Grundschule wirbt für Genschere und Essen aus dem 3D-Drucker Schnippeln im Erbgut für Anfänger

Von Kai Rebmann

Wer kennt es nicht? Der ABC-Schütze kommt aus der Grundschule nach Hause und will am Mittagstisch wissen, was es mit Dingen wie CRISPR, Genschere und Essen aus dem 3D-Drucker auf sich hat. Damit diese klassischen Kinderfragen künftig nicht mehr von Eltern beantwortet werden müssen, und dann womöglich auch noch „falsch“, wird der Nachwuchs inzwischen schon in der Kita oder spätestens in der Grundschule indoktriniert. Über ein weiteres dieser Beispiele, die nicht nur immer zahlreicher, sondern auch immer absurder werden, hat uns jetzt eine besorgte Mutter unterrichtet. Die Tochter der Leserin kam eines Tages mit einem Heftchen aus der Schule nach Hause, das offensichtlich den Anspruch erhebt, ein Wissensmagazin für Kinder zu sein. Auf der Titelseite wird das Thema der vorliegenden Ausgabe vorgestellt: „Insekten, Quallen, Kunstfleisch: Was essen wir in Zukunft?

Wem da nicht sofort das Wasser im Mund zusammenläuft, dem ist wohl wirklich nicht mehr zu helfen. Deshalb schnell rein ins Heft und nachgeschaut, was demnächst auf unsere Teller kommen soll, wenn es nach den Autoren des selbsternannten „Magazin für Neugierige“ geht. Auf Seite sechs werden die kleinen Leser mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass Bezeichnungen wie „aus der Region“ oder irgendwelche Öko-Labels in einer nicht mehr allzu fernen Zeit nicht mehr die wichtigsten Qualitätsmerkmale für Lebensmittel sein werden. Stattdessen bewerben kunden- und umsatzorientierte Hersteller ihre Produkte dann am besten mit dem Hinweis „frisch gedruckt“. Im dazugehörigen Text heißt es: „Mit einem 3D-Drucker kann man Essen in die verrücktesten Formen bringen. Hier wird eine Teigmischung aus Getreide, Gemüse und Gewürzen in ein kunstvolles Gebäck verwandelt.“ Ich habe das große Glück, einer Generation anzugehören, die von ihren Eltern noch gesagt bekam: „Mit dem Essen spielt man nicht.“ Aber das waren in jeder Hinsicht noch ganz andere Zeiten.

Ist das die neue Ess-Kultur oder kann das weg?

Da die „Wissenschaftsjournalisten“ aber zumindest ahnen, dass ihre jungen Leser selbst im Jahr 2022 womöglich noch nicht einmal wissen, was ein 3D-Drucker eigentlich ist, folgt eine weiterführende Erklärung: „Dazu werden Zutaten in die Maschine gefüllt. Diese mixt alles und presst den Brei durch eine Düse. Und weil die Düse von einem Roboterarm automatisch gesteuert wird, entstehen die verschiedensten Formen oder kleinteilige Figuren.“ Sie merken sicher selbst, liebe Leser, mit jeder Zeile, die man liest, wird das „Essen der Zukunft“ immer appetitlicher. Davon scheinen jedenfalls die Macher der vorliegenden Zeitschrift überzeugt zu sein. Mit Verweis auf die Möglichkeit, dass schon bald jeder sein „Lieblingsrezept“ aus einer App runterladen und an den 3D-Drucker schicken kann, heißt es: „Gummibärchen-Pizza mit Algenwurst, kuhmilchfreiem Mozzarella und Labor-Fischstäbchen? Kein Problem, wird gedruckt!“

Die Hinweise darauf, dass Berufe wie Metzger, Bäcker oder Koch in wenigen Jahren ausgestorben sein werden, verdichten sich beim weiteren Lesen des „Fachartikels“. Damit die Kinder einschätzen können, ob sie schon reif genug für die neue Ess-Kultur sind und welchem „Essens-Typ“ sie angehören, werden sie zur Teilnahme an einem entsprechenden Test aufgefordert. „Beantworte die Fragen und zähle deine Punkte zusammen“, heißt es dort. Eine dieser Fragen lautet zum Beispiel: „Eine amerikanische Firma hat ein Pulver erfunden, das alle Nährstoffe enthält, die wir zum Leben brauchen. Im Prinzip müssten wir nie wieder etwas anderes essen. Einfach Pulver mit Wasser mixen, trinken und schon bist du satt! Bist du dabei?“

