Ein Gastbeitrag von Ekaterina Quehl
Kritische Stimmen haben es heute nicht leicht. Besonders jene, welche die Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen in Frage stellen und die Gefahr des Virus kritisch hinterfragen. Sie bekommen fast keine mediale Präsenz in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Ihre Meinungen werden häufig nicht ernst genommen und regelrecht unterdrückt. Maskenmuffel werden gemobbt und ausgegrenzt. Der Kommunikationscoach Patrick Nini hat das Problem erkannt und kommt der kritischen Gruppe entgegen. In seinem Focus-Beitrag „Wer plump auf Nazis, Covidioten und Trump schimpft, macht es sich zu leicht“ kommt er denjenigen zur Hilfe, die mit den genannten Menschengruppen nicht klarkommen. Er nimmt diese in Schutz und erklärt, warum es wichtig sei, sie zu Wort kommen zu lassen und Verständnis für ihre Position zu entwickeln: „So werden Menschen, die sich als Verlierer der Krise fühlen und die Ernsthaftigkeit des Virus in Frage stellen, als „Covidiot“ beschimpft. Ist es wirklich verwunderlich, wenn sich diese Menschen unverstanden fühlen und sich mit Gruppen zusammentun, die Corona für harmlos oder gar als von der Regierung geplant erachten?“
Wie schwierig es ist, mit anderen Meinungen umzugehen, erklärt der Kommunikationscoach den Focus-Lesern auch: „Egal, ob es sich um Migrationspolitik, Klimaschutz, Corona oder andere komplexe Themengebiete handelt. Nehmen wir uns kurz alle selbst bei der Nase: Können Sie einem Menschen, der eine für Sie völlig befremdliche Meinung vertritt, länger als 30 Minuten zuhören und versuchen, diese Meinung zu verstehen?“ Dabei greift er sogar zur Hirnforschung und erklärt, welche Hirnregionen dafür verantwortlich sind, warum bei einigen Menschen alternative Fakten besser in die Denkweise passen.
„Wir lachen gerne über Menschen, die an verrückte Dinge wie zum Beispiel die flache Erde glauben. Ein Dialog mit ihnen? Ausgeschlossen.“, schreibt der Kommunikationcoach. Er ruft zum Verständnis auf: „Dabei sollten wir uns selbst häufiger die Frage stellen: „Was sind denn die ‚flachen Erden‘ in unserem Leben?“ Und Sie merken vielleicht bereits: Ihr Wächter ist in Alarmbereitschaft! Erst, wenn Sie diesen Wächter überlisten, ist ein Dialog mit andersdenkenden Menschen möglich.“
Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Verständnisses versteckt sich raffinierte Diskreditierung. Menschen, die die aktuellen Entwicklungen und die Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen in Frage stellen, ordnet er in eine separate Gruppe ein. Diese Gruppe nennt er „Andersdenkende“ und betrachtet sie als ein Phänomen in unserer Gesellschaft, welches einer besonderen Erklärung und eines besonderen Umgangs bedarf. Er distanziert sich nicht mal von den Begriffen wie Verschwörungstheoretiker oder Covidiot und gibt den Focus-Lesern Ratschläge, wie man am besten diese Gruppe erreicht. Dabei lässt er völlig außer Acht, dass unterschiedliche Meinungen in einer demokratischen Gesellschaft nicht nur selbstverständlich, sondern ihre Errungenschaft und ihre Grundlage sind.
Der Beitrag beleidigt meine Intelligenz. Nicht nur deshalb, weil er diskriminierend ist, sondern auch, weil Nini Meinungsfreiheit als ein Problem betrachtet, für welches unbedingt Lösungen notwendig sind. Mit der Frage „Was passiert, wenn Menschen plötzlich nicht mehr an Fakten interessiert sind und sich stattdessen von Emotionen und Stimmungen treiben lassen?“ entlarvt er sich somit selbst.
Stellen Sie sich einmal vor, jemand würde sich mit den gleichen Worten über Homosexuelle, Frauen oder Migranten (ich bin ja selbst eine) äußern. Also deutlich machen, dass er sie nicht als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft sieht – mit gleichen Rechten und Pflichten – sondern dass man sich ihnen mit einer besonderen Sprache, einer besonderen Symbolik oder einem besonderen Umgang nähern müsse. Mit der Botschaft: „Du bist nicht so wie wir. Aber wir sind so gut, dass wir dich in unsere Gesellschaft aufnehmen und sogar lernen, mit dir umzugehen. Wir erlauben dir, so zu leben, wie wir auch leben. Wir erlauben dir, so zu sein, wie wir es sind. Aber bleib bitte nicht so, wie du bist.“ Stellen Sie sich mal vor, wie groß da der Aufschrei wäre!
Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin und lebt seit über 15 Jahren in Berlin. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Mit 27 kam sie nach einem abgeschlossenen Informatik-Studium aus privaten Gründen nach Berlin und arbeitete nach ihrem zweiten Studienabschluss viele Jahre als Übersetzerin, aber auch als Grafik-Designerin. Mittlerweile arbeitet sie für reitschuster.de und studiert nebenberuflich Design und Journalismus.
Bild: fizkes/Shutterstock
Text: Ekaterina Quehl