Von Daniel Weinmann
Bis zur viktorianischen Ära des 19. Jahrhunderts gab es keine Geschlechtertrennung bei sanitären Anlagen. „Um aber die Tugendhaftigkeit und Reinheit des schwächeren Geschlechts zu schützen, entstanden im Laufe des 19. Jahrhunderts von Großbritannien ausgehend nach und nach immer mehr geschlechtergetrennte Toiletten“, schreibt Louka Goetzke in ihrem „Plädoyer für Unisex-Toiletten bei der Arbeit“.
In Zeiten, in denen Mann und Frau zum Auslaufmodell zu mutieren scheinen, ist damit jetzt nach und nach Schluss. Nicht zuletzt zum Wohle der Schüler, die trans, inter, nicht-binär oder divers und damit gezwungen sind, sich für ein gar nicht so stilles Örtchen zu entscheiden, an dem sie potenziell Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. En passant wird damit schon Grundschülern suggeriert, dass das dritte Geschlecht ganz natürlich ist.
Junge Menschen, die sich nicht in das binäre Geschlechtssystem „männlich“ und „weiblich“ einordnen lassen, vermieden häufig den Toilettengang in der Schule und verzichteten lieber auf Essen und Trinken, warnen besorgte Pädagogen. Dies habe mitunter „massive negative Auswirkungen auf den Lernerfolg sowie die Bildung.“
»Eine mögliche Diskriminierung kommt so gar nicht erst auf«
Die Idee der neutralen Toilette setzt sich zunehmend durch. Zum Beispiel an der Sägefeldschule in Ulm, wo es an der Grund- und Werkrealschule nur noch eine gemeinsame Toilette für alle älteren Schüler gibt. Anlass für die Unisex-Toilette war der „desolate Zustand“ des bisherigen Schulklos, so Schulleiterin Cornelia Euchner. Eine Trennung nach Geschlechtern gerate zudem in den Hintergrund und eine mögliche Diskriminierung komme so gar nicht erst auf.
Modelle wie diese machen buchstäblich Schule. Im Rahmen der Planung für zwei neue Schulkomplexe im niedersächsischen Lehrte etwa hat die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und Linken eine Diskussion über Unisex-Toiletten mit Einzelkabinen in den Bildungseinrichtungen angestoßen. Auch mit Blick auf die sanierungsbedürftigen Schultoiletten sollten die Überlegungen für geschlechtsneutrale stille Örtchen einbezogen werden, so die Antragsteller.
Der Hintergedanke: Unisex-Klosetts ermöglichen allen Menschen, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität, „dem menschlichen Grundbedürfnis des Toilettengang sicher und selbstbestimmt nachzukommen“. Es sei eine „Maßnahme für die Gleichstellung aller Geschlechter“.
»Künftig wird es geschlechtsneutrale WCs viel häufiger geben«
Geschlechtsneutrale Toiletten gibt es u. a. in Braunschweig, Herford und Berlin. Auch das Heinz-Nixdorf-Berufskolleg in Essen hat zusätzlich eine Toilette für „diverse“ Menschen eingerichtet. „Es war der Wunsch der Schule, den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen“, sagte Schulleiter Jörg Gleißnig der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Das WC werde auch genutzt, bestätigte er.
Überhaupt nimmt in Nordrhein-Westfalen der Wunsch von Seiten der Schüler und Schülerinnen immer weiter zu, berichtet Laura Körner aus dem Vorstand der Landesschülervertretung NRW. Bisher gibt es im größten deutschen Bundesland über Essen hinaus nicht zuletzt an Schulen in Köln, Düsseldorf und Troisdorf die sogenannten ‚All-Gender-Toiletten‘. In den Augen von Körner eine längst überfällige Entwicklung, denn Kindern und Jugendlichen werde in der Schule von vornherein beigebracht, „dass die Unterscheidung in nur zwei Geschlechter für das gesellschaftliche Leben notwendig ist“.
Für Frank Pohl, Leiter der nordrhein-westfälischen Fachberatungsstelle des Antidiskriminierungsnetzwerks „Schule der Vielfalt“, ist denn auch klar: „In der Zukunft werde es geschlechtsneutrale WCs viel häufiger und selbstverständlich geben.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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