Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Kritik an dem Kurs der Bundesregierung und Berichte über die Probleme mit der Beschaffung von Schnelltests zurückgewiesen. „Von diesen Schnelltests sind mehr als genug da. Jedes Testzentrum kann bestellen, die Hersteller sagen, dass ihre Lager voll sind.“ Einige Hersteller hätten mitgeteilt, sie würden es schaffen, 20 Millionen Selbsttests pro Woche herzustellen. Weiter sagte Spahn: „Ich biete mich als Kontaktbörse an.“ Er werde jedem Ministerpräsidenten helfen, etwa für Schulen, Schnelltests zu beschaffen. Er wolle danach aber keine Vorwürfe hören, weil er selbst zum Telefon greife. Hier könnte man kritisch nachfragen: Ist die Organisation bei der Verteilung wirklich so schlecht, dass der Minister selbst sich als Kontaktbörse anbieten und telefonieren muss? Sollte so etwas in einem Industrieland nicht auf unterer Ebene lösbar sein?
Kurz darauf sagte Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, in der gleichen Bundespressekonferenz, es seien im Moment noch nicht genügend Schnelltests da, um allen Menschen einen anzubieten. Ich fragte nach dem Widerspruch zwischen seiner Aussage und der des Ministers. Laumann antwortete: „Ich glaube nicht, dass das Material das Problem ist. Sondern: Wo kommen die Menschen her, wie kann man es durchführen.“ Ich fragte Spahn auch, ob es inzwischen Daten gebe über den Anstieg von psychischen Problemen in Folge der Corona-Maßnahmen – bei meiner letzten Frage vor vier Wochen fehlten diese noch. Spahn sagte, man müsse hier auf Abrechnungsdaten aus dem Gesundheitswesen warten, und verwies auf Wieler, der aktuellere Angaben haben könnte. Wieler sagte, es gebe erste Daten, die darauf hinweisen, dass etwa bei Kindern und Jugendlichen ein erhöhter Bedarf an psychologischer Behandlung vorhanden sei. Konkrete Angaben gebe es aktuell noch nicht. Diese würden aber später eintreffen und dann auch transparent vorgelegt.
Spahn wurde auch noch einmal nach der Causa Nüßlein gefragt – dem CSU-Bundestagsabgeordneten wird vorgeworfen, Bestechungsgelder für die Vermittlung von Masken-Deals kassiert zu haben. Vor dem Ermittlungsverfahren hatte sich Nüßlein als einer von ganz wenigen Abgeordneten offen gegen die Verlängerung des Lockdowns ausgesprochen. Unter anderem soll Nüßlein auch mit dem Gesundheitsministerium in Kontakt gewesen sein. Spahn hatte vergangene Woche auf der Bundespressekonferenz gesagt, er müsste sich erkundigen, was konkret im Falle Nüßlein geschehen sei. Heute sagte der Minister, bei der Maskenbeschaffung habe es keinen Überblick über die Hersteller gegeben. Darum seien solche Fälle überhaupt möglich. Auch aktuell erhalte er bei den Selbsttests viele Angebote. Jetzt gebe es aber anders als damals einen Überblick über die Hersteller. Wegen laufender Ermittlungen könne er nichts Detailliertes sagen.
Der Chef des Robert-Koch-Instituts Wieler wurde gefragt, warum der erhöhte Anteil von Migranten unter den Corona-Intensivpatienten, von dem er gesprochen habe, Tabu sei. Der Behördenchef antwortete, solche Zahlen lägen nicht vor, es handle sich um einzelne Angaben von Ärzten. Auf die konkrete Frage, warum das Thema ein Tabu sei, antworteten weder Wieler noch Spahn, stattdessen wichen sie in ihren Antworten aus. Auf die Frage, ob geplant sei, Daten zum Migrantenanteil an den Patienten in den Intensivstationen zu erheben, um mögliche Probleme zu erkennen, sagte Spahn, das sei aktuell nicht geplant.
Taskforce ein Affront?
Auf die Frage, ob der Einsatz der Taskforce ein „Affront“ gegen ihn sei, antwortete der Minister, das sehe er nicht so: „Im Prinzip heißt Taskforce ja nichts anderes als Arbeitsgruppe. Und wir machen jeden Tag nichts anderes, das ist das Selbstverständlichste der Welt.“ Spahn sagte, die Inzidenzzahlen stagnierten oder stiegen leicht: „Es stecken sich wieder mehr Menschen mit dem Virus an, das ist leider Realität. Wie passt das mit den Lockerungsschritten zusammen? Es ist das Bedürfnis, Balance zu finden.“ Die Regierung gehe an die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die gesundheitlichen Risiken zu verantworten sei.
RKI-Chef Wieler sagte, die frühere „gewisse Zurückhaltung bei dem Impfstoff“ von AstraZeneca gehe zurück: „Die Aufklärung fruchtet.“ Wieler berichtete, fünf Prozent der Menschen in Deutschland hätten die erste Impfung, knapp drei Prozent bereits die zweite Impfung. In den Altersgruppen, in denen geimpft werde, gingen die Inzidenzzahlen zurück. Allerdings nicht die Zahl der Todesfälle. Die Inzidenzen bei den Unter-80-Jährigen stiegen wieder an, so Wieler. Das sind Signale einer Trendumkehr, gleichzeitig breiten sich die noch ansteckenderen Varianten weiter aus, insbesondere B117, das aus Großbritannien stammt. In der letzten Woche hatte es einen Anteil von über vierzig Prozent.“ Es sei absehbar, dass B117 bald die vorherrschende Variante in Deutschland sein wird: Dann werde es noch schwieriger, denn B117 sei ansteckender und gefährlicher als die bisherige Form des Virus. „Ich wiederhole mich ja gerne“, mahnte Wieler: Es liege in unseren Händen, wie es mit dem Virus weiter gehe. Die Impfstoffe wirkten, so der Behördenchef: „Die Impfstoffe sind zugelassen, sie sind sicher und wirksam“.
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Bild: Boris Reitschuster
Text: br