leben, wie die FDP behauptet, ist in Wirklichkeit eine Freiheit zu Krankheit und Tod“, beleidigte er die Liberalen im gleichen Interview. Freiheitsrechte müssten hintanstehen, legte er nun in der „Welt“ nach. Das „Freiheitsgesäusel der FDP“ gebe es auch jetzt wieder. Aber das Versprechen, dass es keine Lockdowns mehr geben wird, sei „doch einfach falsch“.

Der Terminus „Freiheitsgesäusel“ scheint zu den Lieblingsausdrücken Montgomerys zu zählen, wie seine Suada offenbart, der die „FAZ“ am 15. November eine Plattform gab. „Zu spät, zu halbherzig, zu unterschiedlich waren die Maßnahmen gegen das tödliche Virus. Zur Kakophonie der Ministerpräsidenten gesellte sich das parteipolitische Freiheitsgesäusel, das einen völlig falschen Freiheitsbegriff versprach.“

Immer wieder weicht bei ihm Taktgefühl der Arroganz. Jeglichen Respekt vor den verfassungsmäßig verbrieften Grundrechten lässt seine Antwort auf die Frage der „Welt“ vermissen, ob die Freiheit dem Gesundheitsschutz in jedem Fall hintansteht: „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten.“ 

Der Furor des Funktionärs

Für Montgomery ist das aber nicht genug. „Da maßt sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen haben, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen“, fährt er fort, „da habe ich große Probleme.“ Man fragt sich nicht nur, welches Staats- und Rechtsverständnis Aussagen wie diesen zugrunde liegen mag. Auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die er rekurriert, lässt er offen.

Dass es keine wissenschaftliche Studie gibt, die Ansteckungsgefahren im Einzelhandel belegt, wenn FFP2-Masken getragen werden, scheint er nicht zu wissen oder schlicht zu ignorieren. Noch im Frühjahr vergangenen Jahres sah er die Lage gänzlich anders, hatte den Sinn von Masken in Frage gestellt und von ihrer Benutzung abgeraten.

Bisweilen ist der Furor des Funktionärs so stark ausgeprägt, dass er sich in einem einzigen Satz gleich zwei gravierende Freudsche Versprecher leistet wie zuletzt im Frühsommer: „Es ist illusionär zu glauben, dass die Länder, die mit hohen Investitionsmitteln und auch gedrängt von ihrer Bevölkerung die Impfstoffe entwickelt und produziert haben, ihre eigene Bevölkerung nicht opfern – äh impfen, sondern aus reinem Altruismus andere Bevölkerungen opfern. Das ist einfach nicht realistisch, so zu denken.“

Montgomery tritt die Satzung des Weltärztebundes mit Füßen

„Montgomery argumentiert weit außerhalb seiner Wissenskompetenz“, sagt einer, der ihn seit fast 20 Jahren kennt, „seine Aussagen werden immer skurriler. Er hat seit mehr als 15 Jahren keinen Patienten mehr behandelt, sondern war als Funktionär tätig.“

Nach diesem Interview sind erhebliche Zweifel angebracht, ob Frank Ulrich Montgomery sich noch im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegt. Die Zielsetzung des Weltärztebundes scheint er nicht zu kennen oder schlicht zu ignorieren. Denn auf der Website des Zusammenschlusses der nationalen Ärzteverbände ist zu lesen: „Seit seiner Gründung im Jahr 1947 ist es ein zentrales Ziel des Weltärztebundes, die höchstmöglichen Standards für ethisches Verhalten und die medizinische Versorgung durch Ärzte festzulegen und zu fördern.“

Während die meinungsbildenden Medien fast durchweg kritiklos über Montgomerys hämische Bemerkung über die niedersächsischen Oberverwaltungsrichter berichteten, zeigte der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann klare Kante. „Deutschland kann stolz sein auf seine hervorragend qualifizierte und unabhängige Richterschaft. Sie öffnet den Zugang zum Recht und erweckt die Idee des Rechtsstaats zum Leben“, twitterte der FDP-Politiker. „Daher verdient sie Respekt – und zwar unabhängig davon, ob dem Betrachter jede Entscheidung gefällt.“

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Shutterstock
Text: dw

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