Von Daniel Weinmann
Corona und Affenpocken scheinen nicht genug. Kaum hat das Infektionsschutzgesetz wie erwartet den Bundestag passiert, grassiert nun ein bisher unbekannter Erreger mit ungewöhnlichem Namen in Indien. Im Fachjournal „The Lancet“ berichten Wissenschaftler in einer aktuellen Veröffentlichung von der Tomatengrippe, wahlweise auch als Tomatenfieber bezeichnet.
„Gerade jetzt, wo wir uns mit dem wahrscheinlichen Auftreten der vierten Welle von COVID-19 befassen, ist in Indien im Bundesstaat Kerala bei Kindern unter fünf Jahren ein neues Virus aufgetreten“, berichten die Forscher. Betroffen in dem 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Subkontinent sind mindestens 82 junge Menschen.
Karl Lauterbach, Gesundheitsminister der Herzen und ‚Faktencheckern‘ zufolge Epidemiologe, geht dem Vernehmen nach bereits in Stellung. Sein Tweet zur Tomatengrippe ist vermutlich nur eine Frage der Zeit. Gut möglich auch, dass er bereits einen Impfstoff im Köcher hat. Eine Warnung sollte es ihm allemal wert sein.
Möglicherweise eine neue Variante der viralen Hand-Fuß-Mund-Krankheit
„Obwohl das Tomatengrippevirus ähnliche Symptome wie Covid-19 aufweist, ist es nicht mit Sars-CoV-2 verwandt“, ist in „The Lancet“ zu lesen. Die Tomatengrippe könne eher eine Nachwirkung von Chikungunya- oder Dengue-Fieber bei Kindern sein als eine Virusinfektion. Die Betroffenen zeigen einer Corona-Erkrankung vergleichbare Symptome. Dazu gehören Fieber, Gelenkschmerzen, Müdigkeit und Kopfschmerzen, aber auch Erbrechen, Durchfall und Hautausschläge.
Der Name des eigentümlichen Virus stammt von roten und schmerzhaften Blasen, die sich über den gesamten Körper der Infizierten verteilen und schlimmstenfalls die Größe einer Tomate erreichen können. Bei dem Virus könnte es sich auch um eine neue Variante der viralen Hand-Fuß-Mund-Krankheit handeln, einer häufigen Infektionskrankheit, die vor allem Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren betrifft. In einigen Fallstudien wurde die Hand-Fuß-Mund-Krankheit sogar bei immunkompetenten Erwachsenen nachgewiesen.
Besonders bedrohlich: Bei der Tomatengrippe handelt es sich um eine sogenannte selbstlimitierende Krankheit, für deren Therapie es kein spezifisches Medikament gibt. „Bisher sind keine antiviralen Medikamente oder Impfstoffe zur Behandlung oder Vorbeugung der Tomatengrippe verfügbar“, schreiben die Wissenschaftler.
Wann wird die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand ausrufen?
Ebenfalls höchst besorgniserregend: Das Virus ist – Corona lässt grüßen – sehr ansteckend. Vor diesem Hintergrund scheint nur ein schwacher Trost, dass die Tomatengrippe zwar als endemisch und nicht lebensbedrohlich gilt. Man müsse das Virus und dessen Ausbreitung beobachten und weitere Ausbrüche verhindern, mahnen denn auch die Autoren im „Lancet“.
Ferner sei es zwingend erforderlich, bestätigte oder vermutete Fälle fein säuberlich zu isolieren und weitere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um den Ausbruch des Tomatengrippevirus zu verhindern. Als bester Schutz vor der Krankheit gelten die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen und das Desinfizieren der Hände. Das Gesundheitsministerium von Kerala hat bereits Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet. Von einem Lockdown war bisher indes noch nicht die Rede.
Gebannt warten zutiefst verunsicherte Menschen auf den Moment, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Tomatengrippe zum internationalen Gesundheitsnotstand ausruft.
Masken-Fink Lauterbach: Vor laufender Kamera Verstoß gegen eigene Hygiene-Regeln – mein neues Video:Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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