Energiewende auf den Kopf gestellt: Costa Rica sondiert Nutzung von Öl und Gas Klimawandel zwingt Ökostrom-Vorreiter zum Umdenken

Von Daniel Weinmann

Davon können die grün-roten Vordenker der Klimawende nur träumen: Mit einer seit neun Jahren über 98 Prozent liegenden Quote der Stromerzeugung aus Wasserkraft, Geothermie und Wind ist Costa Rica auf dem besten Weg, klimaneutral zu werden. Das mittelamerikanische Land gehört damit zu den kaum an einer Hand abzuzählenden Volkswirtschaften weltweit, die es geschafft haben, ihren Stromsektor bereits heute fast vollständig zu dekarbonisieren.

Umso absonderlicher mutet an, dass gerade die für ihren Ökotourismus bekannte „Schweiz Zentralamerikas“ aktuell sondiert, jetzt wieder Öl und Gas einzusetzen. Der dunkelgrün produzierte Strom reichte kürzlich nämlich nicht aus, um den Strombedarf für das 5,2 Millionen-Land zu decken. Am 6. Mai blieb der Regierung um Präsident Rodrigo Chaves keine andere Wahl, als eine Stromrationierung anzuordnen. Zuletzt war dies im Jahr 2007 nötig. Nun mussten die Haushalte Abschaltungen von bis zu drei Stunden täglich akzeptieren.

Hauptgrund für den knappen Strom ist ausgerechnet der viel beschworene Klimawandel. „Eine Dürre wie diese haben wir seit 50 Jahren nicht mehr erlebt“, konstatierte ein Klimaexperte des staatlichen Energieversorgers ICE – und machte das als El Nino bekannte Wetterphänomen verantwortlich. Durch den starken Rückgang der Niederschläge reichten die Wasserstände nicht aus, um die Wasserkraftwerke zu betreiben, die für rund drei Viertel der Energie in Costa Rica stehen. Darüber hinaus wehte der Wind nicht wie üblich, um die Erzeugung von Strom zu ermöglichen.

»Von Gott gegebene Ressourcen«

Überraschend starke Regenfälle sorgten am vergangenen Wochenende wieder für Entwarnung. Binnen weniger Stunden waren die Stauseen auf jenes Niveau gestiegen, das eine Stromversorgung ohne Unterbrechung ermöglicht.

Präsident Rodrigo Chaves scheint dennoch aus der plötzlichen Stromknappheit gelernt zu haben und wirbt für die Förderung von Erdöl und Erdgas. „Ich halte es für einen Fehler, ein Land daran zu binden, dass es die natürlichen Ressourcen, die ihm von Gott gegeben wurden, nicht nutzen darf“, zitiert der „Focus“ den Politiker.

Sein Vorbild ist Norwegen. Das Land mache es „sehr gut, indem es Erdgas auf nachhaltige Weise fördert“. Norwegen habe sich zu einer der reichsten, wohlhabendsten und demokratischsten Gesellschaften der Welt entwickelt und schütze seine Umwelt sehr gut, erklärte der Präsident. Schon vor einigen Monaten hatte Costa Rica den Fjord-Staat um Unterstützung gebeten, um sein Energieprofil und die Möglichkeit der Nutzung heimischer fossiler Brennstoffreserven neu zu bewerten. Chaves versicherte, dass die Erschließung selbst bescheidener fossiler Brennstoffvorkommen mit modernen, saubereren norwegischen Methoden Costa Rica enorme Vorteile bringen könnte, ohne sein Engagement im Kampf gegen den Klimawandel zu beeinträchtigen.

Auch hierzulande droht der Strom wegen Dunkelflauten oder fehlendem Wind knapp zu werden

Oslo gab Chaves Mitte April indes einen Korb, bei der Suche nach Öl und Gas zu unterstützen. Die norwegische Delegation ließ San José wissen, dass derartige Studien sehr kostspielig seien und dass das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Öl für Entwicklung“ ab 2024 nicht mehr weitergeführt werde.

„Wir geben noch nicht auf“, gibt sich der Präsident dennoch siegessicher, „wir haben informell mit anderen Regierungen gesprochen und suchen nach Wegen“.

Die grün-roten Klimawächter unter Leitung von Robert Habeck und seinem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wären gut beraten, sich ein Beispiel an Costa Rica zu nehmen – nicht nur in puncto grüner Energie, sondern ebenso mit Blick auf die energiepolitischen Gefahren einer ausschließlich klimaneutralen Energiegewinnung. Dass auch hierzulande früher oder später der Strom wegen Dunkelflauten oder fehlendem Wind knapp zu werden droht, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Meine Seite braucht Ihre Unterstützung!

Wenn Sie weiter Artikel wie diesen lesen wollen, helfen Sie bitte mit! Sichern Sie kritischen, unabhängigen Journalismus, der keine GEZ-Gebühren oder Steuergelder bekommt, und keinen Milliardär als Sponsor hat. Und deswegen nur Ihnen gegenüber verpflichtet ist – den Lesern!

1000 Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre:

Über diesen Link

Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501

BITCOIN Empfängerschlüssel auf Anfrage

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video

Stinke-Socken vom Vorgänger und Fenster-Öffnungs-Verbot – „Dschungelcamp“-Gefühle im Berlin-Urlaub.

Mein aktueller Livestream

Wie Habeck über Stalins Schnurrbart stolperte – und Esken sich dringt verriet.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Dancing_Man/Shutterstock

Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.

Mehr von Daniel Weinmann auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert