Salto rückwärts beim WDR: Gender-Wende „Sprache ist kein Erziehungsmittel“

Ganz neue Töne in Sachen Gendersprache sind jetzt vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) zu hören. Der Sender, bei Spöttern „Rotfunk“ genannt, kündigte an, dass er auf Gendersternchen verzichten wird. Und zwar sowohl bei gesprochener Sprache als auch bei geschriebener. „Sprache ist schon etwas sehr Persönliches und deshalb wollen wir sprechen wie unser Publikum“, versprach WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn am Montag.

Wenn eine bestimmte Form der Sprache abgelehnt werde, dann empfehle er seinen Kollegen: „Lasst es und wählt stattdessen etwas allgemein Gebräuchliches“. Bei Rundfunkangeboten für eine jüngere Zielgruppe könne es allerdings Ausnahmen geben, so Schönenborn laut „JF“. Der WDR hatte eine Meinungsumfrage beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap zu dem umstrittenen Thema in Auftrag gegeben. Das wenig überraschende Resultat: „Für fast zwei Drittel der Menschen spielt gendergerechte Sprache danach kaum oder gar keine Rolle, das sind etwas mehr als vor zwei Jahren“, teilten die Meinungsforscher mit.

Während etwa 41 Prozent der Befragten sagen, das Thema sei für sie „gar nicht wichtig“, sagten 21 Prozent, sie fänden es „weniger wichtig“. Nur 16 Prozent gaben an, Gendersprache sei für sie „sehr wichtig“.

Hier die neue Fun-Kollektion!

Bemerkenswert ist hier die Art der Fragestellung. Denn statt zu fragen, „sind Sie für oder gegen gendern“, wird gefragt, ob das „gendern“ wichtig sei. Und das sind zwei unterschiedliche Fragen.

Ich hatte Ende 2020 eine exklusive Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut INSA zu dem Thema in Auftrag gegeben. Noch bevor eine Umfrage nach der anderen dazu veröffentlicht wurde. Mehr als 2000 repräsentativ ausgewählte Menschen sollten dabei per Telefon und online ihre Einstellung zu folgender These angeben:

Es ist richtig, wenn in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegendert wird (beispielsweise Zuschauer*innen). Hier die Antworten:

41 Prozent der Befragten hielten es nicht für richtig, wenn in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegendert wird. Richtig halten dies 23 Prozent und 26 Prozent wissen nicht, wie sie dazu stehen.

Das zeigt, dass trotz oder wegen der unterschiedlichen Fragestellung in der ARD-Umfrage und meiner die Ablehnung der Gender-Sprache in den vergangenen zwei Jahren noch einmal deutlich gestiegen ist. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass sie immer exzessiver und aufdringlicher eingesetzt wird.

Der Verein Deutsche Sprache, der sich für den Erhalt des Deutschen als Kultursprache einsetzt, forderte den Öffentlich-Rechtlichen mit Blick auf die Umfrage zu einer anderen Sprachpolitik auf. „Der ÖRR wäre gut beraten, wenn er das auch umsetzt und die Sprache seiner Hörer und Zuschauer nutzt“, so der Verein laut „JF“.

‚Sprache kein Erziehungsmittel‘

Bemerkenswert ist, dass nun auf einmal auch WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg auf Distanz zum Gendern geht. „Was heißt das in der Praxis, was heißt es für unsere Nachrichten? Wir werden auch weiterhin die gesprochene Genderlücke nicht verwenden“, schreibt er auf der WDR-Internet-Seite. Und schlägt dann Töne an, die bisher als Ketzerei galten: „Sprache ist kein Erziehungsmittel“. Sie diene „der Verständigung und nicht der Verhinderung von Verständigung, indem Gräben ausgehoben und Hürden aufgestellt werden. Sprache ist die gemeinsame Basis, nicht ein Instrument der Unterscheidung und Abgrenzung.“

Ich traute meinen Augen kaum, als ich das las. Was ist nur mit dem WDR los? Woher kommt diese 180-Grad-Wende? Einsicht ist es jedenfalls nicht. Denn Chefredakteur Brandenburg zeigt sich – trotz einiger guter Ansätze in seinem Kommentar – GEZ-typisch patzig: „Wenn Friedrich Merz uns, den Öffentlich-Rechtlichen, unterstellt, wir wollten Gendern vorschreiben, dann verkennt er: Ein großer Teil der Gesellschaft ist inzwischen woanders. Nicht bei Verweigerung und nicht bei Erziehung. Sondern bei einem unverkrampften Mittelweg.“

Wie bitte?

In welcher Welt lebt Brandenburg? Erlebt er irgendwo außerhalb des polit-medialen Komplexes einen „Mittelweg“ beim Gendern?

Wenn Einsicht als Motiv ausfällt, was erklärt die Wende dann? Dass die Gebühren-Journalisten ihre Felle davonschwimmen sehen? Dann wäre es in der Tat leichter, beim „Gendern“ einzuknicken als bei der völlig einseitigen, stramm rotgrünen Berichterstattung.

PS: Erst nach dem Schreiben dieses Beitrags fiel mir auf, dass Brandenburgs Formulierung verräterisch ist. Er schreibt: „Sprache ist kein Erziehungsmittel“. Das ist – im Sinne von Freud – in meinen Augen verräterisch. Richtig wäre es gewesen zu schreiben: Wir als öffentlich-rechtliche Sender sind keine Erzieher unserer Gebührenzahler. So aber ist die Aussage: Wir dürfen nicht mit Sprache erziehen. Was zwingend die Frage aufwirft: aber mit anderen Mitteln schon – etwa durch eine belehrende „Haltungs“-Berichterstattung?

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