Mantel des Schweigens nach Polizei-Gewalt bei Corona-Demo Tod älterer Dame nach Brutalo-Einsatz der Polizei: Ermittlungen eingestellt

Ein Gastbeitrag von Ingve Stjerna

Der Fall hatte im August 2022 für Entsetzen gesorgt. Boris Reitschuster hatte als einer der wenigen ausführlicher über ihn berichtet: Eine im April 2021 im Rahmen einer sog. „Corona“-Demonstration in Berlin gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch die Berliner Polizei in harscher Manier behandelte und abgeführte, gesundheitlich offensichtlich beeinträchtigte ältere Dame war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin kurze Zeit darauf verstorben. Bei ihrer Obduktion war unter anderem eine Gehirnblutung festgestellt worden.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte gegen die Polizisten, die sie abgeführt hatten, insbesondere wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, hatte das Ermittlungsverfahren jedoch eingestellt, weil „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ habe festgestellt werden können, dass polizeiliches Handeln den Tod der Frau verursacht hat. Also eine Entscheidung „im Zweifel für den Beschuldigten“ („in dubio pro reo“) zugunsten der Polizisten. Davon abgesehen, habe die ältere Dame die Polizisten attackiert, weshalb ihre Behandlung auch „rechtmäßig“ gewesen sei.

Ich hatte im Mai 2021 Strafanzeige gegen die handelnden Polizisten wegen Körperverletzung im Amt erstattet, vom Tod der Frau wusste ich zu diesem Zeitpunkt nichts. Dieser war überhaupt erst aufgrund des Einstellungsbescheids der Staatsanwaltschaft Berlin bekannt geworden. Ich habe seit der Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Juli 2022 versucht, deren Wiederaufnahme und die Aufklärung der Todesumstände zu erreichen.

Im Ergebnis bislang leider ohne Erfolg.

Die weitere Entwicklung der Angelegenheit nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Berlin wird nachfolgend nur kurz zusammengefasst, um den Rahmen nicht zu sprengen. Für die Einzelheiten verweise ich auf die ausführliche Dokumentation auf meiner Website, wo auch die wesentlichen Teile des entsprechenden Schriftverkehrs abrufbar sind.

Alle Beschwerden gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zurückgewiesen

Zunächst wies die Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Oktober 2022 meine Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung ebenso zurück wie nachfolgend im Januar 2023 die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin unter der damaligen Justizsenatorin Kreck (Die LINKE) meine weitere Beschwerde gegen die besagte Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft.

Im Zuge der Beschwerdeverfahren wurde aus der ursprünglichen Verfahrenseinstellung „in dubio pro reo“ plötzlich eine solche wegen erwiesener Unschuld der beschuldigten Polizisten. Denn ein kausaler Zusammenhang zwischen den zur Anzeige gebrachten Ereignissen und den bei der Frau festgestellten Verletzungen konnte nach Ansicht der befassten Behörden „nicht festgestellt“ werden. Auffällig hierbei war bereits, dass offenbar keinerlei vor Ort anwesende Zeugen vernommen worden waren, sondern nur die beiden beschuldigten Polizisten, wobei sich zwischen deren Angaben und der Dokumentation des Vorgangs in öffentlich verfügbaren Videoaufnahmen bereits Diskrepanzen ergaben. Anstoß nahmen die Ermittlungsbehörden hieran nicht.

Zudem hat sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch die Senatsverwaltung weite Teile des Beschwerdevortrags unberücksichtigt gelassen und die Würdigung der Beschwerden mehr oder weniger „in freier Rechtsfindung“ vorgenommen. Dabei endete deren Prüfung des Sachverhalts jeweils mit der Einlieferung der älteren Dame an der sog. „Bearbeiterstraße“ der Polizei, wo das öffentlich verfügbare Videomaterial stoppt und nachfolgend ihre Identität festgestellt wurde. Was dort möglicherweise geschehen ist, ließen alle beteiligten Ermittlungsbehörden – trotz meiner wiederholten Aufforderung in den Beschwerden, diese Frage aufzuklären – vollständig unbeachtet.

Merkwürdigerweise blieb bis zuletzt ebenfalls offen, welche Handlung der beschuldigten Polizisten die Ermittlungsbehörden überhaupt auf die Verursachung einer fahrlässigen Tötung der Frau untersucht haben, denn zumindest in dem öffentlich verfügbaren Videomaterial ist eine potentielle Tötungshandlung nicht zu erkennen. Weshalb hat die Staatsanwaltschaft dann wegen fahrlässiger Tötung ermittelt? Und im Hinblick auf welches Verhalten? Diese Frage hatte ich in meinen Beschwerden ausführlich thematisiert, eingegangen sind die Behörden auch hierauf nicht.

