Von Gregor Amelung
Impfdurchbruch – ein Wort, das vor Corona beim RKI nicht die erste Wahl war. So steht im Fachwörterbuch „Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie“ des RKI von 2015 auf Seite 59: „Impfdurchbruch“ siehe „Impfversagen“. Folgte man diesem Hinweis, erfuhr man: „Impfversagen[:] (engl.: vaccine failure) Impfdurchbruch, Erkrankung trotz Schutzimpfung…“
Mit anderen Worten, das amtliche Wort beim Robert Koch-Institut lautete damals „Impfversagen“. Analog dazu sprach man auch von einem „Impfversager“, angelehnt an die englische Bezeichnung „Non-responder“: keine (Impf)Antwort.
Inzwischen benutzt man allerdings für den früheren „Impfversager“ zunehmend das Wort „Impfdurchbrecher“, das man vor Corona noch seltener verwendet hatte als den zuvor erwähnten „Impfdurchbruch“. So selten, dass man, wenn man „Impfdurchbrecher“ für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 1. März 2020 googelt, nur magere 2 Seiten an Suchergebnissen erhält.
‘Impfdurchbrecher‘ statt ‘Impfversager‘
Heute ist das anders. Heute gibt’s „Impfdurchbrecher“ sogar beim Westfalenblatt, der Ostfriesen-Zeitung oder bei Tagesschau.de. Und damit leistet man indirekt natürlich auch Überzeugungsarbeit, denn bei einem „Impfdurchbruch“ bekommt man auf der Meta-Ebene eine feste Schutzmauer gleich mitgeliefert, die das Virus erstmal durchbrechen muss. Bei einem „Impfversagen“ hingegen denkt man eher weniger an die Gefährlichkeit und Stärke des angreifenden Virus’, als vielmehr an die Wirkungslosigkeit des Impfstoffs. Eine Assoziation, die bei den Corona-Impfstoffen politisch-medial unerwünscht ist, denn sie würde an der Makellosigkeit des Prädikats „hochwirksam“ empfindlich kratzen.
Leise, still und heimlich
Seit dem Beginn der Impfkampagne Ende Dezember 2020 zählt das RKI die sogenannten Impfdurchbrüche und weist sie in „Täglichen Lageberichten“ Mitte der Woche aus (seit 22. Juli ausgelagert in den sogenannten „Wochenbericht“). Auf diese Weise hatte man bis zum 23. Juni 2021 insgesamt 4.747 Impfdurchbrüche gesammelt. Eine Woche später stellte man – heimlich, still und leise – die bisherige Datenerfassung bzw. die Präsentation der Daten um. Hatte man zuvor die Anzahl der Impfdurchbrüche „kumuliert seit 27.12.2020“ ausgewiesen, wies man sie nun „kumuliert seit 01.02.2021“ aus.
So wurden aus 4.747 Impfdurchbrüchen, zuzüglich derer aus der Folgewoche am 30. Juni, 3.608. Die Differenz von 1.139 Fällen hatte man unter den Teppich „kumuliert“.
Die nächste Bereinigung in der Statistik der Impfdurchbrüche erfolgt beim RKI drei Wochen später. Hatte man bis zum 12. August 2021 in den Berichten auch die Anzahl aller „COVID-19-Fälle mit vollständiger Impfung“ ausgewiesen, so verschwand diese Zahl ab dem 19. August aus der Tabelle. Zuvor waren vier der seit Ende Juli neuen „Wochenberichte“ des RKI allerdings mit eben dieser Zahl herausgekommen.
Zahl der „COVID-19-Fälle mit vollständiger Impfung“ verschwindet
Mit anderen Worten: Das RKI kennt die Zahl, hält es aber nicht länger für notwendig, sie zu veröffentlichen. Und das, obwohl hier nicht etwa Impfdurchbrüche in den zwei Wochen unmittelbar nach dem zweiten „Pieks“ gemeint sind, sondern Personen mit „abgeschlossener Impfserie und einem Mindestabstand von 14 Tagen zwischen Erkrankungsbeginn bzw. Diagnose nach der letzten Impfung“. Die hier aufgelistete Personengruppe ist somit nicht nur mit einer „vollständigen Impfung“ ausgestattet, wie es das RKI in seiner Tabelle in fetten Buchstaben schreibt, sondern die Gruppe hat den kompletten Impfschutz. Mehr geht nicht.
Das erfährt man allerdings erst, wenn man die Fußnote „a)“ studiert. Dort steht dann: „Anzahl der… COVID-19 Fälle mit abgeschlossener Impfserie und einem Mindestabstand von 14 Tagen zwischen Erkrankungsbeginn bzw. Diagnose nach der letzten Impfung“.
