Brisant: Fauci-E-Mails legen bewusste Vertuschung von Labortheorie nahe „60 zu 40 aus Labor“

Ein Gastbeitrag von Gregor Amelung

Am 11. Januar 2021 titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Republikaner werfen US-Immunologen Anthony Fauci Vertuschung des Corona-Ursprungs vor“. Weiter hieß es, die republikanischen Kongressabgeordneten James Comer und Jim Jordan hätten in einem Brief an den US-Gesundheitsminister „schwere Vorwürfe gegen Fauci“ erhoben. „Mit dem Brief zusammen“ hätten sie E-Mails veröffentlicht, „aus denen hervorgehen soll [sic], dass Fauci bereits im Januar 2020 von der Möglichkeit eines Covid-19 Ausbruchs aus dem Labor in Wuhan gewusst habe und darüber informiert war, dass das Virus eventuell genetisch manipuliert worden sei.“

Damit war der brisante Inhalt der E-Mails zu einem mutmaßlich inneramerikanischen Ereignis heruntergekocht, in dem „Republikaner“, also Politiker, „Vorwürfe“ gegen einen „Immunologen“, also Fachmann, erheben. Dass der nun veröffentlichte Inhalt der E-Mails die „Vorwürfe“ untermauerte, hatte man beim RND genauso übersehen wie die Tatsache, dass es des Zufalls und einiger Tricks bedurft hatte, um den brisanten Inhalt überhaupt offenzulegen.

Mails kamen nur durch Zufall ans Licht der Öffentlichkeit

Die sogenannten Fauci-E-Mails waren im Sommer 2021 durch eine FIOA-Anfrage (Freedem of Information Act) des Magazins BuzzFeed veröffentlich worden. Ihr Inhalt diente BuzzFeed als Material für einen lobenden Artikel über den US-Corona-Experten. Entsprechend hieß es am 1. Juni 2021: „Tausende Seiten Kommunikation, die BuzzFeed News erhalten hat, zeigen, wie Anthony Fauci trotz Konflikten mit der Trump-Regierung versucht hat, die Amerikaner [in der Krise] zu beruhigen und eine effektive Strategie [gegen das Virus] zu entwickeln.“

BuzzFeed.News am 1. Juni 2021: „Anthony Faucis E-Mails zeigen den Druck, der auf einem Mann lastete“ (Screenshot buzzfeednews.com)

Jenseits dessen und der Tatsache, dass der Text der E-Mails vielfach geschwärzt war, machten sich andere Journalisten daran, aus den lesbaren Resten Folgendes zu rekonstruieren: So stießen sie auf eine Telefonkonferenz, die am 1. Februar 2020 stattgefunden hatte und an der neben Fauci mindestens elf weitere Experten teilgenommen hatten. Einer von ihnen war der Berliner Virologe Christian Drosten.

'Labortheorie' als 'Verschwörungstheorie' abgetan

Anders als in Deutschland sorgte die Telefonkonferenz, die den Ursprung des Coronavirus zum Thema hatte, im englischsprachigen Ausland für einigen Diskussionsstoff. Denn der in den USA omnipräsente Direktor des NIAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases) Anthony Fauci hatte die sogenannte „Labortheorie“ (auch „Laborlecktheorie“ genannt) öffentlich immer ablehnt und betont, dass die wissenschaftlichen Fakten eindeutig für einen natürlichen Ursprung des Virus sprächen.

Die von BuzzFeed veröffentlichten FIOA-E-Mails legten allerdings – auch in ihrer geschwärzten Form – nahe, dass Fauci und die anderen Experten bereits im Januar bzw. Februar 2020 davon Kenntnis hatten, dass die Einordnung der „Labortheorie“ als „unwissenschaftlich“ nicht tragbar ist.

Mr. Andersen ist verreist

So hatte der Genetikexperte Kristian Andersen vom Scripps Research Institute „einen Tag vor der Telefonkonferenz“ Fauci „zunächst telefonisch und später per E-Mail mitgeteilt, dass die genetische Struktur des Virus so aussehe, als sei es in einem Labor manipuliert worden“, so die Journalistin Alison Young in der USA Today am 17. Juni 2021.

„Seit letzter Woche“, so Young in ihrem Artikel, habe Andersen auf keine ihrer Interviewanfragen diesbezüglich reagiert. Erst am Veröffentlichungstag des Artikels habe sich ein Sprecher bei ihr mit der Nachricht gemeldet, Mr. Andersen sei verreist und im Moment nicht erreichbar.

