“Die Notlage besteht fort.”
Dieser Satz fiel im Landtag von Sachsen-Anhalt. Nicht 2021. Nicht 2022. Sondern wenige Wochen, bevor 2026 beginnt. Es ging nicht um Krieg, nicht um Stromausfälle, nicht um eine neue Gesundheitsgefahr. Sondern um die Fortführung eines Corona-Schattenhaushalts, in dem noch rund zwei Milliarden Euro liegen. Offiziell nennt sich das „Corona-Sondervermögen“. In Wirklichkeit handelt es sich um Schulden, die nur unter Notlagen-Klausel aufgenommen werden durften. Um die Mittel aus dem angeblichen „Sondervermögen“ weiter nutzen zu können, muss formal eine “außergewöhnliche Notsituation” bestehen. Also wurde sie kurzerhand beschlossen.
Was klingt wie ein Kabarettskript, ist offizielle Landespolitik. SPD, CDU und FDP (ja, die gibt es noch – zumindest in Magdeburg) stimmten dafür. Es sei notwendig, hieß es, um wichtige Investitionen nicht zu gefährden – etwa in neue Technik für Schulen und Hochschulen, in die Digitalisierung der Landesverwaltung und in die Krankenhäuser.
CDU-Finanzpolitiker Stefan Ruland versuchte die Quadratur des Kreises und sagte – nein, es ist keine Satire – bei dem Etikettenschwindel gehe es um die Zukunft des Landes. „Die Bewältigung einer solchen Krise endet nicht mit dem letzten Lockdown.“ Resilienz sei Teil der Krisenbewältigung, sagte Ruland. Eine faszinierende Kreativität.
Heftige Kritik übten an dem Beschluss die AfD, die Grünen und die „Linke“. „Kein anderes Land geht diesen Weg“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Olaf Meister, laut „Welt“. Es könne nicht der Ernst der Landesregierung sein, Digitalisierung als „Pandemieschaden“ zu deklarieren und so die Ausgaben zu rechtfertigen.
Meister sprach von Realsatire. Womit er noch freundlich war. Er hätte auch „Taschenspielertrick“ sagen können.
Und damit sind wir mitten im Thema.
Denn was sich hier abspielt, ist mehr als eine haushaltspolitische Spielerei. Es ist ein Beispiel für den modernen Umgang mit Sprache, vor allem in der Politik: Begriffe werden entkernt, umgedeutet, neu besetzt. “Notlage” meint heute nicht mehr das, was früher unter Not verstanden wurde. Sie ist zur Verwaltungsform geworden. Eine Kategorie, die man politisch aktiviert oder deaktiviert wie einen Lichtschalter.
Schulden heißen heute „Sondervermögen“. „Toleranz“ steht heute dafür, „falsche“ Meinungen zu verbieten. „Vielfalt“ steht dafür, noch noch eine Sichtweise zuzulassen. Und „Buntheit“ steht für Schwarz-Weiß-Denken und politische Monochromie. Wer den falschen kritisiert, ist „Rassist“. Wer Missstände benennt, „Nazi“. Und das wird gleichgesetzt mit „rechts“. Auch die Wirtschaft ist kaum besser: Wenn Firmen heute Geschäftsbedingungen und Service verschlechtern und Preise erhöhen, sprechen sie von einer „Verbesserung“.
In der DDR hieß es: Frieden ist die Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln. Heute könnte man sagen: Demokratie ist die Fortsetzung des Ausnahmezustands mit demokratischen Mitteln.
Denn diese Praxis hat System. Sie erinnert fatal an jene Doppelsprache, mit der man früher im Sozialismus den Ausnahmezustand zum Normalfall erklärte. Nicht, um die Menschen zu schützen, sondern um Handlungsfähigkeit für die Apparate zu sichern – und deren Privilegien.
Dass eine Corona-Notlage 2026 beschlossen wird, während niemand bis auf ein paar Ewiggestrige mehr Maske trägt, noch weniger Überlastung in Krankenhäusern droht als 2020 und nicht einmal Lauterbach neue Wellen verkündet, wäre in jedem funktionierenden Mediensystem ein Skandal.
Aber wir haben gelernt: Was wie ein Skandal aussieht, sollen wir als Staatsräson schlucken. Denn es wird zur solchen erklärt.
Die Medien? Berichten. Kommentieren kaum. Kritische Fragen: Fehlanzeige. Stattdessen liest man, es gehe ja um “Resilienzprojekte”, um Digitalisierung, um Klimaschutz und neue Schulklos. Wer könnte da gegen eine Notlage sein?
Die Antwort: Jeder, der Demokratie nicht als Kulisse versteht
Wie Sprache ihre Bedeutung verliert
Wir erleben eine Phase politischer Refeudalisierung. Begriffe wie “Demokratie”, “Notlage”, “Solidarität” oder “Respekt” sind nicht mehr Kommunikationsmittel, sondern Herrschaftsinstrumente. Wer sie anzweifelt, wird moralisch entwertet. Wer sie inflationär nutzt, darf Haushalte aufblähen, Kritiker ausgrenzen, Rechte einschränken.
In der DDR war alles für den Menschen – nur nicht mit dem Menschen. Heute ist alles demokratisch – auch wenn es faktisch an der Demokratie vorbeiläuft. Die Notlage wird nicht mehr an Realitäten gemessen, sondern daran, was man politisch durchsetzen will.
Wer so denkt, wird gebraucht
Der wahre Skandal ist nicht, dass ein Landtag so etwas beschließt. Der wahre Skandal ist, dass es funktioniert und er damit durchkommt. Dass kaum jemand widerspricht. Dass selbst kritische Stimmen zur Randnotiz werden. Und dass niemand fragt, ob es vielleicht ein Missbrauch demokratischer Instrumente ist, wenn man sich Notlagen schafft, um sich Handlungsmacht zu sichern.
Oder mit anderen Worten: Wenn der Ausnahmezustand zum Regelfall wird, ist die Demokratie nicht mehr das, was sie sein sollte – eine Abwehrformel gegen Machtmissbrauch – sondern ein Betriebssystem für die Exekutive.
Sachsen-Anhalt ist damit kein Einzelfall. Sondern ein Menetekel.
Und wir wissen aus der Geschichte: Wer eine Notlage braucht, findet auch eine.
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