Von Alexander Wallasch
Nein, man kann nicht gerade sagen, Professor Alexander Kekulé wäre ein herausragender Kritiker der Corona-Maßnahmen. Nur bisweilen äußert sich der Epidemiologe und Virologe, anders als viele seiner Kollegen, nachdenklich über die einschränkenden Maßnahmen. Ist selbst ein leichtes Abweichen schon zu viel? Gerade musste er am Arbeitsplatz in Halle seine Sachen packen.
An der Martin-Luther-Universität ist Kekulé seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums.
Alexander Kekulé spricht sich in einem aktuellen Podcast, welchen er regelmäßig bei MDR Radio veröffentlicht, zwar gegen einen „sinnlosen Wellenbrecher-Lockdown“ aus, ist aber gleichzeitig strikter Befürworter eine schnellen Boosterns.
Man möchte also meinen, es wäre selbst für eine mit der Haltung des Professors zu den Corona-Maßnahmen nicht einverstandenen Universitätsleitung überraschend, den Wissenschaftler vor die Tür zu setzen.
Und tatsächlich werden andere Gründe genannt, als Kekulé sie anführt. Der nämlich sprach gegenüber der Bildzeitung von einem „politischen Verfahren“ und davon, dass es lediglich um ein von ihm nicht richtig ausgefülltes Formular gehen würde. Die Vorwürfe der Universität seien „an den Haaren herbeigezogen“, es sei „unmöglich, wie diese Universität mit ihren Professoren umgeht“.
So eine scharfe Ansage („politisches Verfahren“) ist in der aktuell so angespannten Lage zwischen Befürwortern und Kritikern der Corona-Maßnahmen keine Kleinigkeit, die man einfach mal so dahinsagt – Prof. Kekulé wird sich also bewusst gewesen sein, was er da äußert und welche Wirkung es entfaltet.
Die „vorläufige Dienstenthebung“ wurde laut Mitteldeutscher Zeitung (MZ) von Christian Tietje, dem Rektor der Universität, ausgesprochen. Hintergrund der Entlassung ist ein Disziplinarverfahren. Das allerdings kommt selten vor, es müssen also gewichtige Gründe angegeben werden. Kekulé selbst hat bereits angekündigt, rechtliche Schritte einzuleiten.
Interessant ist der Weg der Veröffentlichung des Falls: Der Zeitung wurde ein interner Brief zugespielt, der vom Ärztlichen Direktor der Uniklinik, Thomas Moesta, und von Michael Gekle, dem Dekan der Medizinischen Fakultät, verfasst wurde. Adressaten sind hier über 50 Klinikdirektoren. Darin heißt es laut MZ, die Entscheidung des Rektors werde „im Interesse einer bestmöglichen Krankenversorgung vollständig von uns unterstützt“. Die Gründe zur vorläufigen Dienstenthebung Kekulés sollen in dem Schreiben nicht aufgeführt worden sein.
Im Wesentlichen sei es darum gegangen, dass Kekulé seiner „Unterrichtsverpflichtung“, also seinem Lehrdeputat im Sinne von Lehrangeboten, möglicherweise nicht ausreichend nachgekommen sei. Diese Sachverhalte sind Gegenstand der Prüfung.
Der Uni-Rektor, berichtet die Zeitung weiter, hätte einen Ermittler eingesetzt. Und der soll zum Schluss gekommen sein, dass die Vorwürfe gegen Kekulé so schwerwiegend sind, dass weitere Schritte wie die vorläufige Dienstenthebung eingeleitet wurden. Die Stabsstelle Zentrale Kommunikation der Universität äußerte sich gestern noch nicht zu dem außergewöhnlichen Vorgang.
Die aktuellste Pressemeldung der Universität vom 21. Dezember trägt den Titel „Woher kommt das besondere Aroma von Thymian und Oregano?“ und in der aktuellsten Pressemeldung des Universitätsklinikums dreht sich alles um ein „Interdisziplinäres Hämophilie-Zentrum für Kinder“. Und dort, wo die Universität einen Pressespiegel bereithält, findet sich zuletzt ein Eintrag vom 29. Juli über einen syrischen Flüchtling, der eine Ausbildung zum OP-Assistenten begonnen hat.
Der Anrufbeantworter von Prof. Alexander Kekulé an der Universität erzählt, das Sekretariat wäre während der Feiertage bis einschließlich 2. Januar nicht besetzt. Reitschuster.de wird am 3. Januar nochmal anrufen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Superbass, 2020-01-29-Alexander S. Kekulé-Maischberger-8331, CC BY-SA 4.0
Text: wal
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