Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholt
Im November und Dezember hat Deutschland die Erfahrung gemacht, was einem Stromversorgungssystem passiert, wenn es sich auf Solarstrom und Windenergie verlässt und regelbare Kohle- und Kernkraftwerke abstellt. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind ausbleibt und dadurch der Strom knapp wird, steigen die Preise exorbitant. Eine solche Dunkelflaute kann uns im Januar oder Februar noch einmal oder mehrfach erwischen.
Doch schlimmer als die Dunkelflaute ist die Hellbrise: Blauer Himmel, Sommermittagssonne und ein leichter Wind über Deutschland. Durch den Zubau an Photovoltaik in den letzten 2 Jahren um 30 000 MW ist die Kapazität des Solarstroms auf 96 000 MW angestiegen, ein Großteil davon nicht abstellbar. Was passiert, wenn der Strombedarf in Deutschland – etwa an einem Feiertag- deutlich kleiner ist, sagen wir 40 000 MW? Es droht der Zusammenbruch der Versorgung, weil die zu hohen Einspeisungen die Frequenz im Stromnetz über netzschädliche 50,2 Hz hinausschiessen lässt. Aber Robert Habeck wollte diesen Wahnsinnsanstieg. Sein unreflektiertes Credo: „Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Solarenergie“ bringt uns schon in diesem Sommer in die Blackout-Zone.
Amani Jonas, Geschäftsführer des Stromhändlers CFP Flexpower beschreibt diese Gefahr in einem aufsehenerregenden Artikel im Photovoltaik-Magazin „pv magazine“: „An Ostersonntag 2025 sinkt die Stromnachfrage während der Mittagsstunden auf etwa 40 Gigawatt, während Solaranlagen auf Dächern allein bis zu 34,2 Gigawatt produzieren. Zusammen mit 8 Gigawatt konventioneller Must-Run-Kapazität und weiteren 11,7 Gigawatt aus netzgekoppelten erneuerbaren Energien, die nicht abgeregelt werden, ergibt sich ein Gesamtangebot von 53,9 Gigawatt. Viel zu viel Strom ist im Netz. Selbst bei einem optimistischen Export von 8 Gigawatt bleibt ein Überangebot von 5,9 Gigawatt bestehen, was der Leistung von fünf Kernkraftwerken entspricht… Dies könnte zu gravierenden Netzproblemen führen, darunter ein Anstieg der Netzfrequenz, Abschaltungen von Photovoltaik-Wechselrichtern, Schäden an Maschinen und potenzielle Brownouts, besonders in solarreichen Regionen wie Südbayern.“
Ein Brownout ist ein regionaler Blackout, der durch Abkoppeln der betroffenen Region vom übrigen Netz einen bundesweiten Blackout vermeiden soll. Der Artikel im Photovoltaik-Magazin (!) fordert schnelle Notlösungen, etwa die Sondervergünstigen für Dachanlagen wie Befreiung von Netzentgelten, Mehrwertsteuer, und Stromsteuer sofort abzuschaffen, damit der Ausbau von nicht steuerbaren Dachanlagen zum Erliegen kommt. „Die Politik ist gefordert“ heisst es wie ein Hilferuf im Artikel im Photovoltaik-Magazin. Haben Sie, lieber Leser, etwas von den Irrungen der Photovoltaik-Energiewende in den Wahlprogrammen von SPD, CDU oder Grünen gelesen, die ja die Regierungsbildung unter sich ausmachen werden?
Im SPD Programm heisst es auf Seite 30:“ Wir bekennen uns klar zu den Klimazielen für Deutschland und die EU. Wir müssen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen und nach Möglichkeit auf den 1,5-Grad-Pfad führen. Wir unterstützen den europäischen Green Deal, damit Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird. Eine Abschwächung der erreichten Errungenschaften ist mit uns nicht zu machen. Unsere Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Beschlossene Gesetze werden wir umsetzen. Wir wissen um unsere Vorreiterrolle und werden daraus einen Vorteil für unserLand, unsere Menschen und den Standort Deutschland machen.“(Hervorhebung durch den Verf.)