Nur ein 'wissenschaftlicher Diskurs'

In ähnliche Richtung wie Alison Young war bereits vier Tage zuvor (13.6.2021) ein Bericht der britischen Daily Mail gegangen. Hier hieß es, Andersen habe nach Bekanntwerden der FOIA-E-Mails erst argumentiert, dass die Diskussion darüber nur ein typisches „Beispiel für einen wissenschaftlichen Diskurs“ gewesen sei. Anschließend löschte er seinen Twitter-Account, was er in einem Interview mit der New York Times weitere sieben Tage später (20.6.2021) damit erklärte, dass „von mir gepostete Informationen (…) aus dem Zusammenhang gerissen oder falsch dargestellt worden sind. Insbesondere über die Ursprünge von SARS-CoV-2.“ Bezeichnenderweise, so die Daily Mail weiter, sei Andersens Account voller Tweets gewesen, die diejenigen angegriffen, die gefordert hatten, die Möglichkeit eines Laborlecks als Ursache für den Virusausbruch ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Anschließend an die Berichterstattung erwirkten die Kongressabgeordneten James Comer und Jim Jordan vom US-Gesundheitsministerium eine „nicht öffentliche“ Einsicht der E-Mails im ungeschwärzten Zustand. Das taten die beiden allerdings nicht als republikanische Politiker, die nebenbei noch als „Abgeordnete“ irgendwo im Parlament rumsitzen, wie es der RND nahelegte, sondern als Mitglieder von zwei Parlamentsausschüssen. Erst dieser Umstand gab ihnen nämlich die nötigen Befugnisse zur Einsichtnahme.

Brief mit den Unterschriften von James Comer vom „Committee on Oversight and Reform“ und Jim Jordan vom „Committee on the Judiciary“ (Ausschnitt aus dem Brief vom 11.1.2022)

Text aus bisher geschätzten E-Mails wird sichtbar

Bei der „nicht öffentlichen“ Einsichtnahme transkribierten dann die Mitarbeiter der Abgeordneten „per Hand“ den bisher geschwärzten E-Mail-Text. Anschließend schrieben Comer und Jordan ihren Brief an das US-Gesundheitsministerium mit Datum vom 11. Januar 2022. Als Beleg für ihre darin formulierten Fragen legten sie die geschwärzten E-Mails mit der jeweiligen Transkription darunter bei. Erst mit diesem formalen Akt wurde der bisher unbekannte E-Mail-Inhalt nun öffentlich sichtbar.

Eine der betroffenen E-Mails: oben die durch die FOIA-Anfrage freigegebene Version mit den Schwärzungen in grau. Darunter der von den Mitarbeitern der Abgeordneten transkribierte E-Mail-Inhalt (Ausschnitt aus der Anlage des Briefs vom 11.1.2022)

Damit hatte es mehr als sechs Monate gedauert – von der BuzzFeeds-Veröffentlichung am 1. Juni 2021 bis zur Offenlegung jetzt –, um die zuvor geschwärzten Textstellen für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Und das, obwohl der Text weder geheime U-Boot-Baupläne noch die Klarnamen von Agenten im feindlichen Ausland enthält.

'60 zu 40 Labor'

Insgesamt besteht der Brief aus sieben Fragen – nicht „Vorwürfen“ –, die das US-Gesundheitsministerium nun zu beantworten hat. Frage Nummer 1 lautet:

„Haben Dr. Fauci oder [Faucis damaliger Vorgesetzter, NIH-Direktor Dr. Francis] Collins irgendjemanden im Weißen Haus vor der Möglichkeit gewarnt, dass COVID-19 aus einem Labor stammt und dass es absichtlich genetisch manipuliert worden sein könnte?“

Dass die oben genannte Möglichkeit bestand und dass Fauci und Collins drüber informiert waren, belegen die transkribierten Textteile. So heißt es in einer E-Mail vom 2. Februar 2020, dass Kristian Andersens Kollege vom Scripps Research Institute, der Mikrobiologe Michael „Mike“ Farzan, von der Furin-Spalte am Spike-Protein „beunruhigt“ sei. Farzan habe „Schwierigkeiten, das als ein Ereignis außerhalb eines Labors zu erklären“. Das Auftreten dieser Besonderheit sei zwar auch in der „Natur“ denkbar, „aber höchst unwahrscheinlich“.

