Von Kai Rebmann
Bisher hat sich der Rechtschreibrat unbeeindruckt gezeigt von dem Druck, der von einer kleinen, aber umso lautstärkeren Gruppe auf ihn ausgeübt wurde und wird. Erst im Juli hat das Gremium der sogenannten „gendergerechten Sprache“ erneut bei seiner jüngsten Sitzung in Eupen (Belgien) noch eine Abfuhr erteilt.
Über das genaue Abstimmverhalten der insgesamt 40 Mitglieder ist praktisch nichts bekannt, da die Sitzungen immer auch etwas von einem vatikanischen Konklave haben. Ein Grund für die bisherige Positionierung dürfte aber vor allem darin zu sehen sein, dass dem Rat eben nicht nur Deutsche angehören, sondern auch Experten aus Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Südtirol, Belgien und Luxemburg.
Am heutigen Freitag tritt der Rechtschreibrat in Mainz erneut zusammen – zum letzten Mal in der bisherigen Konstellation. Und eben deshalb könnte es mit der Aufnahme von Sternchen, Unterstrichen und Doppelpunkten in den allgemeinen Sprachgebrauch plötzlich viel schneller gehen als es zuletzt noch den Anschein hatte.
Diese Befürchtung äußerten zumindest die Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg (emeritierter Germanistik-Professor) und Ursula Bredel (Universität Hildesheim) in einer gemeinsamen Stellungnahme. Beide sind Mitglieder des noch amtierenden Rechtschreibrats, dessen Amtszeit sich dem Ende zuneigt.
‚Katastrophe‘ und ‚Anfang vom Ende‘ für deutsche Sprache
Die Kritik der Experten richtet sich konkret gegen eine von der Pro-Gender-Fraktion innerhalb des Rechtschreibrats ausgearbeitete Beschlussvorlage, wonach die Fantasie-Zeichen jetzt als offizielle „Sonderzeichen“ ins Amtliche Regelwerk der deutschen Sprache überführt werden sollen.
Kann man machen, muss man aber nicht, wird sich jetzt womöglich mancher denken, der darin eine salomonische Lösung sieht, mit der beide Seiten gut leben können. Vor diesem pragmatischen Ansatz warnen Bredel und Eisenberg in ihrem Schreiben aber ausdrücklich. Dort heißt es unter anderem: „Man möchte sie (die Gender-Zeichen) im nächsten Schritt zur Formulierung von Regeln verwenden können und wird sich dabei mit Sicherheit darauf berufen, dass diese Zeichen nun ja schon eine Weile im Regelwerk enthalten sind und keinerlei Schaden angerichtet hätten.“
Aber die Germanisten werden noch deutlicher: Bei der Vorlage handele es sich um ein „trojanisches Pferd“, mit dessen Hilfe diese Zeichen in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt werden sollen. Sind sie erst einmal etabliert, so würden sie sehr wohl Schaden anrichten. Die Gendersprache sei nicht weniger als eine „Katastrophe“ und der „Anfang vom Ende von der Einheitsschreibung des Deutschen“, so die Ratsmitglieder.
Torschluss-Panik in der Pro-Gender-Fraktion
Tatsächlich muss der Zeitpunkt für diesen Vorstoß überraschen. Weshalb will der Rechtschreibrat – oder zumindest Teile davon – ausgerechnet jetzt, wo nach dem gesellschaftlichen auch der politische Druck immer mehr zunimmt, doch noch in Richtung Gendern abbiegen?
Bredel und Eisenberg sehen darin jedoch keinen Widerspruch, ganz im Gegenteil. Es ist so etwas wie die letzte Chance, die Fantasie-Sprache doch noch durchzudrücken bzw. ihr den Weg für eine künftige Übernahme in den allgemeinen Sprachgebrauch zu ebnen. Immer mehr Bundesländer haben ein Verbot der Gendersprache in Schulen und Behörden bereits eingeführt, auf den Weg gebracht oder ein solches in Planung.
Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, namentlich ARD und ZDF, die das Gendern auf die Spitze und darüber hinaus treiben, sehen sich mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Zuletzt hatte eine aus mehr als 1.000 Sprachwissenschaftlern bestehende Gruppe bei den Rundfunkräten gegen das Gendern interveniert.
„Jetzt oder nie!“, scheint das Motto am heutigen Freitag in Mainz also zu lauten, wenn sich der Rechtschreibrat abermals mit dieser leidigen und – wenn man nach der Mehrheitsmeinung in der deutschen Bevölkerung geht – eigentlich längst beantworteten Frage auseinandersetzen wird.
Ideologie steckt zwischen den Zeilen
Konkret werden in der Pressemitteilung zur Vorlage, mit der die im Juli 2023 in Eupen gefassten Beschlüsse neu bewertet werden sollen, Genderstern, Unterstrich und Doppelpunkt als Beispiele für die in das amtliche Regelwerk zu übernehmenden Sonderzeichen angeführt. Wörtlich heißt es dazu (Auszug):
„Diese Wortbinnenbezeichnungen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie. Sie sollen eine über die formalsprachliche Funktion hinausgehende metasprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten – männlich, weiblich, divers – vermitteln. […] Sie gehen damit über Verkürzungsformen wie Bürger/-innen, die vom amtlichen Regelwerk bereits erfasst werden, hinaus. […] Bei den Sonderzeichen mit Geschlechterbezug soll jedoch eine metasprachliche Bedeutung transportiert werden. Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).“
Der Duden definiert „Metasprache“ wie folgt: „Sprache oder Symbolsystem, das dazu dient, eine andere Sprache oder ein Symbolsystem zu beschreiben oder zu analysieren; Sprache, mit der die Objektsprache (Sprache als Gegenstand der Betrachtung) beschrieben wird.“
Im Klartext: Metasprache ist und bleibt eine Symbolsprache – wie in der oben zitierten Mitteilung vom Juli 2023 noch richtigerweise festgestellt worden ist. Mit der Formalsprache bzw. Einheitssprache des Deutschen hat diese Symbolsprache wenig bis gar nichts zu tun. Etwas böser, aber dafür wohl umso treffender formuliert, könnte man „metasprachliche Bedeutung“ im vorliegenden Antrag auch mit „ideologische Bedeutung“ übersetzen. Die betreffenden Mitglieder des Rechtschreibrats werden sich also fragen lassen müssen, woher ihr rasanter Sinneswandel binnen nur weniger Monate rührt.
Vieles scheint deshalb dafürzusprechen, dass Ursula Bredel und Peter Eisenberg mit ihren Befürchtungen richtig liegen und die Pro-Gender-Fraktion innerhalb des Rechtschreibrates die letzte Sitzung vor dem turnusgemäßen Ende ihrer Amtszeit dazu nutzen wollen, um ein ganz besonderes Zeichen setzen zu wollen.
Denn die Geschichte lehrt uns: Wenn etwas mal eingeführt wurde – in diesem Fall die Fantasie-Zeichen der Gender-Community in den allgemeinen Sprachgebrauch – wird es nicht mehr rückgängig gemacht werden.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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