Von Alexander Wallasch
Sandra Maischberger hat heute eine Vertreterin des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag eingeladen. Am Vortag war sogar schon Alice Weidel von der AfD im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen.
Schon aus Prinzip muss man in dem Zusammenhang an die Rolle der Moderatorin Maischberger in den vergangenen sechs Jahren erinnern, wenn es darum ging, gegen die AfD vorzugehen.
Später hatten sich zwar Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur der »ZEIT«) für die privaten Medien und beispielsweise Kai Gniffke (SWR-Chef, ehem. Tagesschau-Chef) für ihren Haltungsjournalismus entschuldigt, Maischberger allerdings hat das nie getan. Unvergessen, wie sie 2016 in schon beschämender Weise gemeinsam mit Ralf Stegner (SPD) und Jakob Augstein (Spiegel-Erbe) die damalige AfD-Chefin Frauke Petry (AfD) angegangen war.
Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und ein paar Wochen vor der Bundestagswahl soll sich nun Beatrix von Storch (MdB), die stellvertretende Bundessprecherin der AfD, mit Amira Mohamed Ali, der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, in den Ring stellen.
Mohamed Ali hatte zuletzt mit dem Ehepaar Wagenknecht und Lafontaine (beide »Die Linke«) eine Wahlveranstaltung absolviert, wie man bei Lafontaine via Facebook erfahren konnte.
Weitere Gäste bei Maischberger: John Bolton, der ehemalige US-Sicherheitsberater von Donald Trump – zugeschaltet aus den USA – und der Politikwissenschaftler Christian Hacke.
Die üblichen drei Journalisten bzw. Medienleute, welche eine politischen Einordnung vornehmen sollen, sind die »Welt«-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld – sie wird mittlerweile durch die Talkshows weitergereicht – und Ann-Katrin Müller vom »Spiegel«. Hatte Melanie Amann dieses Mal keine Zeit? Den Damen zur Seite gestellt wurde der Kabarettist Jochen Busse, na ja …
Zunächst wird auch bei Maischberger weiter das Narrativ von den zurückgelassenen Ortskräften verfestigt, von denen am Ende allerdings bisher die wenigsten unter den vielen nach Deutschland transportierten Afghanen gewesen sind.
Kurz vor der Sendung war in den Tagesthemen mit Gerald Knaus noch der Chef eines Soros-finanzierten Think-Tanks zu hören, der schon für den so brachial gescheiterten Türkei-Deal die Feder geführt hat.
Die grüne Kanzlerkandidatin, der sozialdemokratische Außenminister und weitere Zuwanderungsbefürworter sorgen zur Zeit dafür, dass der deutsche Lautsprecher über Afghanistan voll aufgedreht ist mit dem Endlos-Tonband: „Wir schaffen das!“ und möglicherweise so einen noch größerer Pull-Faktor erzeugen könnte als 2015 die offengebliebenen Grenzen durch die Bundeskanzlerin.
US-Präsident Joe Biden wird eingespielt, der gerade die Umgestaltung anderer Länder durch die USA für beendet erklärt hatte. Der ehemalige US-Sicherheitsberater von Donald Trump sagt, er war immer gegen den Abzug. Die Ursünde war für Bolton, dass Trump mit den Taliban verhandelt hat und dabei die afghanische Regierung außen vor gelassen hatte.
Für Bolton sind Demokraten als Präsidenten immer „Garanten für eine sehr schwache Außenpolitik“. Er hält es dennoch für ausgeschlossen, dass Trump noch einmal für die Präsidentschaft kandidiert.
Für Bolton sind die Taliban dieselben geblieben – sie hätten nach zwanzig Jahren einfach nur eine bessere PR-Abteilung. Maischberger nennt ihren Gesprächspartner anschließend einen „Falken“.