1. „Na klar! Nie wieder Karotten, nie wieder Spinat – her mit dem Zeug! So spare ich mir auch die Zeit, die ich am Esstisch sitzen muss, und kann viel länger schlafen, lesen, zocken.“ (3 Punkte)

2. „Hm, wenn’s mal schnell gehen muss – warum nicht? Auf Dauer wäre das aber nichts für mich. Manchmal brauche ich einfach eine Pizza!“ (2 Punkte)

3. „Auf keinen Fall! Dafür liebe ich es einfach viel zu sehr, in krosses Knäckebrot zu beißen. Und beim Abendbrot kann ich mich am besten mit meiner Familie unterhalten.“ (1 Punkt)

Damit die jungen Leser auch ja die „richtigen“ Antworten geben, stehen die zu erreichenden Punkte bei den Antwortmöglichkeiten gleich dabei. Wer Wert auf das gemeinsame Abendessen mit der Familie legt, wird abgestraft und erhält nur einen lausigen Trost-Punkt. Was noch auffällt: Im gesamten Artikel wird es tunlichst vermieden, tierische Produkte, geschweige denn echtes Fleisch – Gott bewahre – auch nur zu erwähnen. Was glauben Sie, wofür sich Kinder entscheiden werden, wenn man ihnen wahlweise ein „krosses Knäckebrot“ oder ein „Schnitzel mit Pommes“ serviert?

Wir stellen vor: Krisper, die Genschere

Nachdem die Kleinen in Sachen Essen konfirmiert worden sind, geht es danach ans Eingemachte. Unter der Überschrift „Schnippeln im Erbgut“ wird den Kindern eine Comic-Figur namens Krisper vorgestellt. Warum Krisper so heißt, wie er heißt, wird den jungen Lesern nicht erklärt, dafür aber, wozu er in der Lage ist bzw. sein soll. Er könne fehlerhafte Gene ausschneiden, berichtet Krisper, die er mit Hilfe einer aus der „Abfolge von Buchstaben“ bestehenden Kette aufspüren kann. Sobald er die richtige Stelle gefunden hat, „schneide ich los“. Nachdem alle kaputten Gene entfernt sind, „kann ich stattdessen gesunde Gene einbauen und die aufgeschnittene DNA wieder schließen“, erläutert Krisper allen Kindern, die noch etwas anderes verstehen als nur „Bahnhof“. Und manchmal füge er auch ganz neue Gene ein, beschreibt Krisper das, was er tut, wenn es ihm in seiner Haut allzu wohl wird.

Dass das Basteln am Erbgut aber nicht mit der Bastelecke im Klassenzimmer vergleichbar und die Genschere etwas anderes als die Schere im Schulmäppchen der Kinder ist, erfahren die kleinen Leser dann aber immerhin doch noch. Was passieren kann, wenn der Mensch Gott spielen will, erläutert die Ethikrätin Alena Buyx: „Es könnte passieren, dass sie (die Genschere) an einer Stelle des Erbguts schneidet, an der man es eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte. Und keiner weiß, was dann passiert.“ Als wäre alleine diese Aussage nicht schon Grund genug, die Finger von solchen Sachen zu lassen, kann oder will Buyx nicht verhehlen, dass sie diesem Instrument gegenüber grundsätzlich nicht abgeneigt ist. Auf die Frage, was Ärzten in diesem Zusammenhang in Zukunft erlaubt werden sollte, antwortet die Ethikrätin: „Ich finde, die Genschere sollte erlaubt sein, um damit erwachsenen Menschen zu helfen, die eine schwere Erbkrankheit haben, für die es keine andere Behandlung gibt. Etwa bestimmte Formen von Blutkrebs oder eine schwere Muskelschwäche, bei der die Patienten zum Schluss kaum noch atmen können. Schon jetzt benutzen wir ja auch Medikamente, die das Erbgut verändern.“

Man kann nur spekulieren, welche Medikamente (oder am Ende vielleicht sogar „Impfstoffe“?) Frau Buyx damit gemeint haben könnte. Die vorliegende Ausgabe stammt vom September 2020 (02/20). Umso bemerkenswerter, dass das Magazin auch zwei Jahre nach seinem Erscheinen noch an Grundschüler ausgegeben wird. Offensichtlich gibt es Lehrkörper, die den Inhalt derart wichtig finden, dass er nach wie vor verbreitet gehört. Und außerdem: Ideologie kennt kein Verfallsdatum!

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shuttsrstock

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