Putins bombiger Auftakt "Putins Demokratur" – mein Bestseller jetzt kostenlos für Sie. Teil 5

Lesen Sie heute Teil 5 von „Putins Demokratur“. Warum ich Buch hier auf meiner Seite veröffentliche, können Sie hier in meiner Einleitung zum ersten Beitrag finden. 

Im Jahr 1999 zweifelt fast niemand daran, dass die Tage von Jelzin und seinem Clan gezählt sind. So nimmt es auch kaum jemand wichtig, als der alte, kranke Mann im August mit zittriger, lallender Stimme und aufgeblähtem Gesicht wieder einmal einen neuen Ministerpräsidenten präsentiert: den Blondschopf aus dem Petersburger Hinterhof, der sich mit Stärke ganz nach oben durchgeboxt hat: Wladimir Putin, als Chef des Geheimdienstes nur politisch Interessierten bekannt. Im Parlament machen sich die Abgeordneten über den Neuen lustig, sprechen ihn mit »Wladlenowitsch« an, eine Anspielung auf den aus »Wladimir« und »Lenin« zusammengesetzten, früher populären Vornamen Wladlen. Eine Zeitung bescheinigt Putin den »Charme eines getrockneten Haifischs«. Mit seiner bleichen, stets etwas gequält wirkenden Miene tritt Putin auf wie ein Schauspieler, der eine Rolle spielt, die ihm nicht behagt. Der Neue habe sich lange geziert, erinnert sich der Oligarch Boris Beresowski, damals einer der Königsmacher Putins, einige Jahre später dessen Intimfeind. Beresowski zufolge wäre Putin viel lieber Chef von Gazprom geworden, dem gigantischen russischen Gaskonzern. Ein Wunsch, den man ihm bis heute nachsagt.

»Der Neue« hat der Jelzin-Familie kurz zuvor seine Treue glaubhaft bewiesen: Als Generalstaatsanwalt Juri Skuratow 1999 plötzlich gegen die Familie des Staatschefs ermittelt, wird er von Geheimdienstchef Putin zu einem Treffen einbestellt. Der spielt ihm eine Video-Kassette vor, die einen dem Chefankläger auffallend ähnlich sehenden Mann mit zwei nackten jungen Damen in Posen zeigt, die mit einem hohen Amt kaum zu vereinbaren sind. Putin habe ihn vor die Wahl gestellt, berichtet Skuratow1: »Entweder du brichst die Ermittlungen ab – oder der Porno-Streifen läuft in den Nachrichten.« Nach dem Treffen mit Putin wird Chefankläger Skuratow mit einer Herzattacke in ein Krankenhaus eingeliefert. Weil er nicht klein beigibt, läuft der Streifen im Staatssender RTR. Tagesgespräch sind nun nicht mehr Korruption und Misswirtschaft, sondern die Sitten des Generalstaatsanwalts, der später zurücktreten muss. Der Direktor der staatlichen Medienanstalt WGTRK, deren Sender die anstößigen Bilder ausstrahlte, wird nach Putins Wechsel in den Kreml Kultusminister.

Als der greise Jelzin Putin kurz nach dessen Ernennung zum Ministerpräsidenten auch zu seinem Thronfolger ausruft, fassen die meisten Wahlforscher das als politisches Todesurteil für den Neuen auf: »Zar Boris« ist derart unbeliebt, dass sein Segen alles andere als imagefördernd ist. Bei Meinungsumfragen erzielt Putin Beliebtheitsraten knapp über dem Gefrierpunkt. Die meisten Wahlforscher sind sich einig: Nur ein Wunder oder eine Katastrophe kann noch die Wende bringen. Einige Wochen später kommt es zur Katastrophe: Im Dezember 1999 explodieren in Bujnaksk, Wolgodonsk und Moskau etliche Bomben in Wohnhäusern. Mehr als 300 Menschen sterben. Die Anschläge sind für die Russen, was der 11. September 2001 für die Amerikaner ist: ein gewaltiger Schock, eine Zeitenwende. Die Menschen sind in Angst und Schrecken, fühlen sich nicht mehr sicher in ihren Wohnungen. Niemand spricht mehr über Jelzins Vetternwirtschaft, die wirtschaftliche Misere, die Armut – alle reden von Terrorismus, von Gefahr fürs Vaterland. In den Medien werden Tschetschenen verdächtigt. Der neue Ministerpräsident Putin ist ständig im Fernsehen zu sehen und verspricht: »Ich werde die Terroristen auch auf dem Abort abmurksen.« Der kleine, schmächtige Junge aus dem Petersburger Hinterhof weiß, dass es auf Stärke ankommt. Und auf starke Töne. Er lässt russische Truppen in Tschetschenien einmarschieren: Es ist der Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges. Binnen weniger Wochen wandelt sich der unscheinbare Mann mit den kühlen Augen im Bewusstsein der Russen vom Ziehsohn des korrupten Jelzin-Clans zum Hoffnungsträger und Retter Russlands vor dem Terrorismus. Zweieinhalb Jahre später behauptet der inzwischen in Ungnade gefallene damalige Putin-Vertraute Boris Beresowski, der russische Geheimdienst habe die Bombenexplosionen inszeniert, um die innenpolitische Stimmung zugunsten Putins zu wenden. Triftige Beweise kann er nicht vorlegen. Doch es gibt eine lange Liste von Merkwürdigkeiten. So verkünden die Behörden in Rjasan bei Moskau am 22. September 1999 stolz, sie hätten eine Bombe in einem Wohnhaus gefunden und einen Anschlag verhindert. Doch als die Spuren der Ermittler plötzlich statt nach Tschetschenien zum Geheimdienst führen, heißt es, alles sei nur eine Übung gewesen. Einer der Anwälte, der die Opfer vor Gericht vertritt, kommt unter merkwürdigen Umständen selbst hinter Gitter. Mehrere Zeugen verschwinden spurlos. Solange die russischen Behörden die zahlreichen Verdachtsmomente nicht entkräften können, wird nicht zu widerlegen sein, dass der Geheimdienst in die Anschläge verwickelt war. Jedenfalls hätte Wladimir Putin ohne den Bombenterror und den Tschetschenien-Krieg, der ihm folgte, kaum zum Präsidenten Russlands aufsteigen können.

