Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Roland Wiesendanger
In einem Beitrag vom 16.02.2022 konzentrieren sich die Faktenchecker der ARD auf das Thema „Woher kommt das Coronavirus?“ und offenbaren jedem informierten und kritischen Leser einmal mehr, was Faktenchecks in der heutigen Zeit wert sind: nichts, wie Sie im Folgenden Punkt für Punkt erfahren werden.
Der ARD-Faktenchecker behauptet:
„Eine Laborherkunft des Coronavirus hätte auf politischen Druck gezielt vertuscht werden sollen. Handfeste Beweise hat Wiesendanger nicht.“
Bewertung: Die Aussage des zweiten Satzes ist falsch.
In diversen Interviews der vergangenen Wochen habe ich wiederholt dargelegt, dass es drei öffentlich zugängliche und verifizierbare Dokumente gibt, die den Sachverhalt der Vertuschung belegen: 1. Die E-Mail-Korrespondenz von Dr. Anthony Fauci aus dem Zeitraum Januar bis März 2020; 2. Der offene Brief in der Medizinzeitschrift „THE LANCET“ vom Februar/März 2020, unterschrieben von 27 Virologen, darunter Herr Christian Drosten; 3. Die eigenen Aussagen von Herrn Drosten in seinem 40. NDR-Podcast-Interview.
Der ARD-Faktenchecker schreibt:
„Fledermaus-Proben von SARS-verwandten Viren hätten ergeben, dass nur eine Mutation nötig sei, um eine Furin-Spaltstelle zu entwickeln“ und bezieht sich dabei auf eine Aussage von Herrn Drosten, basierend auf einer Preprint (Vorab)-Studie.
Bewertung: Unkritische Übernahme der Aussage von Herrn Drosten.
Tatsache ist, dass sich bereits am 16.12.2021 ein Fachexperte aus Seattle, Jesse Bloom, wie folgt auf Twitter zu dieser Preprint-Studie von Herrn Drosten mit folgenden Worten geäußert hat: „The part of this paper that suggests furin-cleavage site might be present in two of these SARSr-CoVs as minor variant is embarrassingly bad science that shouldn’t be amplified.” („Der Teil dieses Papiers, der darauf hindeutet, dass die Furin-Spaltstelle in zwei dieser SARSr-CoVs als geringfügige Variante vorhanden sein könnte, ist peinlich schlechte Wissenschaft, die nicht verstärkt werden sollte.“)
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die gleichen Medien erst vor kurzem den Twitter-Kommentaren von Herrn Drosten sehr große Bedeutung zugemessen haben, in Reaktion auf meine Interviews gegenüber der NZZ und dem Cicero, ist es doch erstaunlich, dass kritische Twitter-Kommentare aus der Fachwelt gegenüber den Behauptungen von Herrn Drosten von den Faktencheckern übersehen werden.
Der ARD-Faktenchecker schreibt:
„Eine wissenschaftliche Studie im Science Magazine zeigt allerdings auf, dass die Wohnorte der allerersten im Dezember 2019 dokumentierten Covid-19 Fälle sich um die beiden Wildtiermärkte Huanan und Yangchahu ballen. Das Wuhan Institute of Virology, wo das Virus laut Wiesendanger freigesetzt worden ist, befindet sich auf der anderen Seite des Yangtze Flusses.“
Bewertung: Unkritische Übernahme von Aussagen.
Tatsache ist, dass der Autor der zitierten Studie im Science Magazine lediglich Bezug nimmt auf die allerersten im Dezember 2019 dokumentierten COVID-19-Fälle, wobei er damit die offiziell dokumentierten Fälle der chinesischen Regierung meint und deren Glaubwürdigkeit voraussetzt. Es gibt jedoch mittlerweile unzählige Hinweise auf frühere COVID-19-Infektionscluster, welche auf das Wuhan Institut für Virologie zurückgehen (siehe beispielsweise ein „Fact Sheet“ der amerikanischen Regierung von Anfang 2021, bis hin zu mehreren unabhängigen Zeugenaussagen eines Laborunfalls Ende August /Anfang September 2019: internes DARPA-Dokument, Report des US-Repräsentantenhauses vom Herbst 2021, u.a.).
Der ARD-Faktenchecker behauptet:
„Wiesendangers Studie ist nicht wissenschaftlich fundiert. Als Quellen nutzte er beispielsweise Youtube-Videos oder Artikel der bei Verschwörungstheoretikern beliebten ‘Epoch Times‘“.
Bewertung: Die Aussage ist falsch.
Der ARD-Faktenchecker wiederholt einmal mehr die Aussage vom Februar 2021, dass ich in meiner Studie über den Ursprung der Corona-Pandemie einen Artikel aus der bei Verschwörungstheoretikern beliebten „Epoch Times“ zitiert hätte. Dies ist falsch. Ich habe aus der „Epoch Times Singapore Branch“ zitiert. Wer als Journalist diesen Unterschied nicht kennt, der kennt sich bedauerlicherweise nicht einmal auf seinem eigenen Fachgebiet aus. Die „Epoch Times Singapore Branch“ wurde bereits mehrfach international für hochwertigen Journalismus ausgezeichnet – eine Ehrung, von der einige deutsche Medien nur träumen können.
Der ARD-Faktenchecker schreibt:
„Eine Expertengruppe auf Betreiben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war fast zeitgleich in einem Bericht zur Herkunft des Coronavirus zu dem Schluss gekommen, dass weiter unklar sei, woher genau der Erreger stamme – vor allem, weil die chinesische Regierung Einblicke in wichtige Dokumente verweigerte. Dennoch kamen die 34 Experten zu dem Schluss, dass es ‚extrem unwahrscheinlich‘ ist, dass SARS-CoV-2 aus dem Labor stammt.“
Bewertung: Die Aussage ist veraltet und bewusst irreführend.
Bereits kurz nach Bekanntmachung der Aussage durch den Vorsitzenden der gemeinsamen China-WHO-Kommission, dass ein Laborunfall „extrem unwahrscheinlich“ ist, hat der Generaldirektor der WHO dieser Aussage der Kommission widersprochen und erklärt, dass nach wie vor alle Szenarien des möglichen Ursprungs der Corona-Pandemie auf dem Tisch wären. Im Sommer des vergangenen Jahres erklärte dann der Vorsitzende der gemeinsamen China-WHO-Kommission, Peter Ben Embarek, im dänischen Fernsehen, dass die internationalen Mitglieder der Kommission vor Ort in China nicht frei waren in ihren Untersuchungen und in den Formulierungen, welche in den Abschlussbericht eingeflossen sind. Tatsächlich würde er einen Laborunfall zu den wahrscheinlichsten Hypothesen zählen.
Es verwundert in diesem Zusammenhang, dass Faktenchecker von öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland mittlerweile nicht nur uninformiert sind, sondern sich auch noch als Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas engagieren. Es bedarf verstärkt wirklicher Qualitätsmedien, um solchen Entwicklungen in Deutschland Einhalt zu gebieten.
Sehen Sie sich hier mein Interview mit Prof. Dr. Wiesendanger zur „Labor-Theorie“ an:
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Prof. Dr. Roland Wiesendanger ist Physiker an der Universität Hamburg. Bild: ChameleonsEye/ShutterstockText: Gast