Mit anderen Worten: Der bisherige Kurs wird unbeirrt fortgesetzt. Man wüsste gerne, wie Deutschland mit einem Anteil von 1,5 % an der CO2-Emission der Welt (der jährliche Zuwachs in China ist größer als die Gesamtemission Deutschlands mit 583 Mio. t CO2) die Durchschnittstemperatur auf 1,5 oder 2 Grad Celsius begrenzen kann. Solange man die dystopische Über- und Unterproduktion von Solar- und Windenergie als Errungenschaft feiert, heisst das: Wir halten an unserer Vorreiterrolle fest, auch wenn wir unseren Wohlstand opfern, weil es um die Rettung der Welt geht. Ähnliches hatten wir schon von Greta Thunberg gehört.
Ostern ist nach der Wahl. Und dann kommt Pfingsten mit noch höherer Solarstromproduktion und ebenfalls geringem Strombedarf. Den gesamten Sommer wird Deutschland zittern müssen, wenn nicht endlich eine Bundesregierung mit der Kettensäge durch das Dickicht der falschen Energiepolitik fährt, die uns Wohlstand und Arbeitsplätze kostet und für den Fall der Hellbrise uns weltweit der Lächerlichkeit preisgibt. Die Welt wird fragen: Wie konnte dieses Land unter einer CDU-Kanzlerin und einem SPD-Kanzler so kaputtgemacht werden?
Nur wenige Stromversorger veröffentlichen Daten über das Ausmaß des sich anbahnenden Abschaltdramas wie die Netzampel von Avacon oder hier das Bayernwerk. Das Bild zeigt die Abschaltung von Grünstromanlagen im April 2024. Dieses Jahr wird es noch heftiger. Je dunkelroter die Farbe, umso häufiger mussten Solar- und Windkraftanlagen abgeschaltet werden. Wohlgemerkt, das betrifft nur die abschaltbaren Solarfelder und Windparks. Die Dachanlagen speisen weiterhin ungesteuert ins Netz, egal ob der Strom gebraucht wird oder nicht.
Wie konnte es soweit kommen?
Durch eine beispiellose Überförderung von Dachanlagen ist es Robert Habeck gelungen, den jährlichen Ausbau von Solaranlagen von 5260 MW in 2020 über 7480 MW in 2021, 14630 MW in 2023 auf 15900 MW in 2024 hochzuschrauben, so dass wir jetzt insgesamt 96 000 MW Solarkapazität in Deutschland haben. Davon sind zwei Drittel Dachanlagen, die in der Regel nicht gesteuert oder abgeschaltet werden können. Bei einem maximalen Stromverbrauch in Deutschland von etwa 85 000 MW erkennt man, dass hier etwas aus den Fugen geraten ist. 4 Millionen Hauhalte profitieren von der auf 20 Jahre festgelegten Einspeisevergütung. Wer lediglich einspeist, bekommt 12,09 €ct/kWh Festvergütung. Wer erzeugten Strom selbst verbraucht, bekommt für den eingespeisten Strom nur 8,11 €ct/kWh. Damit wäre die Anlage unrentabel. Der Eigennutzer spart aber nicht nur die Stromsteuer, die Mehrwertsteuer sondern auch die Netzgebühr. Das sind insgesamt 17 €ct/kWh, nach Schätzung vonAmani Jonas etwa 5 Milliarden € pro Jahr. Die geschenkten Netzkosten tragen die Haushalte ohne Solardächer. Natürlich nutzen Eigennutzer auch die Netze. Eine angebliche Netzentlastung durch die Eigennutzer findet aber nicht statt, denn die Netze müssen auch für die Spitzenzeiten ausgelegt sein, in denen der Solardachbesitzer so wie jeder andere Strom ziehen will, z.B. in der Nacht oder im Winter.
Auch neuere Anlagen mit Speichersystemen erhöhen diese unbezahlten Kosten noch weiter, da der Eigenverbrauch weiter steigt. Auch zum Glätten der Solarstromerzeugung tragen die Heimspeicher kaum etwas bei, wie Prof. Hirth von der Hertie School in Berlin nachgewiesen hat: Zum Zeitpunkt der höchsten Sonneneinstrahlung am Mittag seien die Batterien bereits vollgeladen – und fallen als Instrument der Netzstabilisierung aus.
