Shani Louk und die deutsche Israel-Politik Nichts außer Leerformeln

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld

Seit gestern ist es Gewissheit: Die Deutsch-Israelin Shani Louk ist tot. Sie gehörte zu den Gästen des Musikfestivals Supernova, das am 7. Oktober von den Terroristen der Hamas überfallen und zu einer Hinrichtungsstätte gemacht wurde. Shanis Körper wurde dann mit grauenhaft verdrehten Beinen auf einem Truck unter Allahu-Akbar-Rufen als Trophäe durch Gaza gefahren, bespuckt und an den Haaren gezerrt. Man kann nur hoffen, dass sie da schon tot war, sodass sie ihre Enthauptung nicht mehr erleben musste. Das Schweigen der deutschen Regierung zu Shanis Tod, besonders das der Außenministerin, ist dröhnend. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen antwortete das Auswärtige Amt, man bitte um Verständnis, dass man sich nicht zu „Einzelfällen“ äußern könne. Nur dass eine weitere Person mit deutscher Staatsangehörigkeit durch Terrorattacken der Hamas gestorben sei, wurde bestätigt.

Perfiderweise war nach den aufsehenerregenden Bildern von Shanis Martyrium ihrer Familie von Unbekannten mitgeteilt worden, die junge Frau lebe noch und befinde sich in einem Krankenhaus in Gaza. Es ist unvorstellbar, was die Familie, besonders Shanis Mutter, die danach wochenlang hoffte, dass Shani noch am Leben sei, durchmachen musste.

In den Wochen der Hoffnung hatte sich die Mutter auch an die deutsche Regierung gewandt, denn Shani besaß auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie musste erleben, dass es im Auswärtigen Amt scheinbar endlose Diskussionen gab, ob man überhaupt zuständig sei. Währenddessen demonstrierte unsere Außenministerin, was die von ihr ausgerufene „feministische Außenpolitik“ bedeutet: keine Hilfe für Frauen in Not. Stattdessen weitere 50 Millionen finanzielle Hilfe für Gaza, obwohl man wissen muss, dass alles Geld, was nach Gaza fließt, der Hamas zugutekommt. Die zusätzlichen Millionen scheinen an keine Bedingung geknüpft worden zu sein, wie die Befreiung der Geiseln. Zwar hat sich Baerbock bei ihrem Besuch in Israel am 13. Oktober mit den Angehörigen der Geiseln getroffen. Bis dahin war offenbar nicht viel passiert. Den Familien war es ein großes Anliegen, der Außenministerin klarzumachen, „dass wir keine Zeit haben“. Unter den vermutlich Entführten befänden sich auch kleine Kinder und ältere Menschen, die medizinische Versorgung benötigten. Aber anschließend resümierte einer der Teilnehmer des Treffens, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung zwar zugesichert habe, das Gespräch mit Baerbock sei aber eine einzige „Polit-Show“ gewesen – die Familien darin lediglich „Statisten“. Obwohl sie ihrerseits alle Informationen mit den israelischen und deutschen Behörden teilten, fühlen sie sich „im Dunklen“ gelassen.

Nach diesem Treffen reiste Baerbock nach Ägypten weiter, wo die Ministerin an Israel appellierte, beim Kampf gegen die Hamas Rücksicht auf die humanitäre Situation zu nehmen. „Der Terror ist das Grundübel. Er muss bekämpft werden, sonst wird es keinen Frieden und keine Sicherheit geben.“ Aber Leid unter der Zivilbevölkerung in Gaza werde „nicht nur den Nährboden für neuen Terrorismus schaffen, sondern auch jegliche bisher erreichten Annäherungsschritte mit den arabischen Nachbarn der letzten Monate in Gefahr bringen“. Dieses terroristische Kalkül dürfe nicht aufgehen. Der Kampf richte sich gegen die Hamas, nicht gegen Palästinenser. Es wurde nicht berichtet, dass Baerbock sich dazu geäußert hätte, dass die Zivilbevölkerung von der Hamas als Schutzschild benutzt wird.

Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe seien zwei verschiedene Dinge, äußerte Baerbock gegenüber RTL/ntv. Sie halte es für fatal, diese Unterstützung einzustellen. Sie versicherte, es gebe keine Finanzierung von Terrorgruppen. Wie kann sie da sicher sein, nachdem bekannt wurde, dass die Hamas unter anderem von der EU gesponserte Wasserrohre zu Geschützrohren für ihre Raketen umfunktioniert hat, mit denen sie die israelische Zivilbevölkerung terrorisiert?

Die zusätzlichen 50 Millionen der Bundesregierung sind nicht das einzige Geld, das aus Deutschland nach Gaza fließt. Aktuell geht auch mehr privates Geld aus Deutschland nach Gaza.

In seiner Regierungserklärung vom Donnerstag, dem 12. Oktober, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Betätigungsverbot für die Organisation der Hamas in Deutschland angekündigt. Zudem solle das palästinensische Netzwerk Samidoun verboten werden. Seitdem sind drei Wochen vergangen und nichts ist passiert. Diejenigen, die auf unseren Straßen seit drei Wochen Israel den Tod wünschen, als Auftakt für den Tod des Westens, haben freie Bahn. Selbst wenn sie vorläufig festgenommen werden, sind sie bald wieder auf freiem Fuß. Dass ihnen ihr „Bürgergeld“ gestrichen wird, müssen sie nicht befürchten, selbst wenn sie sich über Demonstrationsverbote hinwegsetzen. Von Geldbußen, wie sie gegen die sogenannten Coronaleugner massenhaft verhängt wurden, hört man nichts. Aber davon, dass die Polizei die Fotos von Hamas-Geiseln in Berlin abreißt. Scholz hatte martialisch getönt, die Strafverfolgungsbehörden von Bund und Ländern würden mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen Antisemiten vorgehen. „Zu diesen Mitteln gehören ausdrücklich auch Vereins- und Betätigungsverbote“, sagte Scholz. „Unser Vereinsrecht ist ein scharfes Schwert. Und dieses Schwert werden wir als starker Rechtsstaat hier ziehen.“ Allerdings scheint das scharfe Schwert in der Scheide steckengeblieben zu sein. Oder es war nur eine rhetorische Figur, um Handlungsbereitschaft vorzutäuschen. Die Terrorfans wissen längst, dass sie hier nach Belieben schalten und walten können und verachten uns wegen der Schwäche unserer Politiker und Institutionen.

Auch die Behauptung, die Sicherheit Israels wäre deutsche Staatsräson, ist nichts als eine Leerformel. Unlängst enthielt sich Deutschland bei der Abstimmung der UN-Resolution, die einen sofortigen Waffenstillstand forderte und weder den Terror der Hamas verurteilte noch das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützte.

Wie glaubwürdig ist da die Beteuerung des Kanzlers auf dieses Recht Israels? Die regierungstreuen Medien sind betreten. Der Tagesspiegel schreibt, vielleicht wäre die Enthaltung in der UN ja mit Israel und den USA abgestimmt gewesen, um Deutschland bewusst als Gesprächskanal zu nutzen. Wer sollte denn diese Gespräche führen? Die unfähigste Außenministerin seit Bestehen der Bundesrepublik, die außerhalb Deutschlands niemand ernst nimmt?

Ja, Deutschland hat ein Problem, die Ampel-Regierung. Die SED-Herrschaft konnte nach 1983, als sie laut Aussage des ehemaligen Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski bereits bankrott war, sich noch sechs weitere Jahre durchwursteln, ehe sie endlich beendet werden konnte. Wenn es weitere sechs Jahre dauern sollte, ehe wir die bereits gescheiterte Ampel loswerden, ist nicht nur die Politik, sondern auch das Land am Ende.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Der Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.

Bild: Screenshot Youtube-Video WDR

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