Dafür, dass man die Anzahl aller „COVID-19 Fälle mit vollständiger Impfung“ ab nun nicht mehr zu lesen bekam, entschädigte einen das Robert Koch-Institut in seiner Tabelle mit der Anzahl aller „symptomatischen COVID-19-Fälle“. Eine Maßnahme, die die Anzahl der ausgewiesenen Impfdurchbrüche darunter verschwindend klein erscheinen lässt. Vor allem in den Spalten, wo die Fälle „seit [der] KW 5“, also seit dem 1. Februar „kumuliert“, also aufaddiert sind.
Spezielle Definition eines Impfdurchbruchs
Darüber hinaus übernahm man aus der Definition die Begrifflichkeit des „wahrscheinlichen Impfdurchbruchs“ in die Tabelle, anstatt eine Fußnote zu benutzen oder darauf zu vertrauen, dass der Leser die extra in einem Rahmen gesetzte Definition auf der Seite zuvor gelesen und begriffen haben könnte. Diese Kosmetik hatte zwei Vorteile. Zum einen klingt es ein bisschen so, als wäre ein „wahrscheinlicher Impfdurchbruch“ nicht unbedingt ein tatsächlicher Impfdurchbruch. Somit könnte die Zahl der tatsächlichen Impfdurchbrüche kleiner sein als die der „wahrscheinlichen“.
Zum anderen fiel der „hässliche“ Hinweis aus der Tabelle raus, dass man hier nur die symptomatischen Impfdurchbrüche ausweist – und eben nicht alle. Denn Impfdurchbrüche bei einem symptomlosen, also asymptomatischen Verlauf werden vom RKI nicht als Impfdurchbruch gewertet. Damit drückte man zum einen die Impfdurchbrüche in den absoluten Zahlen, zum anderen schützt man sie vor dem direkten Vergleich mit den Zahlen, die man vor dem Einsatz der Corona-Impfstoffe erhoben hatte.
Asymptomatische „Impfdurchbrecher“ gibt’s nich’
Denn im Winter 2020/21 galt nach dem „Goldstandard“ eines positiven PCR-Tests jede symptomatische oder asymptomatische Person sowie jede Person, über deren Symptomatik das RKI keine Angaben hatte, als Corona-Fall. Und das obwohl es nur schwer vorstellbar ist, dass ein Mensch, der keinerlei Symptome verspürt, eine Viruslast produzieren kann, die für einen anderen Menschen infektiös ist.
Corona-Fall-Definition war gestern!
So hatten beispielsweise in den Kalenderwochen 50 und 51 (2020) nur 60 Prozent der Corona-Fälle nachweislich Symptome, trotzdem flossen auch die übrigen 40 Prozent in die Statistik mit ein. Das führte zu höheren Corona-Fallzahlen und das wiederum ließ die Impfungen dringlicher erscheinen, als sie realistisch betrachtet waren.
Jetzt, da die Impfstoffe da sind und sie sich im Winter 2021/22 beweisen müssen, dreht man beim RKI den Spieß um. Hatte man zuvor die Fallzahlen aufgeblasen, lässt man nun bei den Impfdurchbrüchen die Luft raus.
Dass das Robert Koch-Institut dabei gegen seine eigene Corona-Fall-Definition aus dem letzten Winter arbeitet, fällt in den deutschen Medien allerdings nicht weiter auf. Genauso wenig wie der Umstand, dass die „COVID-19-Fälle mit vollständiger Impfung“, die man als Normalo für die Anzahl der realen Impfdurchbrüche halten würde, seit über einem Monat aus den Berichten des RKI verschwunden sind.
Strenge Sachlichkeit
Und während die „Infizierten“, die Hospitalisierten, die „Verstorbenen“ und die Belegung der Intensivstationen noch und nöcher sowohl vom RKI als auch von den Medien in Grafiken mit Kurven oder Säulen aufbereitet wurden, sucht man nach einer derartigen visuellen Darstellung der „Impfdurchbrüche“ und ihrer Entwicklung vergebens. Sie werden auch nicht in Relation gesetzt, z.B. zu der Impfquote in der ausgewiesenen Bevölkerungsgruppe.
Das RKI arbeitet, wenn es um die „Impfdurchbrüche“ geht, mit geradezu spartanischer Sachlichkeit. Auch wenn man von „Impfdurchbrüche (symptomatisch)“ auf „Wahrscheinliche Impfdurchbrüche“ umstellt oder andere Änderungen vornimmt, bleibt man dieser strengen Sachlichkeit treu und verzichtet bewusst auf erklärende, erläuternde oder sonstige Hin- oder Verweise.
Über 8.000 Impfdurchbrüche in einer Woche
Und damit nun zu den Zahlen selbst, die das RKI bis zum 16. September 2021 zum Thema „Impfdurchbrüche“ veröffentlicht hat. In der Summe zeigen sie einen deutlichen Anstieg. Letzte Woche kamen alleine 8.348 Fälle hinzu. Das sind in etwa so viele, wie das RKI in den sieben Monaten vom 1. Februar bis 5. August 2021 alleine registriert hatte.
