EU plant Umsatzsteuer auf Omis Apfelkuchen „Vielfältige steuerliche Auswirkungen auf Schulen und Kitas“

Von Kai Rebmann

Eine neue Mehrwertsteuerrichtlinie der EU, die private Unternehmer vor Wettbewerbsnachteilen schützen soll und von den Mitgliedsstaaten spätestens zum 1. Januar 2023 umgesetzt werden muss, hat in dieser Woche in Baden-Württemberg hohe Wellen geschlagen. Bei strenger Auslegung müssen demnächst unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel auch die auf Schulfesten generierten Einnahmen versteuert werden. Dass das durch den Verkauf von Kaffee und Kuchen eingenommene Geld fast immer in die Klassenkasse fließt oder zur Förderung sozial benachteiligter Mitschüler dient, spielt dabei keine Rolle. Vielmehr kommt es auf die Zielgruppe an, die dabei angesprochen wird, sowie die Frage, ob der Kuchenverkauf einer gewissen Regelmäßigkeit unterliegt. Eltern, Schulen und Behörden sehen einmal mehr ein Bürokratiemonster auf sich zukommen und warnen vor „vielfältigen steuerlichen Auswirkungen auf Kitas und Schulen“, wie es in einer Stellungnahme des Gemeindetags Baden-Württemberg heißt.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Auch wenn die von der EU vorgegebene Richtlinie grundsätzlich für alle Bundesländer gilt und noch viele weitere Bereiche als nur das schulische Umfeld betrifft, ist die Diskussion um die Kuchensteuer vor allem in Baden-Württemberg hochgekocht. Die Südwest-Presse hatte zuerst über das Thema berichtet und zitiert einen Sprecher des Kultusministeriums: „Aus unionsrechtlichen Gründen war der Bund dazu gezwungen, die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand ab dem Jahr 2023 neu zu regeln.“ Diese Neuregelung wurde in der aktuellen Fassung von Paragraf 2b des Umsatzsteuergesetzes festgehalten, wonach öffentliche Einrichtungen, und damit auch Schulen, gegenüber der Privatwirtschaft nicht bevorzugt werden dürfen.

Macht Oma Hilde dem Dorf-Bäcker das Geschäft kaputt?

Übertragen auf den traditionellen Kuchenverkauf, der fester Bestandteil vieler Schulfeste in ganz Deutschland ist, haben die Bürokraten in Brüssel dabei folgendes ungeheuerliche Szenario im Kopf: Die Max-Mustermann-Schule in Musterstadt veranstaltet ein Schulfest und lädt die Bevölkerung über das Mitteilungsblatt der Gemeinde herzlich dazu ein. Da die 5b in einigen Wochen eine Klassenfahrt plant, haben die Schüler beschlossen, auf diesem Fest Kaffee und Kuchen zu verkaufen, um noch etwas Geld in die Klassenkasse zu bekommen. Die Kuchenspenden der Eltern und Großeltern finden reißenden Absatz. Um der neuen EU-Richtlinie Rechnung zu tragen, tritt an dieser Stelle das Finanzamt auf den Plan und fordert den Klassenlehrer dazu auf, die Einnahmen aus dem Kuchenverkauf ordnungsgemäß zu versteuern. Dies sei notwendig, so wird der freundliche Mitarbeiter des Finanzamtes dem verdutzten Lehrer in feinstem Beamtendeutsch erklären, um eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der in Musterstadt ansässigen Bäckerei Frischbrot zu vermeiden. Anstatt von den Eltern oder Großeltern hätte der Kuchen schließlich auch von Bäckermeister Frischbrot geliefert werden können, der auf die daraus erzielten Einkünfte dann Umsatzsteuer zu entrichten gehabt hätte.

