Ein Gastbeitrag von Patrick Maisch
Am Sonntag habe ich bereits zu früher Stunde angefangen, zu staunen. Informierte „Die Welt“ doch verheißungsvoll darüber, dass – wohlgemerkt – Expertinnen die neue Gendersprache des Dudens kritisieren. Sollte da am Sonntag morgen außer mir noch jemand aufgewacht sein?
Manch einer wird es möglicherweise noch gar nicht mitbekommen haben. Aber sprachlich hat gerade erst so etwas wie ein kleines Erdbeben stattgefunden. Natürlich nicht in der realen Welt, sondern im Elfenbeinturm der inzwischen durch und durch politisch korrekten Duden-Redaktion: Der Duden ist gerade dabei, das generische Maskulinum abzuschaffen. Zum Beispiel soll „der Mieter“ künftig wirklich nur noch den männlichen Mieter bezeichnen. Sie müssen also jetzt – ginge es nach dem Duden – immer ausdrücklich noch die anderen Geschlechter nennen, wenn Sie eine vermeintlich geschlechterübergreifende männliche Form wählen, sonst sagen Sie wahrscheinlich etwas anderes, als Sie möchten.
Okay, das wird möglicherweise nicht die Riesengeschichte, möchte man meinen. Gegendert wird ja ohnehin schon, und die Journalisten und den Staat kann man kaum davon abhalten, beharrlich weiter an dieser Schraube zu drehen. Immerhin wurden Veröffentlichungen oder Schreiben des einstigen Vater Staat in letzter Zeit schon immer unleserlicher und verschwurbelter, wenn an allen Stellen krampfhaft bei jeglichem Personenbezug betont wurde, dass damit wirklich alle verschiedenen sog. „Geschlechter“ gemeint sein können. Aber interessant wird es schon werden, z. B. bei der Frage, ob es gelingen kann, den Duden – bisher eine Kodifizierung gewachsener sprachlicher Regeln – mit dem Setzen eigener Regeln als Zugpferd einer politischen Agenda zu benutzen. Oder, ob man sich damit nun völlig vergaloppiert.
‘Mieter (m/w/d)‘
Doch zurück zu den Expertinnen. Woran stören diese sich im Artikel zuerst? Etwa daran, dass an sehr vielen Stellen die männliche Form kein bestimmtes Geschlecht bezeichnet und jetzt riesige Lücken klaffen? Man denke nur an Gesetzestexte, die jetzt einen rechtsfreien Raum für die anderen Geschlechter bilden, zum Beispiel für die „Mieterin“, um beim Thema zu bleiben? Ja, davor hat auch eine der Expertinnen völlig zu Recht gewarnt. Das Problem zuvorderst war aber, dass nun die häufige Bezeichnung mit Klammerzusatz für alle Geschlechter, z. B. „Mieter (m/w/d)“ nicht mehr möglich sei. Die Ansprache diverser Menschen sei nun erschwert. Das stimmt so freilich nicht. Denn die Bezeichnung wäre natürlich noch möglich. Nur wäre der männliche Mieter dann der einzig als solcher Genannte. Womit wir wieder beim alten Problem wären.
Den Vogel abgeschossen hat aber die Redaktionsleiterin des Duden, eine Frau Kunkel-Razum: Zwar würden im Duden auch weiterhin geschlechterübergreifende maskuline Formen gezeigt. Diese gerieten aber immer stärker in die Diskussion, da oft nicht eindeutig sei, ob nur männliche Personen oder Personen aller Geschlechter gemeint seien. – Und so beißt sich die Katze wieder einmal selbst in den Schwanz. Denn hätte man diese „Diskussion“ gar nicht erst angefangen, wäre und bliebe jedem klar, dass z. B. die „Lehrer an dieser Schule engagieren sich sehr.“ oder „Ist ein Arzt an Bord?“ natürlich alle entsprechenden Personen – wirklich jeden Geschlechts – meint. Sollte es ausnahmsweise einmal anders sein, hätte die Sprache ebenfalls Mittel dies auszudrücken, ohne jeden Text zwanghaft politisch aufladen oder komplett unleserlich entstellen zu müssen. So müssen wieder einmal „Probleme“ gelöst werden, die man sich selbst geschaffen hat. Dem Eindruck, das ganze Gender-Thema sei ohnehin nur Selbstzweck einer gewissen Kaste, ist man damit jedenfalls zu 100% gerecht geworden.
Großzügig geschätzt, wird es aber wohl nicht einmal den Bruchteil eines Bruchteils von einem Prozent interessieren, ob im Notfall ein Arzt oder eine Ärztin gerufen wird oder überhaupt, was sich die Duden-Redaktion hier Feines ausdenkt. Es bleibt zu hoffen, dass für Frau Kunkel-Razum im Notfall der Arzt noch rechtzeitig eintreffen kann, nachdem man sich auf eine passende Durchsage für jedes Geschlecht geeinigt haben wird. Für den Duden dagegen scheint schon heute jede Hilfe zu spät zu kommen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Patrick Maisch ist Jurist und lebt in Schleswig-Holstein.
Bild: GoodIdeas/ShutterstockText: Gast
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