Obwohl 8.000 Impfdurchbrüche in nur 7 Tagen durchaus Fragen in Bezug auf die G2-G3-Regeln aufwerfen könnten, haben sie das bisher nicht getan. Wahrscheinlich, weil in den großen Medien ohnehin wenig Interesse vorherrscht, das Ausgrenzungspotential der G-Regeln zu hinterfragen.
Ansonsten lassen sich nur sehr begrenzt Rückschlüsse aus dem Anstieg der Impfdurchbrüche ableiten, denn die Impfquote war im betrachteten Zeitraum in der Altersgruppe 18 bis 59 und unter den Jugendlichen (12-17) nicht konstant. Bei den 18- bis 59-Jährigen lag sie beispielsweise Mitte Juli bei knapp 45 Prozent und stieg innerhalb von nur zwei Wochen um fast 10 Prozentpunkte an.
Deutlich konstanter ist dagegen die Impfquote in der Gruppe 60plus. Mitte Juli lag sie bei mindestens 72,7 Prozent (Ende 27 KW). In den folgenden zwei Monaten stieg sie nur noch moderat weiter an auf aktuell 84 Prozent (Ende 36 KW). Weitere Konstanz kommt dadurch hinzu, dass die Differenz (11,3 Prozent) in diesem Zeitraum ganz oder teilweise bereits den Impfschutz nach der 1. Dosis hatte (das 1-Dosis-Vakzin Janssen kann man hier vernachlässigen, da es in Deutschland eher selten verabreicht wird).
Trotz Impfschutz Verzehnfachung der Fälle
Insofern kann man den Impfstatus dieser Gruppe über den Zeitraum (KW 27-36) als nahezu gleich ansehen. Trotzdem – und das dürfte eigentlich nicht passieren – stieg der Anteil der Geimpften an den Impfdurchbrüchen von niedrigen 27,5 Prozent auf über 42,8 Prozent. Eine Zunahme um über 15 Prozentpunkte.
Noch klarer tritt der Anstieg in den absoluten Zahlen hervor, die selbstverständlich auch durch die allgemeine Zunahme der Corona-Fälle in der 7-Tage-Inzidenz getrieben werden. Von nur 493 Fällen (KW 27-30) ging es hoch auf 4.360 (KW 33-36). Damit hatten sich die Impfdurchbrüche – trotz stabilem Impfschutz – fast verzehnfacht.
Von den 4.360 Impfdurchbrüchen in der Altersgruppe 60plus mussten in den Kalenderwochen 33 bis 36 insgesamt 640 hospitalisiert werden, 93 auf der Intensivstation behandelt werden und 125 verstarben. Das entspricht rund 26 Prozent aller verstorbenen COVID-19-Fälle in diesem Alterssegment.
9 Wochen oder 2 Monate zuvor waren es im 4-Wochen-Zyklus KW 27-30 nur 41 Hospitalisierte gewesen mit einem Anteil von 16 Prozent. Das ist nur geringfügig weniger, als man jetzt aktuell bei den Hospitalisierten gemessen hat (19,4 Prozent), und spricht für die grundsätzliche Wirksamkeit der Impfung gegen einen schweren Krankheitsverlauf.
Virus zirkuliert auch unter Geimpften
Trotzdem und trotz der bisher äußerst geringen Anzahl der Impfdurchbrüche ist die rasante Zunahme der Zahlen beunruhigend, denn sie deutet daraufhin, dass der versprochene Impfschutz der Corona-Vakzine möglicherweise deutlich geringer ist, als bisher politisch-medial-wissenschaftlich propagiert worden ist. Darüber hinaus lässt sich immer weniger erkennen, wie man mit Impfstoffen, die so wenig gegen die Infektion selbst schützen können, die sogenannte Herdenimmunität herstellen will.
Das, was sich bereits in Israel abgezeichnet hat, scheint in den Zahlen nun auch in Deutschland angekommen zu sein: Das Virus kann auch unter Geimpften zirkulieren.
Wie man diese Erkenntnis mit den inzwischen fest installierten G2-G3-Regeln in Einklang bringen will, erscheint irgendwie rätselhaft – zumindest rechtlich. Darüber hinaus könnte man anhand der Zahlen annehmen, dass das Virus auch unter geimpften Kindern und Jugendlichen wird zirkulieren können. Eben das wäre ein weiterer Punkt, der dagegen spricht, die durch das Virus nahezu ungefährdeten Kinder und Jugendlichen zu impfen. Denn man würde sie dem Risiko möglicher Impfnebenwirkungen aussetzen, ohne den gesamtgesellschaftlichen (bzw. „epidemiologischen“) Nutzen zu erhalten, dass das Virus nicht mehr zirkulieren kann.
Fazit: Irgendwas stimmt hier nicht.
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Der Autor ist in der Medienbranche tätig und schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: ShutterstockText: Gast
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