In George Orwells Roman „1984“ lebt der Protagonist Winston Smith in einem totalitären Staat. Die Regierung kontrolliert dort unter der Führung des „Großen Bruders“ die Gedanken und Meinungen der Bürger streng. Die Meinungsfreiheit wird durch ständige Überwachung, Propaganda und die Manipulation der Wahrheit unterdrückt. Winston kämpft verzweifelt gegen diese Unterdrückung, doch seine Rebellion wird brutal niedergeschlagen, was die allumfassende Macht des Regimes verdeutlicht.
An George Orwell musste ich denken, als ich heute auf Instagram bei meinem geschätzten Kollegen Henning Rosenbusch ein Video aus Großbritannien fand, das mich tief erschütterte. Ich habe zwar immer noch die Hoffnung, dass es ein Fake ist, also eine Fälschung. Allerdings ist diese Hoffnung nicht allzu groß, weil inzwischen diverse kritische Medien über das Video schreiben. Und weil es – selbst wenn es ein Fake sein sollte – leider sehr realistisch ist. Auch in Deutschland müssen kritische Menschen damit rechnen, dass sie die Polizei im Morgengrauen zuhause heimsucht – nur weil sie etwa einen kritischen Post in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht haben.
In dem Video, das offenbar mit einer Bodycam aufgenommen wurde und das Sie hier ansehen können, ist zu sehen, wie zwei Polizisten einen offenbar älteren Mann – der selbst nicht zu sehen ist – in seinen eigenen vier Wänden festnehmen.
„Ich nehme Sie fest wegen des Verdachts auf unsachgemäße Nutzung eines elektronischen Kommunikationsnetzes. Ich sage nur, dass es sich um ein Kommunikationsgesetz handelt“, sagt eine Beamtin, der anzusehen ist, dass sie sich unwohl fühlt. Sodann belehrt sie den Mann über seine Rechte.
„Ich werde tatsächlich festgenommen?“, fragt der Mann aus dem Off.
„Sie werden verhaftet, okay“, sagt die Beamtin, „wir werden Sie zur Polizeiwache mitnehmen“.
Es gehe „um einige Kommentare, die Sie auf einer Facebook-Seite abgegeben haben“, sagt die Polizistin.
Der Mann antwortet: „Oh, wirklich? Oh, es ist ein Facebook-Verbrechen, oder? Okay!“
Sodann ziehen die beiden Beamten Gummihandschuhe über, offenbar für eine Leibesvisitation, und der männliche Beamte, der sich ebenso wie seine Kollegin sichtbar unwohl fühlt, sagt: „Jeden, der verhaftet wurde, können wir nach Paragraph 32 durchsuchen.“
Der alte Mann konstatiert noch einmal nach: „Sie sagten, ich würde aufgrund weiterer Informationen verhaftet. Ich werde verhaftet, weil ich auf Facebook gepostet habe.“
„Einige Kommentare, die beleidigend sind und gesehen wurden, und bestimmte Leute haben sich darüber beschwert“, sagt die Polizistin.
„Können Sie mir sagen, was das für ein Kommentar war?“, fragt der alte Mann nach.
Die Beamtin sagt, das werde er beim Verhör erfahren.
Der alte Mann: „Also gut. Werde ich die ganze Nacht über eingesperrt?“
Die Beamtin sagt: „Hoffentlich nicht“.
Der Vorfall soll sich laut dem Portal „decripto.org“ am 4. August 2024 ereignet haben. „Er löste eine Debatte über die Anwendung von Gesetzen zur elektronischen Kommunikation und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Vereinigten Königreich aus“, schreibt das Portal.
Der X-Account „Voice of Wales“ kommentiert die Festnahme wie folgt: „Während maskierte Gangs bewaffnet durch die Straßen ziehen und nach weißen Menschen suchen, die sie angreifen können, geht die Polizei zu den Häusern der Leute und verhaftet sie wegen Online-Kommentaren. Von 1984 zu 2024 – Großbritannien.“
Bei der Festnahme berufen sich die Beamten auf das „Kommunikationsgesetz“, den „Communications Act“ von 2003. Dieses regelt die Nutzung elektronischer Kommunikationsnetze im Vereinigten Königreich, einschließlich sozialer Medien. Dem Gesetz zufolge ist es eine Straftat, ein elektronisches Kommunikationsnetz zu nutzen, um „grob beleidigende, unanständige, obszöne oder bedrohliche“ Nachrichten zu versenden, wie „decripto.org“ feststellt: „Die Verhaftung wirft wichtige Fragen zur Meinungsfreiheit und Online-Zensur auf. Im Vereinigten Königreich wurde das Kommunikationsgesetz aus dem Jahr 2003 oft kritisiert, weil es zu vage ist und den Behörden zu viele Befugnisse zur Regulierung der Online-Sprache gibt.“
Auch in den deutschen sozialen Medien wurde die Polizeiaktion scharf kritisiert. „Die Kriminalität nicht im Griff, aber Leute, die Stuss im Netz schreiben, dafür ist Zeit da. Die wollen die Unruhen und die Kriminalität auf der Straße gar nicht bekämpfen“, kritisiert ein Nutzer auf Instagram. „Ironisch, dass das ausgerechnet im Land geschieht, das sich als größten Feind von Faschismus und Kommunismus sieht“, schreibt ein anderer.
Auch X-Eigentümer Elon Musk empörte sich, offenbar wegen des Videos, über Einschränkungen der Meinungsfreiheit:
In 2030 for making a Facebook comment that the UK government didn’t like pic.twitter.com/UhKDLeCPJb
— Elon Musk (@elonmusk) August 6, 2024
What the hell is going on? https://t.co/JyfMJ7yqTt
— Elon Musk (@elonmusk) August 6, 2024
Das Video zeigt auf erschreckende Weise, wie fragil die Meinungsfreiheit selbst in demokratischen Gesellschaften sein kann. Während wir uns hierzulande schon beinahe gewöhnt haben an Polizeiaktionen und Verurteilungen wegen kritischer Aussagen, war im angelsächsischen Raum die Meinungsfreiheit bisher ein deutlich geschützteres Gut als hierzulande. Bisher. Wenn kritische Stimmen durch vage Gesetze und Polizeieinsätze selbst in der eigenen Wohnung zum Schweigen gebracht werden, stehen wir alle vor der Gefahr, in eine dystopische Realität abzurutschen, wie sie Orwell einst ausmalte. Es ist an der Zeit, wachsam zu sein und für unsere Grundrechte einzutreten. Bevor es zu spät ist.
PS: Ich habe immer noch die (Rest-)Hoffnung, dass es sich bei dem Video um ein Fake handelt. Sollte sich das bewahrheiten, werde ich das hier sofort aktualisieren.
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