Maaßen rechnet mit Corona-Politik ab Ex-Verfassungsschutzpräsident: "Wir brauchen einen Großen Reset"

Ein Gastbeitrag von Hans-Georg Maaßen

Als ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsschutzes beobachte ich aufmerksam den Zustand unserer freiheitlichen Demokratie. Und ich mache mir Sorgen. Kernelemente einer freiheitlichen Demokratie sind Volkssouveränität, die Gewährleistung der Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, der Freizügigkeit, der Berufs- und Eigentumsfreiheit. 

Die freiheitliche Demokratie gibt jedem politischen Handeln, auch wenn es noch so gut gemeint und ehrenhaft sein mag, den Rahmen vor. Die freiheitliche Demokratie gibt auch dem Klimaschutz den Rahmen vor. Um es plakativ und provokativ zu sagen: Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist wichtiger als der Klimaschutz. Klimaschutz kann nur im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stattfinden. Jeder, der von einem „Großen Reset“ oder einer großen Transformation träumt, muss wissen, dass dies als Kriegserklärung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstanden werden kann.

Es entspricht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dass man sich auch zur Klimathematik frei äußern darf. Man darf auch die herrschende Meinung kritisieren und in Frage stellen, ohne dass man persönliche oder berufliche Nachteile fürchten muss, in dem man als Verschwörungstheoretiker, Aluhut, Klimaleugner oder Rechtspopulist diskreditiert, verspottet und verleumdet wird.

Ideologische Glaubenssätze

Bei der Klimadiskussion wird derzeit mit ideologischen Glaubenssätzen gearbeitet. Ideologische Glaubenssätze entsprechen nicht der Grundvorstellung einer freiheitlichen Demokratie, wenn sie nicht in Frage gestellt werden dürfen. Ich würde diese politischen Glaubenssätze, um die es in der politischen Diskussion geht, mit vier Sätzen umschreiben wollen:

1. Es gibt einen Klimawandel. 

2. Er ist auch menschengemacht. 

3. Das CO2 ist dafür mitverantwortlich. 

4. Durch eine Reduzierung der CO2-Emissionen kann der Klimawandel gebremst werden. 

Es mag sein, dass diese vier Glaubenssätze richtig sind. Ich lasse das heute offen. In einer freiheitlichen Demokratie muss man aber auch diese Sätze in Frage stellen dürfen, ohne medial oder gesellschaftlich sanktioniert zu werden. Und das muss die herrschende Meinung aushalten. 

Nach meiner Einschätzung ist es derzeit so, dass derjenige, der diese vier Glaubenssätze anerkennt, Meinungsfreiheit genießt und mitdiskutieren darf, derjenige der sie hinterfragt oder nicht anerkennt, wird politisch und medial diskreditiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Dieser Umgang mit den politisch „Ungläubigen“ widerspricht dem von der freiheitlich demokratischen Grundordnung verbrieften Recht auf Meinungsfreiheit.

Und jetzt komme ich zum Corona-Virus. Ich halte das Virus für eine ernsthafte gesundheitliche Gefahr für Risikogruppen, und ich schütze mich auch davor. 

Anfang dieses Jahres, als bei uns die Corona-Epidemie in China bekannt wurde, redeten Medien und Teile der Verantwortlichen das Thema klein: Minister Spahn sprach damals davon, dass die Angst vor dem Virus „gefährlicher sei als das Virus selbst“. Die Gefahr für die Bevölkerung sei „gering bis sehr gering“. Diejenigen, die auf die Risiken der Epidemie aus China hinwiesen, wurden von Medien als besorgte Bürger und Verschwörungstheoretiker verspottet. 

Nachdem die Gefahr bagatellisiert worden war und sich das Virus bei uns breitmachte, verfolgte man im Gleichschritt mit den regierungsnahen Medien eine völlig gegenteilige Politik. Diejenigen, die Zweifel an dieser Politik äußerten – und es waren nicht wenige Wissenschaftler, Ärzte, Juristen und Ökonomen – wurden von den Medien totgeschwiegen, und als das nicht mehr ging, an den medialen Pranger gestellt und diskreditiert. Von der Politik wurden diese Leute nicht beachtet, schon gar nicht vor dem medialen Mob geschützt.

