Das Deutsche-Welle-Gesetz (DWG) ist eindeutig: In Paragraph 3 „Aufgabe“ heißt es in Satz 1: „Die Deutsche Welle bietet für das Ausland Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) und Telemedien an.“ Dieses Prinzip hat gute Gründe: Weil der Sender vom Staat, also mit Steuergeldern finanziert ist, sollte er nach dem Willen seiner Erfinder keinen Einfluss auf die Meinungsbildung im Inland nehmen. Die Ziele des Senders sind in Paragraph 4 des DWG ausdrücklich beschrieben: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. Die Deutsche Welle fördert dabei insbesondere die deutsche Sprache.“
Umso erstaunter war ich heute früh, als ich folgende Schlagzeile bei Focus Online las, einem der meistgelesenen deutschen Nachrichtenportale im Internet und damit stark meinungsbildend: „Kommt der Reise-Bann? Deutschland jammert, und Merkel ist zurecht entsetzt“. Also ein klares Narrativ: Die bösen Menschen in Deutschland, und „Mutti“, die berechtigt darüber empört ist.
In den Zwischenüberschriften des Textes heißt es dann unter anderem: „Merkels Nervenstärke ist legendär“. Tenor des Beitrags: Hätten nur alle auf die Kanzlerin gehört; auch die Ministerpräsidenten: „Außerdem ist Merkel, sicher nicht ganz zu Unrecht, der Ansicht, dass die Menschen in Deutschland in der Pandemie – vorsichtig gesprochen – auf sehr hohem Niveau jammern.“ Ebenso wie die Kanzlerin, nur aus anderem Grund, war ich selbst entsetzt, als ich dann den Artikel öffnete und sah, dass er eigentlich von der „Deutschen Welle“ stammt. Also steuerfinanziert ist und eigentlich für das Ausland gedacht sein sollte.
Auf Kosten der Steuerzahler wird dann in dem Beitrag die Kanzlerin auch verteidigt: „Wie angefasst die Kanzlerin mittlerweile ist, zeigt ihre Reaktion auf die nach wie vor große Reiselust der Menschen in Deutschland. „Weihnachten sind 50.000 auf die Kanaren und die Malediven geflogen“, soll sie gesagt haben. Und weiter: Hundertmal habe sie die Frage gestellt, warum man solche Reisen nicht einfach verbieten könne? Und bekomme dann die auf frühere DDR-Bürger gemünzte Antwort, dass Deutschland eben ein freies Land sei. Wenn die Worte so gefallen sein sollten und Merkel tatsächlich stets diese Antwort bekommt, ist sie zu Recht verletzt. Auch die teils rechtsextremen Corona-Leugner verweisen ja gern auf Merkels DDR-Biografie, wenn sie die von ihnen als unzumutbar empfundenen Einschränkungen der Bürgerrechte in der Pandemie anprangern.“
Teils rechtsextreme Corona-Leugner“ ist Framing und hat in einem steuerfinanzierten Sender, der „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen“ und den „Austausch der Kulturen fördern“ soll, nichts verloren. So etwas widerspricht auch den Programmgrundsätzen in Paragraph 5 des DWG: „Die Sendungen müssen eine unabhängige Meinungsbildung ermöglichen und dürfen nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung, eine Religionsgemeinschaft, einen Berufsstand oder eine Interessengemeinschaft unterstützen. Die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Rundfunkteilnehmer sind zu achten“ sowie: „Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein“.
Bei all dem kann man einwenden, dass es sich um einen Kommentar handelt, und auch eine pointierte Meinung zulässig sein muss. Aber passt es wirklich zum Deutsche-Welle-Gesetz, das „Anbieten für das Ausland“ vorsieht, dass der Sender seine Beträge in einem der größten Portale im Inland verbreiten lässt? Ganz unabhängig davon, dass sie brav die Bundesregierung unterstützen. In meinen Augen liegt der Widerspruch auf der Hand. Vielleicht sieht der Sender die generelle Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen Rundfunkanbietern in Paragraph 8 als juristisches Schlupfloch. Oder es gibt noch andere Schlupflöcher, die ich auf die Schnelle nicht gefunden habe. Aber dem Geist des Gesetzes und der Idee hinter der Deutschen Welle als Auslandssender läuft so ein Agieren zumindest in meinen Augen klar zuwider. Steuergelder sollten nicht dafür genutzt werden, dass in privaten Medien die Bundesregierung gelobt wird,
PS: Focus Online gehört zum Burda-Verlag. Dessen Hauptstadtbüro wird von Daniel Funke geleitet, dem Ehemann von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Medien bezeichnen den Ministergatten als „Chef-Lobbyist“.
Text: br
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