Von Kai Rebmann
Autofahren und deutsche Innenstädte, das passt seit Jahren immer weniger zusammen. Mit sogenannten „verkehrsberuhigenden Maßnahmen“ – bis hin zum vollständigen Verbot – sollen Kfz aller Art ganz offensichtlich nach und nach von den Straßen verschwinden. Doch anstatt auf unmittelbaren Zwang setzen viele Kommunen auf das Konzept der vermeintlichen Freiwilligkeit.
Aktuell lässt sich dieser ideologische Ansatz sehr schön am Beispiel Marburg (Hessen) illustrieren. Im Rahmen der grün-roten Agenda „MoVe35“ will die Stadt die Zahl der zugelassenen Pkw bis zum Jahr 2035 halbieren. Gegen speziell diesen Punkt hat sich jedoch massiver Widerstand geregt, so dass darüber an diesem Sonntag per Bürgerentscheid abgestimmt werden soll.
Doch selbst wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung für die Pläne aussprechen sollte, stellt sich natürlich immer noch die Frage des „Wie“. Schließlich wird man kaum der Hälfte aller Kfz-Halter einfach ihren fahrbaren Untersatz wegnehmen können. Also wollen das Rathaus und der progressiv dominierte Stadtrat mit „Anreizen“ arbeiten. Im Gegenzug zum Verzicht auf das eigene Auto sollen Gutscheine im Wert von bis zu 1.250 Euro ausgeschüttet werden.
Voraussetzung: Der betreffende Privatwagen muss mindestens für ein Jahr lang abgemeldet werden und der bisherige Halter noch ebenso lange in Marburg wohnen bleiben. Als Belohnung winken Gutscheine für Carsharing (800 Euro) und/oder den ÖPNV (600 Euro, entspricht etwa einem Jahresabo für das „Deutschland-Ticket“) sowie sogenannte „Marburg-Gutscheine“ im Wert von 400 Euro und ein „Klima-Bonus“ (50 Euro). Letztere können in lokalen Geschäften und Restaurants eingelöst werden.
Mit Steuergeld subventionierte Anti-Auto-Agenda
Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) will die Bürger eigener Aussage zufolge so zum Nachdenken darüber bringen, ob sie ihr eigenes Auto tatsächlich brauchen. In nicht wenigen Fällen wird sich diese Frage aber allenfalls rückblickend beantworten lassen, denn man kennt es ja: Dass etwas wirklich fehlt, merkt man erst, wenn es nicht mehr da ist.
Umweltdezernent Michael Kopatz (Klimaliste) macht eine Milchmädchenrechnung auf: Der Flächenverbrauch für jedes am Marburger Straßenrand abgestellte Auto liege bei 12 bis 15 Quadratmetern, woraus sich Grundstückskosten in Höhe von 2.400 Euro pro Jahr und Auto ergäben. Hinzu kämen noch Unterhaltungskosten in Höhe von durchschnittlich 360 Euro pro Jahr. Die zugeparkten Flächen würden von der Stadt aber dringend für Maßnahmen zur „Klimaanpassung“ benötigt, so Kopatz.
Deshalb wirbt der Umweltdezernent dafür, dass eigene Auto stehen zu lassen bzw. abzumelden und stattdessen mit den Gutscheinen die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Was der Mann von der Klimaliste dabei nicht sagt: Dieses vermeintliche Konjunkturprogramm geht zu Lasten der Allgemeinheit. Allein die angedachte Pilotphase (50 abgemeldete Autos) würde die Marburger Steuerzahler bis zu 62.500 Euro kosten.
Daran, dass die grüne Verkehrswende in Form der „Auto-Abschaff-Prämie“ in Marburg wirklich kommt, zweifeln nur noch wenige. Zwar steht das offizielle Votum des Stadtrats in der kommenden Woche (15. Juni) noch aus, die herrschenden Mehrheitsverhältnisse lassen die Abstimmung aber wohl zur Formsache werden. Grüne (15 Sitze), SPD (14 Sitze), Linke (7 Sitze) und Klimaliste (4 Sitze) stellen zusammen 40 der insgesamt 59 Sitze, bringen es in der Universitätsstadt also auf eine satte Zweidrittelmehrheit.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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