Von Kai Rebmann
Das Schloss Marienburg in Pattensen bei Hannover soll zum „Neuschwanstein des Nordens“ werden. So zumindest beschreiben Tania und Nicolaus von Schöning ihre Vision des Kulturdenkmals im Süden Niedersachsens. Seit einigen Jahren leitet das Ehepaar zusammen mit der Familie Graf Hardenberg die Geschicke des Welfenschlosses als Pächter. Das Angebot besteht unter anderem aus Museum, Gastronomie, Shop und der Durchführung diverser Veranstaltungen, insbesondere im prunkvollen Rittersaal.
Eigentümerin des Schlosses ist eine Stiftung mit Ernst August Erbprinz von Hannover an der Spitze. Gemeinsam mit dem Land Niedersachsen sei es ihm 2019 gelungen, eine dauerhafte Lösung für dieses einzigartige Denkmal zu finden, verkündet der Adelige auf der Homepage der Stiftung. Das Schloss bleibe mit seinem gesamten Inventar „dauerhaft verbunden und öffentlich zugänglich“, wie es weiter heißt.
Aktuell ist auf den Seiten des Schlosses aber folgender Hinweis zu lesen: „Achtung! Kurzfristig sind die Innenräume von Schloss Marienburg ab dem 8. September 2023 bis auf weiteres geschlossen! Es können derzeit keine selbstständigen Besichtigungen oder Führungen in den Schlossräumen stattfinden!“
Sanierungsbedarf seit 10 Jahren bekannt
Offizieller Grund: Teile der Dachkonstruktion sind offenbar von einem Hausschwamm durchsetzt und daher dringend sanierungsbedürftig. Drei Mitarbeiterinnen, die sich vertrauensvoll an reitschuster.de gewandt haben, erzählen jedoch eine etwas andere Geschichte und machen dem Land Niedersachsen schwerwiegende Vorwürfe.
Demnach handele es sich bei dem jetzt „entdeckten“ Pilzbefall keineswegs um den „Überraschungsbefund“, als der er der Öffentlichkeit derzeit verkauft wird. Der Hausschwamm sei bereits im Jahr 2013 unter Ernst August Erbprinz von Hannover und dem damaligen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) gutachterlich festgestellt worden. Passiert ist seither aber anscheinend wenig bis nichts!
Im Jahr 2019 wurde das Schloss Marienburg in das Eigentum einer Stiftung überführt. Ein Jahr später wurden dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) Steuermittel in Höhe von 27,2 Millionen Euro bewilligt, die je zur Hälfte vom Bund und dem Land Niedersachsen finanziert werden sollten.
Mit diesem Geld sollte das Schloss in den Jahren 2021 bis 2024 jeweils in Teilbereichen denkmalgerecht saniert werden. Der Pächter hatte dabei sogar die Verpflichtung, „das Schloss währenddessen und langfristig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, wie die Mitarbeiterinnen schreiben.
Aber: „Wenn man 2021 anfangen und 2024 fertig sein will, stellt sich die Frage, warum die Ausschreibungen nicht lange beendet und Fachbetriebe vertraglich gebunden wurden – und warum man Ende 2023 immer noch nicht begonnen hat. Wir haben bald 2024 und erst jetzt wurde ein Zuschlag an ein Planungsbüro erteilt“, wie es in dem Schreiben weiter heißt.
Schließung auf Grundlage eines Gefälligkeitsgutachtens?
Den Angaben unserer Leserinnen zufolge wird der Pachtbetrieb sehr erfolgreich geführt. Seit Jahren würden diesem und seinen knapp 80 Mitarbeitern durch das Land Niedersachsen jedoch unentwegt Knüppel zwischen die Beine geworfen, da man – so der Verdacht – „einen unliebsamen Pächter aus dem Vertrag zu drängen“ versuche. Das MWK wolle im Welfenschloss stattdessen lieber auf einen „betont seriösen Museumsbetrieb“ setzen.
In den Vorjahren konnte der Pächter eine frühere Schließung des Schlosses und damit die Entziehung der Geschäftsgrundlage noch verhindern. So wurden den Angaben zufolge auf eigene Kosten rund 200.000 Euro in ein neues Brandschutzsystem investiert, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Ende 2021 folgte dann der nächste Rückschlag, als während einer mehrwöchigen vorweihnachtlichen Aktion im Schloss die Bibliothek gesperrt wurde – auf Grundlage eines „offensichtlichen Gefälligkeitsgutachtens“.
Hintergrund: Das Dokument stammte aus der Feder eines Gutachters, der von eben jenem Planungsbüro beauftragt wurde, das auch für die Sanierungsarbeiten im Schloss Marienburg verantwortlich zeichnet. Die Mitarbeiterinnen merken hierzu an: „Ein aus eigener Tasche bezahlter unabhängiger Gutachter, den sich das Land sogar aussuchen konnte, kam zu einem ganz anderen Ergebnis: Nichts war akut gefährdet, es muss mittelfristig saniert werden, wie seit 2013 – seit geschlagenen zehn Jahren – bekannt.“
Petition gegen komplette Schließung von Schloss Marienburg
Dennoch wurden jetzt neue, noch härtere Fakten geschaffen als noch vor zwei Jahren, knapp 80 Mitarbeitern droht das Aus. So sei unter anderem das „geschichtsträchtige Silbermöbel“ bereits langfristig verliehen. Davon, dass das Schloss „mit seinem gesamten Inventar dauerhaft verbunden und öffentlich zugänglich“ bleiben solle, wie es auf der Homepage der Stiftung heißt, kann also spätestens jetzt keine Rede mehr sein.