Die Dach-Photovoltaik (PV) ist nach wie vor die teuerste Stromerzeugungsform. Eine PV- Dachanlage ist mehr als doppelt so teuer wie eine Freiflächenanlage gleicher Größe. Das zeigt auch der Vergleich der Einspeisetarife : Freifläche 5,5-5,9 €ct/kWh, Dachanlage 12,09 €ct/kWh.Trotzdem wurden die Rahmenbedingungen von der Bundesregierung so gesetzt, dass es zu einem unkontrollierten Solarboom auf Dächern kam, dessen Folgen die Sicherheit des Stromnetzes und damit wir alle in den nächsten Jahren zu spüren bekommen.
Dass auch die Freiflächenphotovoltaik nicht problemlos ist, zeigen die hohen Pachtpreise, die die Goldgräber der Solarprojekte den Landwirten zu zahlen bereit sind. Mit 5000 € pro Hektar Fläche verdrängen Solarprojekte die Landwirte, die diese hohen Pachtpreise nicht erwirtschaften können aus der landwirtschaftlichen Produktion. Der durchschnittliche Pachtpreis für landwirtschaftliche Nutzungen liegt bei 274 € pro Hektar. Diese Flächenverknappung (bis zu 4 %) trifft eine landwirtschaftliche Produktion, die ohnehin mit der Flächenverknappung durch Biogas (9 % der Fläche) und Naturschutzstillegungen (10 %) belastet wird.
Wie entwickeln sich die Erdgaspreisen?
Die Erdgaspreise haben in den letzten Wochen den höchsten Stand des Jahres erreicht. Die Kappung der russischen Pipelines durch die Ukraine hat zu Engpässen in Österreich Ungarn, Tschechien und der Slowakei geführt, die nun auf Nachschub aus den Nachbarländern angewiesen sind. Der Preis stieg im Jahresvergleich um 35 %. Daher leeren sich zur Zeit die Speicher in Deutschland und Europa in höherem Tempo als in den letzten Jahren. Europaweit sind die Speicher nur noch zu 69,7 % gefüllt, vor einem Jahr waren es noch zum gleichen Zeitpunkt 84,5 %. Der Füllstand der ukrainischen Gasspeicher beträgt nur noch 15 %. Im Zweifel wird die Ukraine von Europa aus versorgt werden müssen, wenn es zu keiner kurzfristigen Befriedung des Ukraine-Kriegs kommen sollte, da die Ukraine in hohem Maße von russischen Erdgasimporten abhängig war.
Bemerkenswert ist jedoch die von den Gasmärkten antizipierte weitere Entwicklung der Gaspreise. Danach sollen sie in diesem Jahr nicht weiter steigen und im nächsten Jahr sogar zurückgehen. Nach meiner Einschätzung gehen die Märkte davon aus, dass es zu einem Kriegsende in der Ukraine kommen wird. Die Ankündigung Donald Trumps, den Krieg zu beenden, hat bereits die Märkte beeinflusst. Sie gehen wohl davon aus, das Friedensgespräche zum Ukrainekrieg die russischen, aber auch osteuropäischen Interessen nach einer Wiederaufnahme des Gashandels berücksichtigen werden. Es ist sogar davon auszugehen, dass Putin auch die Wiederbelieferung der noch intakten Nord- Stream Pipeline in die Gespräche einführen wird.
Die langfristige Gasversorgung Europas ist im übrigen durch den Fall des Assad-Regimes um eine Option reicher geworden. Assad hatte sich auf Druck Russlands jahrelang geweigert, einer Pipeline von Katar, vom größten Erdgasfeld der Welt, South Pars, in die Türkei durch Syrien zuzustimmen. Jetzt werden diese Pläne von der Türkei und Katar auf die Tagesordnung kommen, wodurch Katar, der größte Gasproduzent der Welt, zukünftig sein Erdgas zu günstigeren Konditionen als auf dem LNG-Wege nach Euopa transportieren kann. Dafür muss allerdings die 1500 km lange Pipeline durch Syrien erst mal gebaut werden. Es wird interessant werden, wie sich die Interessen der USA, Russlands, der Türkei und Katars im Nahen Osten und in der Ukraine in der nächsten Zeit ausbalancieren werden.
Vor dem Hintergrund des weltweiten Aufschwungs der Gasmärkte ist die Absicht der bisherigen Bundesregierung, die Gasleitungen bis 2045 stillzulegen (siehe meinen Newsletter vom September) und die Abschreibungszeiträume von Gasleitungen auf 20 Jahre zu verkürzen, als ziemlich tölpelhaft einzuschätzen.
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Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Der Sozialdemokrat war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Seine Bücher finden Sie hier.
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