Christian Hacke, früher Professor der Universität der Bundeswehr Hamburg, hätte sich auch neben Jochen Busse setzen können, denn beide erklären die Welt so, dass es beim Zuhören keine Missverständnisse gibt, um es höflich auszudrücken. Manche Zuschauer mögen das vielleicht, andere haben Sehnsucht nach Peter Scholl-Latour: Der konnte auch fesseln, den verstand man inhaltlich gut, auch wenn er nuschelte.
„Wir dürfen eines nicht vergessen: China!“, sagt Christian Hacke. Und über Joe Biden: „Wir wissen nicht, wer im weißen Haus die Fäden zieht.“ Maischberger freut sich, sie mag diese Art des schnellen Begreifens schon beim Zuhören. Für Hacke ist der amtierende Präsident keiner, der die gesamte Amtszeit durchsteht. „Wir müssen uns besinnen auf Bescheidenheit!“ Das gefällt der Moderatorin, und „herzlichen Dank für den Besuch“.
Lustig: »Welt«-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld liest womöglich bei Anabel Schunke auf Twitter mit – jedenfalls erzählt sie, was Schunke erst vor ein paar Stunden twitterte, nämlich dass ein Auftritt von Armin Laschet in Thüringen mit Bier und Bratwurst für einen Euro um Zuschauer wirbt.
Wo bleiben jetzt von Storch und die Linke mit dem coolen Boxernamen? Um die späte Uhrzeit dieses Geplauders der Medienvertreter so auszudehnen und die Wahldebatten warten zu lassen, das ist dramaturgisch unglücklich, liebe Regie.
Für Jochen Busse leidet der endgültige Erfolg der grünen Baerbock vor allem unter dem „Zittern der Deutschen um die Solidität“ und die Journalistin vom »Spiegel« sieht sogar Frauenfeindlichkeit gegen Baerbock. Die Welt-Chefredakteurin erinnert demgegenüber daran, dass die Grüne vor allem deshalb Kanzlerkandidatin sei, weil sie eine Frau ist.
Dann naht das Wahlduell. Maischberger bittet die Spiegel-Frau, die AfD noch ein bisschen zu kritisieren, um dann mit diesen Aussagen ziemlich schamlos direkt zu von Storch und Mohamed Ali überzuleiten.
Und da sitzen die beiden Damen schon in den weißen Drehsesseln wie hingezaubert. Schöner Einstieg: Die Linke wird gefragt, ob sie irgendwann mal der AfD hätte zustimmen können? Sie verneint dies, aber Frau von Storch grinst und erinnert sofort daran, dass die Linke absolut recht damit hatte, dass man in Afghanistan gar nicht erst hätte einziehen müssen.
Und sie grinst weiter: So ein kategorisches Ablehnen der gegnerischen Position gäbe es bei der AfD gar nicht.
Für Beatrix von Storch ist klar, warum die Linke nicht über 7 Prozent kommt: Man dürfe eben nicht der ganzen Welt 1200 Euro netto im Monat versprechen, wenn man nur nach Deutschland käme.
Amira Mohamed Ali regt es auf, dass die AfD es generell für unmöglich hielte, dass man in islamischen Ländern für Menschenrechte sorgen könne. Ist das tatsächlich eine so groteske Behauptung der AfD?
Mohamed Ali nimmt nochmal die Ortskräfte-Geschichte auf, weiß aber sicher längst um die Bemühungen von Regierung und NGOs, diese Notlage in eine neue Fluchtbewegung umzuwandeln, die Nötigung der Städte und Kommunen durch die NGO-Seebrücke, sich zu „freien Häfen“ zu erklären, führt die Linke noch beispielhaft an. Mohamed Ali wünscht so etwas wie eine Wiederholung von 2015, als Millionen kamen – nur eben etwas kontrollierter durchgeführt sollte es schon sein.
Von Storch erinnert ihre Kontrahentin: „Unbedingt hat jeder Mensch Menschenrechte, aber er hat nicht das Recht, einfach nach Deutschland zu kommen und sein Leben hier zu verbringen.“
Anschließend bringt von Storch Wagenknecht und Lafontaine in Stellung, die ihrer eigenen Partei Weltfremdheit in der Migrationsfrage vorgeworfen hatten.