Den Mitarbeiterinnen schwant dabei einmal mehr nichts Gutes: „Im September wurde uns nun das komplette Museum bis zum Abschluss aller (!) Sanierungsarbeiten geschlossen und mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte es sich erneut um ein Gefälligkeitsgutachten aus den für die Sanierung bewilligten Steuermitteln handeln. Das ist nicht nur massive Geschäftsschädigung gegenüber unserem Pächter, der zusammen mit uns Angestellten seinen Teil des Vertrages gerne erfüllen möchte, sondern es ist vor allem Sanierungsverschleppung mit dem politisch motivierten Ziel, einen unliebsamen […] Pächter aus dem Vertrag zu drängen.“
Inzwischen haben weitere Unterstützer eine Petition gestartet, um das Thema im Landtag Niedersachsen auf die Tagesordnung zu bringen. Die Verfasser lassen auch darin kaum ein gutes Haar am MWK und dessen Hausherr Falko Mohrs (SPD): „Das Ministerium will den Pächter loswerden, die jetzige Sperrung der Museumsräume ist nur ein vorgeschobener Grund. Der Pächter und sein Team sind seit vier Jahren massiven Attacken ausgesetzt und man weiß nicht, warum das Ministerium so agiert. Mehrere Stiftungsvorstände sind zurückgetreten, wegen der Attacken des Ministeriums bzw. schlechter Zusammenarbeit mit diesem.“
Minister Mohrs 'wechselt die Pferde'
Diese Darstellungen bestätigt Nicolaus von Schöning gegenüber reitschuster.de. Am Freitag erst habe das Ministerium im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass das Schloss nach derzeitiger Planung bis zum Jahr 2030 geschlossen bleiben und anschließend als Landesmuseum wiedereröffnet werden soll.
Der Pächter wirft Minister Mohrs vor, „die Pferde zu wechseln“: „Wir stehen beim Steuerzahler, beim Landtag und den Mitarbeitern im Wort. Das Versprechen war, das Schloss unverzüglich zu sanieren, es der Öffentlichkeit ohne Unterbrechung geöffnet zu halten und es ohne Beanspruchung öffentlicher Mittel zu betreiben.“
Genau das scheint der Pächtergesellschaft in den vergangenen Jahren gelungen zu sein. Nicolaus von Schöning verweist darauf, aus einem defizitären Betrieb ein florierendes Unternehmen gemacht zu haben. Möglich wurde dies durch die Kombination des Museums mit populären Formaten wie dem „Wintermärchen“, Kammerkonzerten oder Open-Air-Events, die dem Schloss zuletzt Rekordbesucherzahlen beschert haben. „Diese Kombination aus Hochkultur und populären Formaten macht die Sache wirtschaftlich, ohne die Hochkultur zu entwerten“, wie von Schöning betont.
Jetzt aber sattelt der Minister ohne erkennbaren Grund um und verkündet plötzlich eine komplett andere Agenda: Das Schloss wird nur allmählich saniert, es wird geschlossen und der zukünftige Betrieb wird zu Lasten der Steuerzahler gehen. „Davon abgesehen, dass für diese Pläne die veranschlagten 27,2 Millionen Euro nicht reichen werden, kostet dieser Richtungswechsel 73 Arbeitsplätze, ein wertvolles Stück Kultur und viel Vertrauen in die Landespolitik Niedersachsens“, gibt von Schöning zu bedenken.
Das vom Ministerium unterbreitete Angebot, den Gastrobetrieb auch während der Schließung des Schlosses weiterführen zu können, nennt von Schöning „realitätsfern“: „Das Schloss liegt mitten im Wald. Hierher verirrt sich niemand zufällig, der Gastrobetrieb ist notwendigerweise auf einen geöffneten Museums- und Veranstaltungsbetrieb angewiesen.“
Im September 2023 hätten alle 73 Beschäftigten eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, da die Zukunft des Kulturdenkmals mehr denn je in den Sternen steht. „Ich wollte den Mitarbeitern keine falschen Versprechungen machen, da ich selbst nicht weiß, ob und wie es mit dem Schloss weitergeht“, bedauert der Pächter.
Allein im Jahr 2022 wurden auf dem Welfenschloss rund 100.000 Besucher gezählt, darunter auch zahlreiche Schulklassen und ähnliche Gruppen. Eine Schließung über mehrere Jahre bedeutet damit auch, dass eines der größten Kulturdenkmäler Niedersachsens für eine ganze Generation von Schülern verlorengeht.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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