Robert-Koch-Institut ändert Test-Strategie Lieferengpässe und Verzögerungen bei den Labors

Wenig beachtet von den großen Medien hat das Robert-Koch-Institut (RKI) seinen Kurs bei den Corona-Test radikal geändert. Bisher war die Testung auch von Menschen, die keinerlei Symptome zeigten, an der Tagesordnung. Nun verkündete die staatliche Institution, die maßgeblich die Corona-Politik der Regierung bestimmt, dass nicht einmal mehr alle Menschen mit akuten Atemwegs-Symptomen auf SARS-CoV-2 getestet werden können. Auf der Seite des RKI heißt es: „Im Rahmen der Anpassung an die Herbst- und Wintersaison erscheint es geboten, die Testkriterien für SARS-CoV-2-Infektionen anzupassen, um eine Überlastung von Arztpraxen, Eltern, Betreuungseinrichtungen etc. zu verhindern“.

Das Institut nähert sich damit dem an, was manche Kritiker seit langem fordern. Insbesondere die Testung von Menschen ohne Symptome war unter Fachleuten umstritten. In den „Grundüberlegungen“ des RKI heißt es nun:

  1. Testkapazitäten zur Diagnostik auf SARS-CoV-2-Infektion sollen effizient eingesetzt werden. Es ist nicht vorgesehen und nicht möglich, in der kommenden Herbst-/Wintersaison alle Personen mit ARE-Symptomatik (z.B. nur Schnupfen, Halsschmerzen) auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu testen.
  2. Testen dient nicht der Erfassung aller COVID-19-Fälle in Deutschland.
  3. Eine Nicht-Testungsempfehlung (d.h. nach Flussschema wird keine Testung empfohlen) impliziert nicht, dass die Person kein COVID-19 hat.
  4. Das klinische Bild von COVID-19 ist vielfältig UND kann anhand der klinischen Symptome nicht von anderen ARE (akuten Atemwegserkrankungen) unterschieden werden, aber es gibt spezifische Symptome, die – wenn sie auftreten – einen hohen Vorhersagewert für eine COVID-19-Erkrankung haben (Störung des Geruchs-und Geschmackssinns).
  5. Alle Personen mit respiratorischen (Atemweg-)Symptomen können potenziell an COVID-19 erkrankt sein und sollten den empfohlenen Verhaltensregeln folgen (z.B. Selbstisolierung).


Hier ist insbesondere bemerkenswert, dass demnach bereits ein Husten oder Schnupfen zur „Selbstisolation“ führen kann.

Anhand folgender Kriterien soll künftig entschieden werden, ob jemand getestet wird oder nicht:

  • Die Vulnerabilität der betroffenen Person oder deren Kontaktpersonen, also etwa, ob sie zur Risikogruppe gehört.
  • Symptome, etwa Husten oder Schnupfen sowie Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns.
  • Die so genannte „Expositionswahrscheinlichkeit“, also etwa Kontakt zu nachgewiesenen Covid-19-Fällen oder Rückkehr aus einem Risikogebiet.

Die genauen Kriterien, nach denen nun getestet werden soll, finden Sie unten im Anhang.

RKI-Vizepräsident Lars Schaade geht in der Erkältungssaison von potenziell drei Millio­nen PCR-Tests pro Woche aus, die angefragt werden könnten, wie das Ärzteblatt berichtet: „Alleine die durchschnittlichen ARE der vergangenen vier Jahre in den Kalenderwochen 38 bis 52 würden wöchentliche Kapazitäten von drei bis fünf Millionen Tests erfordern (bei Testung aller ARE), so das RKI.“

Reitschuster.de liegt ein Schreiben des „Labors Augsburg MVZ“ an eine Arztpraxis vor, in dem von Lieferengpässen die Rede ist. Diese führen demnach dazu, dass sich „die Ergebnisübermittlung erheblich verzögert kann.“ Weiter heißt es in dem Brief an den Arzt: „Wir bitten Sie deshalb, auf eine anlasslose Testung symptomloser Personen komplett zu verzichten“. Es wird explizit darum gebeten, nur in Ausnahmefällen auf einer schnellen Bearbeitung zu bestehen.

