Von Kai Rebmann
Die Berechnung der Grundsteuer ist in ihrer bisherigen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2018 und die Länder dazu verpflichtet, jeweils neue Regelungen zu finden. In Baden-Württemberg hat man sich für eine Lösung entschieden, bei der sich die Berechnung der Grundsteuer künftig im Wesentlichen auf Basis des Bodenrichtwertes und der Größe des betreffenden Grundstücks zusammensetzt. Für zahlreiche Bürger bedeutet das nicht nur einen hohen bürokratischen Mehraufwand, sie werden unter dem Strich auch mehr bezahlen müssen.
Es sei denn, sie leben in einer von Wald umgebenen Luxus-Villa. So wie zum Beispiel Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), die dieses Amt bereits seit dem Jahr 2016 ausführt. Das Haus der Spitzenpolitikerin steht offiziell auf einer forstwirtschaftlich nutzbaren und nicht erschlossenen Fläche in Balingen im Zollernalbkreis. Der Bodenrichtwert beträgt 0,60 Euro pro Quadratmeter, die Grundstücksgröße liegt bei knapp über 8.000 Quadratmeter. Unter dem Strich ergäbe sich hieraus eine Grundsteuer in Höhe von 23,71 Euro pro Jahr.
Zum Vergleich: Für das direkt angrenzende Nachbargrundstück ist ein Bodenrichtwert von 305 Euro pro Quadratmeter ausgewiesen. Diese und weitere Daten können über das sogenannte „Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg“ (BORIS) frei im Internet abgerufen werden. Aufgedeckt hat den Skandal der Youtuber Simon Prestel, dessen Video in der vergangenen Woche viral ging.
Promi-Bonus für Ministerin?
Doch wie kann es überhaupt sein, dass eine Luxus-Villa im Wald steht, noch dazu auf einem offiziell nach wie vor als „Fläche der Land- und Forstwirtschaft“ ausgewiesenen Grundstück? Um eine solche Fläche in Bauland umwidmen zu können, darf das betreffende Grundstück in der Regel nicht im Außenbereich liegen, es muss ein allgemeiner Mangel an alternativen Bauflächen in der Gemeinde bestehen und der Flächennutzungsplan muss das Grundstück als Baufläche ausweisen. Nichts von alledem trifft auf das Haus der Ministerin zu, laut BORIS soll das Grundstück auch „nicht erschlossen“ sein. Eine klare Fehlinformation, wie Luftbilder des Anwesens zeigen.
Die einzige halbwegs plausible Erklärung ist also, dass an eben dieser Stelle einst eine Forsthütte stand. Solche zweckdienlichen Bebauungen sind auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen gestattet, eine Luxus-Villa dürfte aus offensichtlichen Gründen jedoch nicht darunter fallen. Und auch bei einer unter derselben Adresse registrierten Beteiligungsgesellschaft, die sich auf Erwerb, Verkauf und Verwaltung von Immobilien spezialisiert hat, handelt es sich offensichtlich nicht um einen Betrieb, den man sofort mit der klassischen Forst- und Landwirtschaft in Verbindung bringen würde.
Aber selbst wenn man alle zur Verfügung stehenden Hühneraugen zudrückt und davon ausgeht, dass es sich bei der Villa immer noch um eine „Forsthütte“ und/oder bei der Beteiligungsgesellschaft, deren Geschäftsführer ein gewisser Thomas Erich Hoffmeister ist, um einen Forstbetrieb handelt – zwei Fragen bleiben offen: Weshalb ist das Grundstück nach wie vor als nicht erschlossene forstwirtschaftliche Fläche ausgewiesen und weshalb gelten für die unmittelbar angrenzenden Nachbarn ganz andere Bodenrichtwerte?
Stadt Balingen bemüht sich um Schadensbegrenzung
Das Rathaus in Balingen sieht sich ob der Enthüllungen in Alarmbereitschaft versetzt, und das gleich aus mehreren Gründen. Einerseits sieht sich die Stadt dem Vorwurf ausgesetzt, ihrer prominenten und einflussreichen Bürgerin einen Promi-Bonus gewährt zu haben. Andererseits steht kommenden Sonntag die Wahl des neuen Oberbürgermeisters an. Seit 1991 wird Balingen von CDU-Bürgermeistern regiert, der bisherige Amtsinhaber Helmut Reitemann verabschiedet sich nach 16 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand und tritt nicht mehr an.
Für die Christdemokraten und ihren OB-Kandidaten kommt der Skandal um die Grundsteuer zum Nulltarif für das luxuriöse Anwesen der Ministerin also zur Unzeit. Dementsprechend hektisches Treiben herrscht seit einigen Tagen in den Amtsstuben. Der „Schwarzwälder Bote“ zitiert dazu aus einem Schreiben der Verwaltung: „Im Dezember 2022 sind die Bodenrichtwerte veröffentlicht worden und seither werden die Werte durch die Gutachterausschüsse der Kommunen überprüft und können bis zum 28. Februar 2023 korrigiert beziehungsweise den aktuellen Werten angepasst werden.“
Bis heute, den 28. Februar 2023 (20:10 Uhr), fand eine solche „Anpassung“ jedoch nicht statt. Dem Vernehmen nach sollte der Gutachterausschuss am gestrigen Montag mit eben dieser Aufgabe betraut werden. Es dürfte natürlich reiner Zufall sein, dass diese Maßnahme nur wenige Tage nach diesen Enthüllungen erfolgt. Ebenso waren bis vor wenigen Tagen beim Kreiswahlleiter auch noch die Wahlvorschläge aller Parteien für die zurückliegende Landtagswahl 2021 einsehbar – mit den Adressen der Bewerber. Letztere sind aus einer aktualisierten Version inzwischen aber verschwunden.
Und was sagt Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut zu dem Skandal? Die Ministerin zeigt sich ebenfalls um Schadensbegrenzung bemüht und bezeichnete es gegenüber den Springer-Medien als „nicht fair“, wenn sie eine geringere Grundsteuer hätte bezahlen müssen. Eine durchaus richtige, wenn auch erstaunlich späte und wohl auch nicht ganz freiwillige Einsicht. Den Informationen zufolge soll das Wald-Anwesen der Ministerin jetzt, so wie die Grundstücke der Nachbarn zuvor schon, ebenfalls „der 305-Euro-Zone zugeschlagen“ werden, woraus sich eine Grundsteuer in Höhe von knapp 8.500 Euro pro Jahr ergäbe.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de