Es ist verständlich, dass in einer Krise auch Fehler gemacht werden. Ich habe lange in einer Bürokratie gearbeitet und auch in Krisenstäben, und ich weiß, dass man in einer Krise leicht Fehler machen kann. Aber nachdem die erste Welle abgeebbt war, haben sich viele Deutsche Fragen gestellt, und es werden jeden Tag mehr Menschen, die sich diese Fragen stellen, die bis heute nicht beantwortet worden sind: 

1. Warum ist die Virus-Gefahr so groß, wenn es im gesamten Jahr keine Übersterblichkeiten im Vergleich zum Grippejahr 2018 gibt? Warum wird nicht zwischen Todesfällen mit und an Corona-Virus unterschieden? Warum wird mit Inzidenzen und der Zahl infizierter Personen Politik gemacht – Zahlen, die einen geringen Aussagewert haben – und nicht mit der Zahl der Todesfälle und der Schwerstkranken?

2. Warum hat in der ganzen Zeit keine Untersuchung der Neben- und Folgewirkungen der Corona-Bekämpfungsmaßnahmen stattgefunden? Wie hoch ist die Zahl der durch die Maßnahmen psychisch Erkrankten, der mangels Behandlung Verstorbenen, der Selbsttötungen? Was sind die Auswirkungen der politischen Maßnahmen auf unsere Volkswirtschaft und auf unsere Währung? Warum hat keine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattgefunden? 

Viele Menschen befürchten, dass die von der Politik verordnete Medizin gefährlicher ist als die Viruserkrankung.

3. Warum hat man sich nur auf wenige Einzelpersonen als Berater verlassen und kein Beratergremium mit Sachverständigen aus unterschiedlichen Disziplinen und aus der Wirtschaft zusammengestellt?

4. Warum werden Kritiker der Maßnahmen politisch diskreditiert und in die Nähe von Verrückten gestellt? Warum lässt die Politik zu, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an derartigen Kampagnen mitwirkt?.

Weil diese Fragen nicht beantwortet werden und dies auch medial und öffentlich nicht thematisiert wird, machen sich viele Menschen in Deutschland Gedanken und zweifeln an der Politik. Ich kann deshalb verstehen, dass heute sehr viele Bürger mehr Angst vor den Entscheidungen der Politiker haben als vor dem Virus.

MERKELIm nächsten Jahr finden die Wahl des CDU-Parteivorsitzenden und die Bundestagswahl statt. Das sind wichtige Wahlen. Aus meiner Sicht kann eine Veränderung in Deutschland nur durch die CDU erfolgen. Die politische Führung der CDU hat die Ausrichtung der Partei in den letzten 15 Jahren erheblich verändert. Die CDU ist sozialistischer geworden. Die Werteunion vertritt dagegen noch die klassischen Positionen der West-CDU von Helmut Kohl und Konrad Adenauer. Wir werden von Teilen der Funktionärsschicht der Partei in der Öffentlichkeit als „Krebsgeschwür“ diskreditiert. Diese Wortwahl ist Teil einer Technik, die mir aus dem Studium von Stasi-Unterlagen als Maßnahme der politischen Feindbekämpfung bekannt ist. Ich bin nicht naiv und wundere mich nicht, dass diese Maßnahmen gegen uns eingesetzt werden, sondern darüber, wo manche Leute das gelernt haben. Dass die eigene Partei mit uns so umgeht, ist ärgerlich, aber wir lassen uns nicht stoppen; wir müssen uns eben darauf einstellen, dass man mit uns nicht mehr Fußball, sondern American Football spielt. Auch wir können dieses Spiel spielen.

Wir brauchen einen Großen Reset, aber nicht so, wie die Leute vom Weltwirtschaftsforum und verschiedene Politiker sich das vorstellen. Wir brauchen einen Großen Reset in der CDU, in der Bundespolitik und in Europa. Wir brauchen wieder eine liberale und konservative Politik in Deutschland. Ich glaube nicht, dass wir mit der Wahl zum Parteivorsitzenden und mit der Neuwahl des Bundeskanzlers diesen Wechsel erreichen werden. Da bin ich illusionslos. Aber es wird ein erster Schritt sein, wir brauchen einen langen Atem, auch wenn es schon spät ist. 

 


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Hans-Georg Maaßen, 58, war Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium und von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesverfassungsschutzes. Heute ist er als Anwalt tätig und engagiert sich in der Werte-Union. Vorliegender Gastbeitrag basiert auf einer Rede, die Maaßen bei der Online-Konferenz „WerteUnion NRW Digital – zu den Fragen der Zeit“ gehalten hat (siehe hier).


Bild: Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme /Wikicommons/CC BY-SA / Undrey/Shutterstock
Text: red


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