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Insofern spricht vieles dafür, dass das RKI mit seinem Kurswechsel aus der Not heraus handelte. Manche Beobachter sprechen bereits von einer „Kehrtwende“ in der Teststrategie. Interessant ist auch, dass die neuen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zumindest teilweise in Diskrepanz zur aktuellen Corona-Politik stehen. Die sieht etwa vor, dass Rückkehrer aus Risikogebieten einer zweiwöchigen Isolierung Zuhause entgehen können, wenn sie einen Test vorlegen. Wenn die Tests aber selbst für Menschen mit Symptomen knapp sind, drängt sich hier die Frage auf, ob da nicht ein ganz falscher Anreiz gesetzt wird.

Zum anderen stellt sich die Frage, ob nicht, wenn keine Menschen ohne Symptome mehr getestet werden, und dafür aber umgekehrt, vor allem solche mit schweren Symptomen, die Zahlen der positiv Getesteten heftig nach oben schnellen werden. Solange gemeinsam mit den Zahlen immer auf die Umstellung der Test-Strategie verwiesen würde, wäre dies kein Problem. Aber die Erfahrung der vergangenen Monate nährt Zweifel, ob so viel Transparenz geübt werden wird. Umgekehrt könnte es sein, dass mit der neuen Strategie weniger Tests durchgeführt werden, und somit auch insgesamt weniger „Positive“ zu vermelden sein werden. Dies könnte dann auch als Erfolg der strikten Corona-Politik bzw. des Lockdowns verkauft werden. 

Interessanter als die Zahl der positiv Getesteten ist der Anteil der positiven Fälle an den Tests, den das RKI immer nur Mittwochs in seinen Tagesberichten aufführt. In der aktuellsten gemeldeten Kalenderwoche 44  lag dieser Anteil bei 7,26 Prozent. Das ist fast der zehnfache Wert von Kalenderwoche 35 – aber immer noch unter dem Wert der Kalenderwochen 13, 14 und 15 (23. März bis 12. April). Während früher in den Mittwochs-Tagesberichten des RKI immer alle Kalenderwochen aufgeführt wurden und somit der Kontrast zu den Wochen mit den höchsten Werten im März und April ins Auge stach, so führt das RKI inzwischen die früheren, hohen Werte dort gar nicht mehr auf.


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Kriterien des RKI für die Tests:

Ein Test ist durchzuführen wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • Schwere respiratorische Symptome (bspw. durch akute Bronchitis oder Pneumonie, Atemnot oder Fieber)
  • Akute Hypo- oder Anosmie bzw. Hypo- oder Ageusie (Störung des Geruchs- und Geschmackssinns)
  • Ungeklärte Erkrankungssymptome und Kontakt (KP1) mit einem bestätigten COVID-19-Fall
  • Akute respiratorische Symptome jeder Schwere UND
    • Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe
      ODER
    • Tätigkeit in Pflege, Arztpraxis, Krankenhaus
      ODER
    • Erhöhter Expositionswahrscheinlichkeit, bspw. im Rahmen eines Ausbruchs, bei Veranstaltungen mit > 10 Personen in geschlossenen und unzureichend durchlüfteten Räumen und unzureichender Anwendung der AHA+L-Regeln
      ODER
    • Kontakt im Haushalt oder zu einem Cluster von Personen mit akuter ARE ungeklärter Ursache UND eine erhöhte COVID-19 7-Tages-Inzidenz (> 35/100.000 Einwohner) im Landkreis
      ODER
    • während des Zeitraums der Symptomatik bestand die Möglichkeit (Expositionssetting) einer Weiterverbreitung an viele weitere Personen
      ODER
    • weiterhin enger Kontakt zu vielen Menschen (als LehrerInnen, ChorleiterInnen, TrainerInnen, SexarbeiterInnen, etc.) oder zu vulnerablen Gruppen/Risikopatienten (in Familie, Haushalt, Tätigkeit)
  • Klinische Verschlechterung bei bestehender Symptomatik


Bild: Cryptographer/Shutterstock
Text: br

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