Mohamed Ali meint, die AfD hätte doch nur ein Interesse daran, jetzt im Wahlkampf eine neue Angst vor einer Flüchtlingswelle zu schüren. Erstaunlich nur, dass es die Linke ist, welche gerade sehr aktiv diese Angst geschürt hat mit ihren Aussagen zur Migration.
Mohamed Ali bringt europäisches Recht ins Spiel und kritisiert Österreich, das sich schon aus der Verantwortung gezogen habe. Aber welche Verantwortung meint sie? Maischberger fragt leider nicht nach.
Beatrix von Storch möchte „den globalen Pakt für Migration durch einen globalen Pakt für sichere Grenzen ersetzt“ wissen, schleudert sie der Linken vor den Drehstuhl. Das Problem sei das politische Signal, das auch die Linke aussenden würde, nämlich dass jeder kommen könnte, den man jedoch besser vor Ort versorgen sollte.
Doch, man muss es hier sagen, es ist wie so oft: Die AfD kann punkten, wenn die Moderatorin nicht radikal dazwischengrätscht oder wieder den Zettelkasten ausgräbt mit Zitaten von Gauland oder Höcke. Und im Moment, als Amira Mohamed Ali Frau von Storchs angeblichen Ausrutscher auf der Maus erwähnt, ist das vor allem ein Indiz dafür, dass ihr die Argumente fehlen.
Das Problem sei die „furchtbare Heuchelei“ der Linken, so von Storch – im Jemen beispielsweise seien sogar achtzig Prozent der Menschen auf Hilfe angewiesen. „Die Probleme auf der Welt sind größer, als dass wir sie auf deutschem Boden lösen können.“
Mal vom Vorspiel abgesehen – bis dahin erstaunlich fair von Maischberger. Spaßig ist dann die „Ja/Nein“- Runde, in der diese vielbeschworene Hufeisen-Theorie der Nähe beider Parteien sichtbar wird.
Und dann lief es offenbar doch zu gut für die AfD-Frau, und die zwangsgebühren-finanzierte Moderatorin mit dem dicken Bernstein gegen den bösen Blick zieht doch noch ein Höcke-Zitat aus der Kiste. Jämmerlich ist das deshalb, weil im Gegenzug Frau von Storch Lafontaine/Wagenknecht zitieren muss – da nämlich hielt es Maischberger nicht für nötig, die Linke damit zu konfrontieren.
Frau von Storch antwortet hier ausführlich und unaufgeregt, Maischberger insistiert immer weiter, prallt jedoch ab. Wo so ein Übergriff jedoch misslingt, bewirkt er genau das Gegenteil.
Maischberger kann es nicht lassen, sie insistiert wieder, sie unterbricht Beatrix von Storch und sie unterbricht nochmals und noch einmal – sie will einfach den Untergang der AfD in ihrer Sendung auf den letzten Metern erzwingen, als wäre das der öffentlich-rechtliche Auftrag, aber da ist ihr von Storch schon durch die Lappen gegangen. Zu guter Letzt begreift Maischberger es endlich auch und lässt los.
Und das war es nun: Wer hier die Linke lieber vorne liegend gesehen hätte, wurde enttäuscht. Klarer kann man kaum punkten, als es Beatrix von Storch hier geschafft hat. Wenn die Linke allerdings solche Schwierigkeiten mit dem eigenen Personal hat, wird’s schwer, Debattenregeln einzuhalten. Mit einer wie Sahra Wagenknecht hätte es die Sprecherin der AfD sicher deutlich schwerer gehabt – was ihre gerade gezeigte Debattenstärke bei Maischberger aber nicht schmälern soll.
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite alexander-wallasch.de
Bild: ARD Mediathek / maischberger. die woche 01.09.2021Text: wal
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