Wer auch nur zaghaft auf den schwedischen Weg ohne Lockdown und harte Maßnahmen als Alternative zum autoritären deutschen Durchgreifen in Sachen Corona verwies, musste damit rechnen, schnell als Verschwörungstheoretiker diffamiert oder der Desinformation bezichtigt zu werden. Was durchaus eine gewisse innere Logik hat: Denn die neu erwachte Liebe von Medien und Politik zum Autoritären in der Bundesrepublik steht und fällt mit dem Gegenbeispiel Schweden: Wenn das skandinavische Land mit seinen sehr beschränkten Maßnahmen, die nicht einmal eine Maskenpflicht vorsehen und keine Schulschließungen, nicht schlechter durch die Corona-Krise kommt als Deutschland, dann steht die Corona-Politik unserer Bundes- und Landesregierung fast so nackt da wie der Kaiser in Andersens Märchen.
Und jetzt das: Selbst die großen Medien kommen um das Tabu-Thema, das ich hier mehrfach aufgegriffen habe, nicht mehr herum – zu offensichtlich ist die Diskrepanz. „Hohe Todeszahlen: Vergleich mit Schweden weckt Zweifel an hartem deutschen Lockdown“ titelt Focus Online. Ausgerechnet das Medium, das bekannt ist für eine eher altruistische Ausrichtung in Sachen Corona. Und bei dessen Mutterverlag Burda der Ehemann von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Daniel Funke, das Berliner Büro leitet. Zugespitzt könnte man also sagen, das Thema Corona bleibt dort innerhalb der Familie. Umso bemerkenswerter ist dieser neue Beitrag. Wobei man dazu sagen muss, dass viele private Medien zwar tendenziell zu Alarmismus neigen – aber, quasi als Feigenblatt-Funktion, auch immer wieder mal im „Kleingedruckten“ kritische Stimmen zu Wort kommen lassen (auf Focus-Online werden etwa „Öffnungsorgien“ beklagt, weit oben und viel sichtbarer als der Schweden-Beitrag).
Ich beschränke diese Aussage bewusst auf private Medien, da bei den öffentlich-rechtlichen eine weitgehende Gleichtaktung herrscht. SWR-Intendant Kai Gniffke etwa sagte ganz offen, dass man entschiedene Kritiker der Corona-Politik nicht zu Wort kommen lasse („keine strittigen Thesen zu Corona„) – eine Pervertierung der Ausgewogenheitspflicht, die eine der Grundlagen für die Gebühren-Finanzierung ist.
Aber zurück zu dem bemerkenswerten Focus-Artikel. Dort heißt es: „Seit vier Monaten ist Deutschland im Lockdown. Trotzdem sind bislang mehr als 70.000 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl sind das ähnlich viele wie in Schweden – ein Land, das nie einen Lockdown hatte. Ein Zeichen dafür, dass die strengen Maßnahmen hierzulande nur wenig genützt haben?“ Es zeige sich, heißt es weiter, „dass in Schweden trotz offener Gastronomie, offenem Handel und offenen Kitas und Schulen bisher ähnlich viele Menschen im Zusammenhang mit Corona verstorben sind, wie in Deutschland.“
Schweden verzeichne „zwar auch einen deutlichen Anstieg der Todeszahlen in der zweiten Welle, aber gerade die Entwicklung zu Beginn von 2021 zeigt, dass das skandinavische Land seit Anfang Februar kontinuierlich unter den deutschen Todeszahlen liegt. Trotz des harten Lockdowns, der bei uns herrscht, verlaufen die Kurven sehr ähnlich. Lag der Wert pro eine Million Einwohner in Deutschland am 1. Februar noch bei 8,41, war er zu diesem Zeitpunkt schon in Schweden niedriger: nämlich bei 8,29.“
Eine aktuelle Studie der Universität Uppsala in Schweden zeigt dem Bericht zufolge, dass offene Schulen nur einen kleinen Einfluss auf das gesamte Infektionsgeschehen hätten. Waren also die Schulschließungen mit ihren weitreichenden Folgen in Deutschland unnötig? In dem Bericht ist dann allerdings auch von „Harter Kritik am eigenen Kurs in Schweden“ die Rede. Die Kritik am eigenen Sonderweg wachse: „So fordern viele Wissenschaftler schon seit Wochen härtere Maßnahmen. Manche sogar einen harten Lockdown. Auch außerhalb wissenschaftlicher Kreise kippt die Stimmung gegen die staatliche Gesundheitsbehörde und den Chefepidemiologen Anders Tegnell, der laut Medienberichten sogar Morddrohungen erhalten soll. „Dass auch Schweden seine Lauterbachs hat, verwundert indes nicht. Belege für den „Stimmungsumschwung“ werden nicht genannt“.
Weiter heißt es in dem Bericht: „Denn gerade zu Anfang des Jahres stiegen die Fälle der Neuinfektionen auf Höchstniveau an. Der Peak erfolgte am 11. Januar laut Daten der John Hopkins Universität mit einem Wert von 736,86 pro einer Million. Bereits seit November liegt Schweden diesbezüglich weit über den Werten in Deutschland.“ Aber genau das spricht eigentlich für den schwedischen Weg: Denn harte Maßnahmen können ja nicht durch positive Tests als solche gerechtfertigt werden – sondern nur durch tödliche Gefahr. Und Schweden zeigt den vorliegenden Daten zufolge, dass auch eine höhere Anzahl von positiven Tests ganz offensichtlich nicht zu einer höheren Anzahl von Toten führt.
Entscheidend ist deshalb, wie auch in dem Focus-Bericht aufgeführt wird, der Schutz verwundbarer Gruppen, also etwa der Hochbetagten: „Zumindest konnten die Maßnahmen nicht verhindern, dass seit November über 59.000 Menschen gestorben sind. Das liegt vor allem daran, dass die Gruppe, die am meisten Schutz gebraucht hätte, auch am meisten betroffen war: nämlich Menschen in Alten- und Pflegeheimen.“ Das Fazit, das bei Focus Online so gar nicht ausgesprochen wird, aber in der Luft liegt: Es spricht sehr viel für ein Regierungsversagen. Statt die vulnerablen Gruppen zu schützen, hat die Regierung das Leben weitgehend mit verheerenden Folgen lahmgelegt – die es in Schweden bei gleichen Todesraten nicht gibt.
Text: br
[themoneytizer id=“57085-2″]
[themoneytizer id=“57085-1]