Ähnlich urteilte der Virologe Robert „Bob“ Garry von der Tulane Universität in New Orleans: „Ich kann mir wirklich kein plausibles natürliches Szenario vorstellen, bei dem man von einem Fledermausvirus oder einem ihm sehr ähnlichen zum nCoV [neuen Corona-Virus] kommt.“ Garrys Kollege, der australische Virologe Edward „Eddy“ Holmes war weniger überzeugt, urteilte aber immer noch „60 zu 40 Labor“.

'Verschwörungstheoretische Stimmen'

Parallel dazu schimmert in der Korrespondenz bereits durch, dass man sich in der kleinen Expertenrunde auch Gedanken jenseits der Wissenschaft gemacht hat. Gedanken, wofür die Beteiligten eigentlich nicht autorisiert waren, denn sie waren nicht Mitglieder eines Gremiums, das durch eine frei Wahl direkt oder indirekt dazu legitimiert ist, zu entscheiden, was an die Öffentlichkeit gelangen darf und was nicht. Trotzdem heißt es in einer E-Mail von NIH-Direktor Francis Collins am 2. Februar 2020:

„Auch [sic] ich bin der Ansicht, dass ein schnelles Einberufen von Experten in einem Vertrauen vermittelnden Rahmen erforderlich ist (…), ansonsten werden die verschwörungstheoretischen Stimmen schnell dominieren…“

Narrativ einfach 'durchgesetzt'

Bereits auf Basis der noch geschwärzten E-Mails hatte der Mikrobiologe und Experte für Biosicherheit von der Rutgers University Prof. Dr. Richard Ebright im Sommer 2021 getwittert: „Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern (…) [hat] das falsche Narrativ etabliert und durchgesetzt, dass wissenschaftliche Beweise für einen natürlichen Ursprung sprechen und dass das auch noch wissenschaftlicher Konsens sei.“ Und „die Telefonkonferenz vom 1. Februar [2020] scheint [dabei] eine wichtige – wahrscheinlich die entscheidende – Rolle… gespielt zu haben.“

Nun legte Ebright am 13. Januar 2022 nach: „Fauci [und] Collins … wurden am … 1. Februar [2020] von … Virologen informiert, die dachten, das Virus gebe Hinweis dafür, dass es im Labor manipuliert wurde … Sie haben nicht nur nie ein Wort über diesen Verdacht gegenüber den Medien oder der Öffentlichkeit geäußert, sondern ihn glatt ausradiert.“

Frage Nummer 2 und 3

Genau darum geht es auch in Frage Nummer 2:

„Wenn die Bedenken [eines Laborlecks und / oder eines manipulierten Virus] nicht [mit dem Weißen Haus] geteilt wurden, warum wurde die Entscheidung, sie zu verschweigen, getroffen?“

Da diese „Entscheidung“ nach Sichtung der E-Mails irgendwann zwischen der Telefonkonferenz am 1. Februar und dem 4. Februar 2020 gefallen sein muss, lautet die Frage Nummer 3 konsequenterweise:

„Welche neuen Beweise über COVID-19… sind zwischen dem 1. Februar 2020 und dem 4. Februar 2020 aufgetaucht, die die [bisherige] Annahme, dass es aus einem Labor stammt, geändert haben?“

Bleischwere Intransparenz

Das sind handfeste Fragen. In einem Kreuzverhör in einem US-Gericht wäre Frage Nummer 3 geradezu eine Killerfrage, denn ohne einen „neuen Beweis“ kann man ihr nicht entkommen. Man darf also gespannt sein auf die Antworten – oder Nein, man muss geduldig auf die Antworten warten. Denn es ist nicht anzunehmen, dass es diesmal schneller geht als nach der FOIA-Veröffentlichung der geschwärzten E-Mails.

Eben dieses Mauern erzählt eine zweite Geschichte. Sie handelt von der bleischweren Intransparenz maßgeblicher Corona-Experten, auch hierzulande. Ohne die in einer Demokratie notwendige politische Legitimation sitzen sie seit nunmehr fast zwei Jahren an ganz wesentlichen Schalthebeln. Von dort aus bestimmen sie nicht nur darüber, was Regierungen und Bürger wissen dürfen und was nicht, sondern auch über Masken, Abstände, Impfstoffe und Impfpflichten.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Der Autor ist in der Medienbranche tätig und schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: mark reinstein/Shutterstock.com
Text: Gast

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