Gericht: Verkürzung Genesenenstatus verfassungswidrig Wegweisendes Urteil

Buchstäblich über Nacht hat das Robert Koch-Institut (RKI) den Genesenenstatus quasi per Mausklick von sechs Monaten auf zwei verkürzt (die großen Medien schreiben immer von drei Monaten, aber den Status hat man nach der Neuregelung nur vom 28. bis 90. Tag nach einem positiven Test – mithin 62 Tage, was weitaus näher bei zwei Monaten liegt als bei drei).

Das Verwaltungsgericht im Niedersächsischen Osnabrück hat die umstrittene Verkürzung auf 62 Tage durch die oberste Bundesbehörde in Sachen Gesundheit jetzt für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung der Richter ist allerdings nicht allgemeinverbindlich und hat vorerst nur im Falle des Klägers Wirkung.

In dem am Freitag veröffentlichten Beschluss verpflichtet das Gericht den Landkreis Osnabrück dazu, dem Kläger einen Genesenenstatus auszustellen, der sechs Monate gültig ist, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Noch sind allerdings Rechtsmittel gegen die Entscheidung möglich, sie ist also noch nicht rechtskräftig.

Aus Sicht des Gerichts in Osnabrück kommt dem Genesenennachweis eine hohe Bedeutung für die Freiheit jedes Betroffenen zu. Dass die Dauer der Gültigkeit dieses wichtigen Papiers einfach durch einen Hinweis auf der Internetseite des RKI verkürzt werde, verstoße gegen Verfassungsrecht, so das Gericht. Nach seiner Ansicht fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, eine so weitreichende Entscheidung einfach an eine Behörde wie das RKI zu delegieren.

Die Bundesregierung hatte die Verkürzung, die für massive Unzufriedenheit sorgte, damit begründet, dass nach einer Omikron-Infektion die Immunität nicht mehr so lange anhält und nicht so stark sei. Alle anderen EU-Staaten sehen das offenbar anders und halten an einer Gültigkeit der Genesenenzertifikate von mindestens sechs Monaten fest.

Dem Gericht in Osnabrück fehlt für den deutschen Sonderweg allerdings die wissenschaftlich fundierte Grundlage. Zudem sei, so die Richter, der Verweis auf die Internetseite des RKI als entscheidendes Kriterium intransparent und unbestimmt, auch weil sich die Seite ständig ändere.

Auch die Gesundheitsminister der Länder sehen das ähnlich. Auf ihrer Konferenz am Montag beschlossen sie, dass das RKI die Oberhoheit über die Länge des Status verlieren soll. Sie fordern, dass künftig wieder per Verordnung entschieden werden muss, wer in Deutschland wie lange als geimpft und genesen gilt. Kritiker sehen in der Entscheidung eine Ohrfeige für RKI-Chef Lothar Wieler und seinen Chef, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Dessen Ministerium zeigte sich widerborstig. Auf Anfrage der „Bild“ wiegelte ein Sprecher ab: Zwar nehme man den Beschluss der Länder natürlich ernst: „Aber die Verordnung haben die Bundesländer mit beschlossen. Daran ändert auch ein GMK-Beschluss nichts.“

Zuvor hatte bereits der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages massive Bedenken an der Rechtmäßigkeit der aktuellen Regelung formuliert. Die Parlaments-Juristen sahen es in einem Gutachten „kritisch“, dass eine so weitreichende Entscheidung mit so „hoher Grundrechtsrelevanz“ vollständig einer Behörde überlassen werde. Die Parlaments-Juristen haben „Zweifel“, dass dies „verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt“ …

 david

Bild: Shutterstock
Text: br

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