So aber klettert die Zustimmungsrate zu Putin kurz vor den Duma-Wahlen im Dezember auf mehr als 50 Prozent. Der Tschetschenien-Krieg ist das zentrale Thema im Wahlkampf; Kritik an Putin von der Opposition weist die Regierung als »unpatriotisch« zurück. Die neu gegründete Putin-Partei »Einigkeit« kommt mit 23,2 Prozent auf Platz zwei hinter den Kommunisten: Die politischen Rivalen klagen über massive Propaganda, Rufmordkampagnen und heftige Schützenhilfe der Behörden. Jelzins »Familie« veranlasst das Wahlergebnis zu einem ungewöhnlichen Schritt: 13 Tage nach der Wahl erklärt der greise Präsident am Silvestertag 1999 mit Tränen in den Augen seinen Rücktritt. Laut Verfassung hätte er bei den bevorstehenden Neuwahlen ohnehin nicht mehr kandidieren dürfen. So aber kann Putin Jelzins Nachfolge antreten und startet dadurch mit einem entscheidenden Vorteil in den Wahlkampf: Als geschäftsführender Präsident kann er nicht nur auf den in Russland enormen »Zaren«-Bonus setzen, sondern hat auch die gesamte Staatsmaschine unter Kontrolle – kein unwesentlicher Faktor in einem Land, in dem die sogenannten »administrativen Ressourcen« als wahlentscheidend gelten.

Putins Wahlkämpfer entwerfen das Image des früheren KGB- Oberstleutnants am Reißbrett. Ob man Waschpulver oder Politiker verkaufe, mache keinen großen Unterschied, sagt einer von Putins Beratern, ein Moskauer Werbefachmann, der zuvor Fernseher unter das Volk brachte. Die Pose ersetzt die Politik, die Show die Inhalte – eine Strategie, die sich Putins Wahlkämpfer wohl im Westen abgeschaut haben. Von Journalisten nach seinem Programm befragt, antwortet der Kandidat: »Das sag ich Ihnen nicht.« Was hierzulande ein Eigentor wäre, erweist sich in Russland als geschickter Schachzug: Vom Kommunisten bis zum Antikommunisten, vom Atheisten bis zum Orthodoxen – Putin ist für jedermann wählbar. Mit 52,9 Prozent der Stimmen gewinnt er im März 2000 die Präsidentschaftswahl; die Opposition wirft ihm Wahlfälschungen vor.

Mit seiner ersten Amtshandlung im Kreml macht Wladimir Putin schon am 31. Dezember 1999 deutlich, was das Hauptmotiv des Jelzin-Clans für die Übergabe der Macht ist: Der neue Interimsstaatschef garantiert seinem Vorgänger per Ukas völlige Straffreiheit, auch für die Zukunft; später lässt er den Erlass zum Gesetz machen. Putin ist der Garant dafür, dass die erweiterte »Familie« Jelzins für die mutmaßlichen Korruptionsvergehen, die sie begangen hat, nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Seit der ehemalige KGB-Offizier in Sankt Petersburg seinem früheren Chef, dem Bürgermeister Anatoli Sobtschak, auch nach dessen Abwahl eisern die Treue hielt und kurz vor Sobtschaks geplanter Festnahme offenbar sogar dessen Flucht nach Paris organisierte, gilt Putin als jemand, auf den Verlass ist. Vieles spricht allerdings dafür, dass die »Familie« als zusätzliches »Faustpfand« für Putins Treue kompromittierendes Material über den Präsidenten in Händen hält. Generalstaatsanwalt Skuratow erinnert sich später, dass Putin ihm, als er ihn mit den Pornoaufzeichnungen konfrontierte, sagte, auch gegen ihn selbst gebe es solches »Kompromat«.

Als Wladimir Putin an die Macht kommt, sitzt seit knapp einem Jahr ein neuer Hausherr im deutschen Bundeskanzleramt, der mit dem Anspruch angetreten ist, dass für »Saunafreundschaften« in den deutsch-russischen Beziehungen kein Platz sei: Gerhard Schröder hatte im Wahlkampf die enge Beziehung zwischen Helmut Kohl (CDU) und Boris Jelzin heftig kritisiert und einen nüchtern-pragmatischen Neuanfang angekündigt. Als Putin zunächst ins Moskauer »Weiße Haus« am Moskwa-Ufer und später in den Kreml einzieht, herrscht Eiszeit zwischen Deutschland und Russland.

Die Fortsetzung finden Sie in Kürze hier auf meiner Seite: 

Die Fortsetzung finden Sie in Kürze hier auf meiner Seite: Demokratie à la KGB – Andropows Zauberlehrlinge
Den vorherigen, vierten Teil – Die Herrschaft der Exkremente – finden Sie hier.
Den dritten Teil – Mit Stalin in die Zukunft – die verratene Revolution – finden Sie hier.
Den zweiten Teil – „Der Gas-Schock – Moskaus Warnschuss“ – finden Sie hier.
Den ersten Text der Buchveröffentlichung finden Sie hier

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