Großdemonstration in Stockholm „Nej till vaccinpass“

Ein Gastbeitrag Sören Padel

Am 22. Januar 2022 zogen zehntausende Schweden aller Altersklassen durch das Zentrum der Hauptstadt zum Sergels Torg, um gegen den Impfpass und die damit verbundene Spaltung der Gesellschaft zu protestieren.

Die Demonstration war eine der größten politischen in der Geschichte des Königreichs. Aus dem ganzen Land waren Menschen angereist, um sich friedlich gegen den Impfpass und eine damit verbundene Zwei-Klassen-Gesellschaft zu positionieren.

Die Polizei hatte eine Versammlung von 3.000 Teilnehmern genehmigt. Es kamen wesentlich mehr. Im Gegensatz zu deutschen Gepflogenheiten schätzt die Polizei in Schweden die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer nicht. Im Internet hatten sich 18.000 Teilnehmer zur Demonstration angemeldet. Es dürften etwas mehr gewesen sein.

Auch im Gegensatz zu Deutschland verhielt sich die Polizei friedfertig. Ähnlich wie in Deutschland waren die Demonstranten ebenso friedlich. So wurden sowohl seitens der Veranstalter als auch der Ordnungshüter keine Zwischenfälle gemeldet.

Interessant sind die Parallelen zum Framing deutscher Alt-Medien. So berichtet SVT im Vorfeld über die Warnungen der SÄPO (Sicherheitspolizei), gewaltbereite Rechtsextremisten könnten an der Demonstration teilnehmen. Dieser Bericht ist im Übrigen länger als der über die eigentliche Demonstration. Kleiner Witz am Rande: der SÄPO-Warnbericht ist jetzt unter „Innenpolitik“ zu finden, der Bericht zur Demo unter „Lokales: Stockholm“…

Im letzteren besteht der Teaser zur Hälfte aus der Aussage, dass auch Mitglieder einer rechtsextremen Splittergruppe (NMR) gesichtet wurden. Wie viele und in welcher Relation sie zur Gesamtanzahl der Demonstranten standen, ob die MNR-Mitglieder, wenn sie denn da waren, sich als solche zu erkennen gegeben haben – wir erfahren es nicht. Es wird auch die Konkurrenz – TV4 – zitiert, die maskierte Hooligans gesehen haben will. Warum diese nicht von SVT gesichtet wurden, bleibt unklar. Wenn sie wirklich relevant waren, hätten sie doch gefilmt oder fotografiert werden müssen. Auch TV4 belegt seine Beobachtungen nicht mit Bildern.

Für Fernsehsender eine sehr interessante Art der Berichterstattung.

Im Videobereich gibt es zwei Interviews. Unter anderem mit den DREI (sic!) – sehr jungen – maskierten Gegendemonstranten vor Ort (viele Grüße von Monty Pythons Judäischer Volksfront – Spalter!), die sich darüber beklagen, dass die Demonstranten sich den Resultaten „der Wissenschaft“ verweigern würden. Einer der drei attestiert den Demonstranten – unter diesen viele Ärzte und Krankenschwestern – dass sie ungebildet wären. Über seinen Bildungshintergrund erfahren wir nichts. Mit Blick auf sein Alter (19) dürfte dieser überschaubar sein. Die drei erhalten fast so viel Zeit wie die restlichen tausenden Demonstranten zusammen und natürlich keine kritischen Nachfragen, dürfen sich aber abfällig über die erwachsenen, gestandenen Demonstrationsteilnehmer äußern. Aus deutscher Sicht kommt einem das alles doch sehr vertraut vor …

Die sich im Umlauf befindlichen Bilder zeigen nur friedliche Demonstranten, einen Querschnitt der Gesellschaft, ohne wie auch immer geartete extremistische Parolen oder Symbolik. Warum besteht also die halbe Berichterstattung aus Nazis, Krawall und den Äußerungen dreier Gymnasiasten, welche die Jahre ihrer Lehr- und Lebenserfahrungen noch vor sich haben?

Wir sehen hier also ein Lehrstück der neuen Art propagandistischen Journalismus. So plump, dass es eigentlich auch dem gutmütigsten Nachrichten-Konsumenten bitter aufstoßen müsste, es aber wahrscheinlich leider nicht tun wird.

Wie auch immer. Friedliche Bürger haben ein starkes Zeichen gesetzt. Und das in einem Land, das keine große Tradition politischer Demonstrationen hat. In einer der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes wurde klargemacht, dass eine eventuelle Einführung von 1G oder anderen demokratiefeindlichen Regeln auf entschiedenen Widerstand stoßen wird.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sören Padel lebt seit einigen Jahren in Schweden, im nördlichen Västerbotten. Er hat an der Hochschule auf Gotland (heute Universität Uppsala, Campus Gotland) Humangeographie und an der Mittuniversität (Sundsvall und Härnösand) Geschichte studiert. Außerdem ist er ausgebildeter Schülerassistent. In Schweden hat er u.a. in der öffentlichen Verwaltung und als Lehrer (Grundschule und Gymnasium) gearbeitet. Darüber hinaus war er als Tourismusunternehmer und Projektentwickler sowie als Übersetzer und Fachbuchautor tätig.

Auf seinem Portal corona-schwede.de betrachtet er die schwedische Strategie zur Corona-Krise mit deutschen Augen, aber mit gediegener Landeskenntnis, fern vom Elch. Wichtige Fragen sind u.a.: Was unterscheidet Schweden von Deutschland, was ist gut vergleichbar? Was sagen die Behörden? Welche Quellen gibt es? Alle Aussagen sind zu den entsprechenden Quellen verlinkt und ins Deutsche übersetzt, so dass man sie prüfen kann, ohne des Schwedischen mächtig zu sein. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild von der Situation in Schweden! Lesen Sie auch sein neues Buch „Einführung in die Demografie„, aktuell mit der 7. Auflage. Dieser Beitrag erschien zuerst auf corona-schwede.de

Bild: Screenshot svt.se
Text: Gast

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