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Bei seinen öffentlichen Auftritten spielte Wladimir Schirinowski gerne den Irren. Der langjährige Fraktionschef der radikalen Liberaldemokratischen Partei und Vize-Sprecher des russischen Parlaments war ein begnadeter Redner und Politik-Clown. Umso erstaunlicher war es, wenn man ihn persönlich erlebte: So, als ob es irgendwo in seinem Inneren einen Schalter gäbe, konnte er binnen Sekunden vom durchgeknallten Scharfmacher, den er in der Öffentlichkeit spielte, zum vernünftigen, gebildeten Gesprächspartner werden. Schirinowski, der Antisemit, der Sohn eines Juden war und das stets zu verheimlichen trachtete, war eine schillernde Figur in der russischen Politik. Und er war dem Kreml immer nahe. Erstaunlicherweise auch schon zu Boris Jelzins Zeiten.
So sehr er nach außen hin Opposition spielte, so treu ergeben war er vor allem Wladimir Putin. Auf ihn konnte sich der Kremlchef immer verlassen. Kein Wunder: Dass Schirinowski ein KGB-Mann war genauso wie Putin, ja dass seine Parteigründung auf eine Initiative des KGB zurückgeht und man so eine Schein-Opposition schaffen wollte, ist in Russland ein offenes Geheimnis.
Noch wenige Wochen vor dem Überfall Putins auf die Ukraine sagte Schirinowski genau diesen voraus – in drastischen Worten. Er kündigte an, Russland werde London, Washington und Chicago vernichten, sich den ganzen Westen untertan machen und Staaten wie die Ukraine und Moldawien werde es nicht mehr geben. In einem seiner letzten Auftritte im russischen Staatsfernsehen sagte Schirinowski den Kriegsbeginn fast auf den Tag genau voraus. Dieser Aufritt mit unfassbaren Drohungen und Ankündigungen vor einem Millionenpublikum (und zur Freude der anderen Gäste) ist derart gespenstisch, dass ich ihn extra für Sie übersetzt habe.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass es sich hier nicht um die Aussagen eines Irren oder Geächteten handelt: Schirinowski bekam faktisch ein Staatsbegräbnis, seine Leiche wurde im Gewerkschaftshaus im Herzen Moskaus aufgebahrt wie einst die von Stalin, die gesamte Polit-Prominenz erwies ihm die letzte Ehre. Und selbst Wladimir Putin, der kaum noch öffentlich auftritt, kam zu seinem Grab und verneigte sich faktisch vor dem Mann, der die Zerstörung Europas und des Westens forderte und ankündigte. Bizarr, dass die deutschen Medien diese Zusammenhänge bis zum Krieg entweder verschwiegen oder bagatellisierten. Kritik an Putin war all die Jahre wohlfeil – solange sie nicht die massive Kriegstreiberei des Kremls-Chefs und seiner Getreuen aufgriff. Und auch jetzt tun die meisten Kollegen so, als hätte man es früher eben nicht so genau wissen können. Doch, hätte man.
Hier geht es zu dem Video mit Schirinowskis Auftritt.
Bild: Youtube/Screenshot
Text: br
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