Sehen Sie sich mein Video von der heutigen Bundespressekonferenz hier an.
Sehr viele Leser fragen mich nach dem Antigen von Professor Winfried Stöcker und den Problemen, die dieser inzwischen hat wegen dessen Entwicklung (siehe hier). Sehr oft wurde ich auch gebeten, das Thema in der Bundespressekonferenz anzusprechen. Da wir Journalisten in meinen Augen immer ein offenes Ohr für unsere Leser, Zuhörer und Zuschauer haben müssen und da ich es selbst auch für interessant halte, wie man im Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über den Professor aus Schleswig-Holstein und sein Produkt denkt, habe ich heute Spahns Sprecher Hanno Kautz auf der Bundespressekonferenz danach gefragt.
Voilà: „Ich habe eine Frage an Herrn Kautz zu dem sogenannten Antigen von Prof. Stöcker. Ist das dem Ministerium bekannt und wie steht das Ministerium dazu?“
„Das ist wieder eine Frage“, antwortete Kautz und schüttelte den Kopf, um dann fortzufahren: „Nein, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Das weiß ich nicht. Sie müssten auf das Ministerium zugehen. Dann könnte ich vielleicht die Fachleute dazu befragen und Ihnen dann eine Antwort geben.“
Ich hakte nach: „Gab es Gespräche mit Herrn Prof. Stöcker oder sind die geplant? Würde sich der Minister mit ihm treffen?“
Darauf Kautz: „Ich kenne die Umstände nicht. Ich kann Ihnen dazu keine Angaben machen.“
Ich finde dieses Schweigen bemerkenswert, da die Causa Stöcker seit Wochen breit in den Medien behandelt wird und es auch viele Vorwürfe gegen das Paul-Ehrlich-Institut gibt in der Sache. Das Institut wiederum untersteht als oberste Bundesbehörde direkt dem Gesundheitsministerium. Insofern hatte ich auf eine etwas breitere Auskunft gehofft.
https://twitter.com/JudiRot/status/1372197823488393218
Widersprüche bei der Impfstrategie
Meine zweite Frage galt der Impfstrategie: „Herr Kautz, ich habe eine Verständnisfrage: Die Bundeskanzlerin und auch Sprecher haben hier mehrfach gesagt, es gebe noch keine hundertprozentigen Belege dafür, dass die Impfung die Geimpften vor einer Übertragung schütze. Wenn ich mir die Impfstrategie anschaue, dann wirkt die aber so, als ginge man davon aus; denn man will ja zum Beispiel auch Altenpfleger impfen und redet darüber, Erleichterungen für Geimpfte zu haben. Können Sie diesen Widerspruch für mich aufklären? Gibt es neue Erkenntnisse, dass die Impfung doch sicher vor einer Übertragung schützt?“
Kautz: „Neuere Erkenntnisse kann ich Ihnen jetzt nicht bieten. Aber wenn Sie eine wissenschaftliche Frage zu den Impfstoffen haben, dann würde ich Ihnen empfehlen, auf das PEI oder auf das RKI zuzugehen, Herr Reitschuster.“
Ich hakte nach: „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung sich damit auch befasst und dazu auch als Leitung der Behörden eine Meinung hat. Diese Meinung würde ich gerne wissen.“
Kautz: „Es gibt ja Studien, die nahelegen, dass man nicht infektiös ist, wenn man geimpft ist. Hundertprozentige Sicherheit, da haben Sie Recht, hat man nicht, aber es gibt erste Studien, die nahelegen, dass man nicht infektiös ist, wenn man geimpft ist. Insofern ist das natürlich auch eine Grundlage aller Erörterungen.“
Auffallend war erneut, wie einseitig die Präferenzen in der Bundespressekonferenz verteilt sind. Kritische Nachfragen zum Thema Lockdown und Corona-Politik haben zu einem mehr als überwiegenden Teil den Tenor, dass die Strenge des Staates nicht weit genug gehe. Besorgnis über die massivsten Einschränkungen der Grundrechte seit Bestehen der Bundesrepublik höre ich nur sehr selten. Unten noch ein paar weitere Fragen und Antworten zu Dokumentationszwecken.
Bemerkenswert finde ich – vor dem Hintergrund, dass mir etwa die Süddeutsche Zeitung in einem Hetzartikel vorwirft, ich hätte die Bundespressekonferenz „gekapert“, und für ihre Thesen ausgerechnet als Kronzeugen Tilo Jung aufführt – die heutige Verteilung der Fragen in der Bundespressekonferenz (und das entspricht eher der Regel als der Ausnahme):
- Jung: 7 Fragen, 17 Nachfragen
- Jessen: 4 Fragen, 7 Nachfragen (Jessen ist regelmäßig für das Jung-Format „JUNG & naiv“ aktiv)
- Reitschuster: 3 Fragen, 3 Nachfragen
Wer bitte kapert da? Ist „Kapern“ gut und damit gar kein „Kapern“, wenn es von linksaußen kommt?
Fragen über Fragen.
Lesen Sie unter dem Artikel noch weitere davon.
Und noch mehr Antworten
Auf der Webseite gibt es in Kürze noch einen weiteren Bericht über die Bundespressekonferenz heute – oder sehen Sie sich hier mein Video an.
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Verbot von Feindeslisten
FRAGE JUNG (zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten): Meine Frage richtet sich an das BMJV. Könnten Sie erläutern, wie zum Beispiel journalistische Arbeit, zum Beispiel über Nazinetzwerke, und die Nennung von Namen oder die Tätigkeit antifaschistischer Vereine, die Nazinetzwerke mit Namen aufdecken, nicht unter diese Regelung fallen?