Ein gänzlich anderer Fall liegt nach Ansicht der EU aber vor, wenn es sich in obigem Szenario um ein internes Schulfest gehandelt hätte, wenn also nur Schüler und Lehrer sowie deren Verwandte (und nicht die gesamte Bevölkerung) eingeladen gewesen wären, etwa über einen entsprechenden Aushang am schwarzen Brett der Schule. In diesem Fall – folgt man der Logik der EU – wäre Bäckermeister Frischbrot als möglicher Lieferant aus dem Spiel, weshalb auf die durch den Verkauf von Kaffee und Kuchen erzielten Einnahmen dann keine Umsatzsteuer fällig würde. Aber bleiben wir bei dem Beispiel des öffentlichen Schulfestes. Wenn man dieses Szenario konsequent zu Ende denkt, dann müssen die Schüler bzw. deren Eltern und Lehrer beim Kuchenverkauf auch noch unterscheiden, ob der Regelsteuersatz (19 Prozent) oder aber der ermäßigte Mehrwertsteuersatz (7 Prozent) erhoben werden muss. Hier kommt es dann wiederum darauf an, ob der Kuchen an Ort und Stelle verzehrt wird oder ob die Gäste sich den Kuchen einpacken lassen, um ihn zu Hause zu genießen. Im ersten Fall müssen 19 Prozent Mehrwertsteuer auf den Nettopreis aufgeschlagen werden, im letztgenannten aber nur 7 Prozent.

Der EU und dem Finanzamt einen Strich durch die Rechnung machen

Es wäre allzu verständlich, wenn sich Mama und Oma jetzt dreimal überlegen würden, ob sie künftig noch einen Kuchen für das Schulfest ihres Pennälers beisteuern wollen. Aber zum Glück gibt es einige kreative Lösungen, um den wohlverdienten Inhalt der Klassenkasse vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Die Erfahrung von mit der Lebenswirklichkeit vertrauten Schülern und Eltern hat gezeigt, dass nicht selten mehr Geld eingenommen werden kann, wenn auf Schulfesten auf Festpreise für den angebotenen Kaffee und Kuchen (oder beliebige sonstige Waren und Dienstleistungen) ganz bewusst verzichtet wird. Stattdessen werden die Gäste gebeten, einen aus ihrer Sicht angemessenen Betrag in eine Spendenkasse zu entrichten. Auf diese Weise wird der Kuchen nicht verkauft, sondern verschenkt, und die Beschenkten bedanken sich für diese milde Gabe mit einer Spende.

Sebastian Engelmann, Sprecher des Finanzministeriums in Stuttgart, machte gegenüber der Süddeutschen Zeitung noch einen weiteren Vorschlag, der jedoch mit etwas mehr Aufwand verbunden ist. Aus seiner Sicht könne es eine Lösung sein, den Kuchen formal über den Förderverein der Schule zu verkaufen, da dieser in der Regel unter die Kleinunternehmerregelung falle und damit alle Einnahmen bis 22.000 Euro steuerfrei seien. „Das wäre schon sehr viel Kuchen“, sagte Engelmann und versicherte, dass das Land dabei sei, sich noch weitere Lösungen auszudenken.

Was für Schüler, Eltern und Lehrer nur ein unverständliches Ärgernis ist, könnte für Rathäuser, Landratsämter und ähnliche Behörden zu einer wahren Bürokratie-Lawine werden. Die neue EU-Richtline zur Mehrwertsteuer will es, dass künftig bei jeder noch so unscheinbaren Dienstleistung geprüft werden muss, ob eine Benachteiligung der Privatwirtschaft ausgeschlossen werden kann. Während dies bei hoheitlichen Aufgaben wie der Ausstellung eines Reisepasses oder der standesamtlichen Trauung auf der Hand liegt, ist es in anderen Fällen nicht ganz so klar. Was ist, wenn die Gemeinde A der Gemeinde B bei der Pflege der Grünanlagen des Freibads aushilft, etwa weil dort ein kurzfristiger Personalengpass herrscht? Wird dann nicht der örtliche Gärtner übergangen, der diese Arbeiten ja auch hätte erledigen können? Man kann sich also leicht ausmalen, womit ganze Hundertschaften von Beamten in Deutschland in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigt sein werden.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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