Immer, wenn man glaubt, es könne einen kaum noch etwas negativ überraschen im Journalismus in Deutschland, wird man eines Besseren belehrt. Aktuellster Auslöser: Ein Beitrag von Focus Online unter dem Titel „Mediziner Stöcker und sein Antigen in der Kritik: Das steckt dahinter“. Dabei wird nicht nur der Mediziner, der nach eigenen Angaben ein hoch wirksames, aber verschmähtes Antigen gegen das Corona-Virus entwickelt hat, im Stile von Propaganda auseinandergenommen – sondern auch gleich noch eine Journalisten-Kollegin. Der Beitrag ist derartig entlarvend, dass sich ein genauerer Blick lohnt. Umso mehr, als Focus Online zum Burda-Verlag gehört. Und dessen Berliner Büro von keinem anderen geleitet wird als vom Ehemann des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Alles in der Familie, sozusagen.
Auslöser für den Artikel ist ein Video auf Spiegel TV, in dem über das Antigen des Mediziners Winfried Stöcker berichtet wird. Und zwar lobend. Stöcker ist bereit, sein Mittel kostenlos zur Verfügung zu stellen und beschwört seine Wirksamkeit. Doch statt Begeisterung von den Behörden bekam er eine Strafanzeige von ihnen. Die Art und Weise, wie in dem Focus Online-Beitrag nun versucht wird, das Video über Stöcker zu diskreditieren, ist hanebüchen. Da wird zum einen zwischen den Zeilen unterstellt, in dem Spiegel-Beitrag seien Christian Drosten und Hendrick Streeck falsch zitiert worden. Man erwartet sodann den großen Knüller – ein Dementi von den beiden. Stattdessen wird dann ausgeführt, wie der Focus-Online-Autor Drosten und Streeck nicht erreicht hat. Wie bitte? Wird hier der Leser für dumm verkauft?
Doch dann wird es noch abenteuerlicher: „Vorsicht ist hinsichtlich Stöcker allerdings auch aus anderen Gründen geboten“, heißt es in dem Beitrag. Und jetzt raten Sie mal warum? „Auf seinem Internet-Blog hetzt der Gründer des vor vier Jahren für 1,2 Milliarden Euro verkauften Unternehmens EUROIMMUN Medizinische Labordiagnostika AG, das sich auf Infektionen spezialisiert hatte, gegen die Regierung und bekommt vor allem Beifall von der AfD, den er an mehreren Stellen zurückgibt, etwa bei der Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD.“
Nein, Sie haben sich nicht verlesen. Vorsicht gegenüber einem Mediziner mit einem Stoff, der möglicherweise sehr vielen helfen könnte, ist geboten, weil dieser Mediziner Kritik an der Regierung übt und von einer Oppositionspartei gelobt wird. Kritik an der Regierung als „Hetze“ – genau das ist wirkliche Hetze. Und das liest man in einem Medium, dessen Verlag mit dem Gesundheitsminister verbandelt ist. Die Vorwürfe gegen den Mediziner gehen noch weiter: „Flüchtlinge wollte er ‘am liebsten zurück in ihre Heimat schicken‘ und auch zur #MeToo-Bewegung hat er eine Meinung. Mädchen sollten „zurückhaltender gekleidet und weniger provozierend zum Casting gehen, dass die armen Regisseure auf dem Pfad der Tugend bleiben“.
Es klingt wie Satire und es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre und nicht so viel über den Zustand der Medien und die Demokratie-Defizite hierzulande aussagen würde. Im Zweifelsfall, so zumindest der Schluss, der sich aufdrängt, gehen Regierungstreue und Ideologie vor Gesundheit. Ich habe es noch so gelernt, dass jeder Flüchtling eigentlich davon träumt, in seine Heimat zurückkehren zu können; heute ist es für regierungstreue Journalisten offenbar schon ein (Meinungs-)Verbrechen, wenn man sich das wünscht. Und es ist böse, wenn man zur „#MeToo-Bewegung“ eine Meinung hat – genau das wird dem Mediziner vorgeworfen. Rückschluss: Bloß keine Meinung haben. Und was man sich als Kleidung für Mädchen wünscht, hätte ich bislang auch noch eher für Privatsache gehalten – der eine wünscht sich vielleicht Reizwäsche, der andere zurückhaltendere Kleidung – doch was bitte hat das mit der medizinischen Leistung und Erfindung zu tun?
‘Haltung‘ vor Menschenleben
Es ist atemberaubend, wie in dem Beitrag die leider so allgegenwärtige Ideologisierung (selbst-)entlarvt wird. Doch es wird noch absurder. „Mit dem Impfstoff hat die ethische und gesellschaftliche Haltung eines Mediziners zwar grundsätzlich nichts zu tun“, schreibt der Autor. Grundsätzlich nicht, aber im besonderen Fall eben doch: „Wenn jemand laut eigenem Blog ‘davon durchdrungen‘ ist, ‘wo immer ich kann, meinen Beitrag zur Beendigung bösartiger Gewalt und Ungerechtigkeit zu leisten‘, darf sie und die Frage der generellen Seriosität jedoch thematisiert werden.“ Wie bitte? Ideologie frisst Hirn. Fazit: Lieber bleiben wir im Lockdown und lassen uns die Grundrechte abnehmen, als dass wir auch nur ernsthaft in Erwägung ziehen, dass ein Mittel von einem Mediziner mit falscher „Haltung“ Abhilfe leisten könnte. Um es ganz böse zuzuspitzen: Hier besteht gar der Verdacht, dass im Zweifelsfall Ideologie und richtige „Haltung“ vor Menschenleben geht.
Es gibt Momente, da könnte man an seinem Land verzweifeln. Genauer gesagt an denen, die sich für seine Elite halten. Denn leider ist dieser Beitrag im Focus nicht ein einmaliger Ausrutscher eines Einzelnen. Er steht für die Denkart, die heute in weiten Teilen der Medien vorherrscht und durch und durch ideologisiert ist. Dabei hätte Stöckers Erfindung nach allem, was bekannt ist, zumindest verdient, überaus ernst geprüft zu werden. Zumal er selbst auf alle finanziellen Ansprüche verzichtet und bereit ist, sie kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Details sehen Sie sich am besten in dem so arg gescholtenen Spiegel-Film hier selbst an.
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Bild: Winfried Stöcker
Text: br