DR. KEITEL: Das kann ich gern tun. Ich will in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es bei der Frage, ob eine Person gefährdet wird, insbesondere auf den Kontext der Verbreitung der Daten ankommt, etwa in extremistischen Netzwerken, Foren und Chatgruppen. Journalistische Berichterstattung, die Personen namentlich nennt, sowie Recherchearbeiten von Vereinen, die der Aufdeckung extremistischer Strukturen dient, ist ausdrücklich nicht erfasst.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber wie wird das sichergestellt?
Wenn zum Beispiel ein Verein von Rechtsextremisten, das gibt es ja auch, Listen über sogenannte Linksextremisten anlegt, fällt dies dann auch unter diese Ausnahme?
DR. KEITEL: Wichtig ist dabei immer der Kontext, in dem diese Listen verbreitet werden. Voraussetzung für die Strafbarkeit soll sein, dass die Verbreitung einer solchen Liste oder eines einzelnen Kontaktes objektiv geeignet ist, die betroffene Person oder ihr nahestehende Personen der Gefahr einer schweren Straftat auszusetzen. Es geht eben nicht darum, ob im Einzelfall eine Person einen ungewollten Schluss zieht, sondern es geht darum, ob aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Falls objektiv betrachtet eine Eignung vorliegt, dass Menschen hierdurch gefährdet werden.
Das ist, wie ich gerade schon gesagt habe, bei der Presseberichterstattung oder bei öffentlichen Dokumentationen von Extremismus nicht der Fall. Diese sind nicht objektiv geeignet, Menschen zu gefährden, sondern im Gegenteil eher darauf gerichtet, Straftaten aufzuklären.
Notbremse
FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage zur Notbremse, Frau Demmer, die Sie ja eben noch einmal erwähnt haben. Was ist eine Notbremse wert, wenn ihre Konditionen regelmäßig überschritten und nicht eingehalten werden? Zum Beispiel gibt es im Landkreis Greiz in Thüringen eine 500er-Inzidenz. Dennoch möchte die zuständige Landrätin am Montag die Schulen wieder öffnen. Auf der anderen Seite, in Nordrhein-Westfalen, möchten Schulen wegen hoher Inzidenz gerne schließen. Das wird Ihnen von der Landesregierung verwehrt. Da entsteht eine Art von Schulbürgerkrieg auf Landesebene. Das ist Landespolitik. Aber damit wird die gemeinsame Linie zwischen Bund und Ländern unterminiert. Wie bewerten Sie das? Wie wird die Bundesregierung damit umgehen?
SRS’IN DEMMER: Ich kann nur noch einmal wiederholen, was Herr Seibert schon am vergangenen Montag hier gesagt hat: Die Bundesregierung hält es für wichtig und richtig, dass die Beschlüsse, die gemeinsam im Gespräch der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten getroffen worden sind, auch gemeinsam umgesetzt werden. Das gilt natürlich nicht nur für die sehr viel angenehmeren Öffnungsschritte, sondern auch für die möglicherweise weniger angenehmen Schritte, die diese wieder zurücknehmen, etwa eine Notbremse, an welche die Öffnungsschritte ja eben gekoppelt wurden.
ZUSATZ JESSEN: Ja, das habe ich am Freitag gehört.
SRS’IN DEMMER: Am Montag.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Sorry, am Montag. – Aber der Appell läuft ja ins Leere. Was tut die Bundesregierung? Sie wiederholen jetzt den Appell. Ist das alles, was Sie dazu zu sagen und zu tun haben?
SRS’IN DEMMER: Ich könnte mich jetzt nur noch einmal wiederholen und Herrn Seibert noch einmal zitieren, richtig.
Virusmutationen
FRAGE JUNG: Zum Thema Virusmutationen an das BMG und vielleicht auch an Frau Demmer: Haben Sie Erkenntnisse über die Virusvariante aus der Bretagne, über die die Gesundheitsbehörde dort vor Ort am Dienstag berichtet hat, dass das eine Variante sei, die beim PCR-Test nicht anschlägt, für den PCR-Test also höchstwahrscheinlich unsichtbar ist?
KAUTZ: Ja, die war bei einem PCR-Test mit Material aus dem Nasenabstrich negativ, aber in weiteren Analysen wurde das Virus mit Blutuntersuchung und Rachenabstrich nachgewiesen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Was bedeutet das jetzt für die Tests?
KAUTZ: Abschließend kann ich Ihnen das noch nicht sagen, aber der PCR-Test mit einem Rachenabstrich hat letztendlich angeschlagen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, es müssen immer Rachenabstriche gemacht werden?
KAUTZ: Ich kann Ihnen nicht sagen, wie der Nasenabstrich ausgesehen hat, aber das ist die erste Information, die ich dazu bekommen habe.
Fußball-EM und Verantwortung
FRAGE GAVRILIS (Deutschlandradio): Der UEFA-Präsident Čeferin hat bezüglich der Fußball-EM 2021 gefordert bzw. gesagt, jede gastgebende Stadt müsse garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen. Da ja auch München ein Austragungsort sein soll, würde mich interessieren, wie die Bundesregierung zu dieser Forderung des UEFA-Präsidenten steht.
SRS’IN DEMMER: Wir handeln mit unseren Empfehlungen und Beschlüssen immer lageabhängig. Das BMI als Sportministerium kann dazu vielleicht mehr sagen.
DR. LAMMERT: Dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Können Sie sagen, ob eine solche Forderung angesichts der aktuellen Situation verantwortungsvoll ist?
DR. LAMMERT: Das muss lageabhängig gesehen werden, wie, welches Spiel stattfinden kann, ich kann dazu jetzt keine Aussage treffen.
Bild: Boris Reitschuster
Text: br