Die Berliner Landespolitik duckt sich weg

Auf politischer Ebene bestand ebenfalls kein Interesse an einer Thematisierung des Todes der älteren Dame gegenüber der Landesregierung, damals gestellt von einer Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE. Auf entsprechende Schreiben an die damalige Opposition im Berliner Senat im Januar 2023, namentlich an die CDU-, FDP- und AfD-Fraktion, erfolgte nur seitens der CDU überhaupt eine Antwort. Diese teilte mit, man könne sich „aus Gründen der Gewaltenteilung (…) nicht mit Ermittlungsverfahren befassen“ und offenbarte damit eine bemerkenswerte Unkenntnis des Grundsatzes der Gewaltenteilung, zu dem gerade die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative elementar gehört. Die Fraktionen der FDP und der AfD antworteten erst gar nicht.

Die Staatsanwaltschaft Berlin verweigert jegliche Auskünfte aus der Ermittlungsakte

Parallel zu den Beschwerden hatte ich die Staatsanwaltschaft Berlin zu verschiedenen Fragen hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens und der älteren Dame nach den Paragraphen 475 und 479 der Strafprozessordnung um Auskunft aus den Ermittlungsakten gebeten. Obwohl es sich durchweg um eher allgemeine Fragen handelte, z. B. solche betreffend die interne Zuständigkeitsverteilung der Staatsanwaltschaft Berlin, wurde jegliche Auskunft verweigert. Wie bereits bei den Beschwerden bezüglich der Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu beobachten, erfolgte auch hier keine nähere inhaltliche Befassung mit dem Vorbringen in den entsprechenden Anträgen, das den Zugangsanspruch ausführlich begründet hatte.

Die hiergegen beantragte gerichtliche Entscheidung führte im Juni 2023 zu einer Bestätigung der Auskunftsverweigerung durch das Amtsgericht Tiergarten. Dieses behauptete, der Auskunftsantrag sei damit begründet worden, die Auskünfte sollten „einem interessierten Personenkreis zur Kenntnis gebracht“ werden, was „ersichtlich nicht Sinn der Vorschrift“ sei. Tatsächlich war in dem Auskunftsantrag von einer Veröffentlichung der Angaben bereits keine Rede gewesen, sondern von einer Verwendung der Angaben im Rahmen der Berichterstattung, was deren Veröffentlichung natürlich nicht unbedingt erfordert. Selbst eine bestehende Veröffentlichungsabsicht dürfte eine vollständige Auskunftsverweigerung allerdings kaum rechtfertigen.

Die bislang letzte Episode: Bestätigung der Auskunftsverweigerung durch das Landgericht Berlin

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten hatte ich daher im September 2023 Beschwerde eingelegt. Prozessrechtlich hat das Amtsgericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung zu korrigieren, anderenfalls muss es die Beschwerde innerhalb von drei Tagen dem Beschwerdegericht, hier dem Landgericht Berlin, vorlegen. Zunächst war über den Verfahrensstand keinerlei Auskunft zu erhalten, wiederholte Anfragen blieben unbeantwortet.

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Erst auf ein Schreiben an den Präsidenten des Amtsgerichts Tiergarten erfolgte Anfang 2024 die Rückmeldung, die Beschwerde sei im Oktober 2023 dem Landgericht Berlin vorgelegt worden. Weshalb es zuvor nicht möglich war, dies, ggf. auf eine der Sachstandsanfragen, mitzuteilen, bleibt unklar.

Kurze Zeit später übermittelte das Landgericht seine Beschwerdeentscheidung, in der es die Auskunftsverweigerung als rechtmäßig bestätigte. Als maßgeblichen Grund teilte es mit, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die beabsichtigte Berichterstattung „im Rahmen der Aufgaben des Empfängers“ als Rechtsanwalt liege. Was diese Aufgaben nach Ansicht des Landgerichts sind und weshalb es beispielsweise nicht Bestandteil der gesetzlichen Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege sein soll, über den Fall eines womöglich infolge polizeilichen Handels verstorbenen Menschen und mögliche Mängel der diesbezüglichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu berichten, bleibt unklar.

Fazit

So breiten alle in den Vorgang involvierten Behörden und Institutionen in trauter Einigkeit den Mantel des Schweigens über den Tod der älteren Dame und die diesbezüglichen Umstände – eine schmerzhafte, aber gleichwohl wertvolle Erkenntnis im Hinblick auf den Zustand des deutschen Rechtsstaats.

Ruhe in Friede, liebe ältere Dame.

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Dr. Ingve Björn Stjerna ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Als kritischer Beobachter staatlichen Verhaltens engagiert er sich seit einiger Zeit für die Wahrung der Grundrechte und rechtsstaatlicher Standards. Für Aufsehen sorgte er im Jahr 2020 mit einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde, aufgrund derer erstmals überhaupt die deutsche Ratifikation eines internationalen Übereinkommens für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde.

Bild: Screenshot Youtube-Video Boris Reitschuster

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