Von Kai Rebmann
Ist die Impfung gegen Corona gefährlicher als das Virus selbst? Hat es in Deutschland eine Übersterblichkeit gegeben? Und wenn ja, in welchem Jahr und weshalb? Um diese zentralen Fragen dreht sich die Diskussion über Sinn oder Unsinn der Impfungen, die vor rund eineinhalb Jahren als einziger Weg zurück in die Freiheit angepriesen wurden. Problem: Bis heute liegen keine zuverlässigen Daten darüber vor, ob jemand an oder mit Corona bzw. an oder mit der Impfung gestorben ist. Kausale Zusammenhänge können daher in beiden Fällen weder bewiesen noch widerlegt werden, es kann lediglich auf einen zeitlichen Zusammenhang abgestellt werden. Wobei die Beispiele aus Hamburg und Bayern zeigen, dass selbst der Impfstatus von Patienten auf den Intensivstationen oft genug nicht bekannt war.
Dennoch gibt es Mittel und Wege, den eingangs gestellten Fragen auf den Grund zu gehen und die entsprechenden Rückschlüsse zu ziehen. So groß der Datensalat in Sachen Corona und Impfung bei Behörden wie dem Robert-Koch-Institut ist, so zuverlässig sind die Zahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) liefert, wenn es zum Beispiel um die bloße Anzahl der Sterbefälle in Deutschland geht. Dabei geht es lediglich um die Frage, wie viele Bundesbürger gestorben sind, die Frage nach der Ursache wird dabei nicht gestellt. Auf Grundlage dieser relativ einfach zu ermittelnden Zahlen lassen sich allgemeine Rückschlüsse über das Sterbegeschehen oder, wie in dieser Auswertung, auch die Zahl der Geburten ziehen. Wenn dann im zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis (zum Beispiel Impfung) signifikante Abweichungen vom langjährigen Durchschnitt oder aus anderen Gründen zu erwartenden Werten festgestellt werden können, besitzen solche Daten eine gewisse Aussagekraft.
Signifikante Übersterblichkeit ab April 2021
Nichts anderes haben auch die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Christof Kuhbandner (Universität Regensburg) und Prof. Dr. Matthias Reitzner (Universität Osnabrück) gemacht. Der Psychologe aus Bayern und der Mathematiker aus dem Norden haben sich unter anderem die von Destatis veröffentlichten Sterbedaten der vergangenen Jahre angesehen und diese für ihre Studie in verschiedene Kategorien aufgeschlüsselt. Kuhbandner und Reitzner wollten vor allem wissen, ob es in Deutschland zu einer Übersterblichkeit gekommen ist und, wenn ja, wann und in welchen Altersgruppen diese besonders hoch war.
Anhand der Zahlen aus den jeweiligen Vorjahren und den Grundsätzen eines mathematischen Verfahrens zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, das auch in der Finanzwirtschaft zum Einsatz kommt, wurden für die Jahre 2020 bis 2022 zunächst die statistisch zu erwartenden Sterbezahlen ermittelt. Für das Jahr 2020 wäre demnach in Deutschland mit genau 981.557 Toten zu rechnen gewesen, tatsächlich gestorben sind aber 985.572 Menschen und damit 0,41 Prozent mehr als rechnerisch zu erwarten gewesen wäre. Den Wert für die empirische Standardabweichung gaben die Autoren mit 0,28 an, so dass für das Jahr 2020 von keiner Übersterblichkeit ausgegangen werden kann.
Anders sieht es im Jahr 2021 aus. Über alle Altersgruppen hinweg wäre hier von 989.707 Todesfällen auszugehen gewesen. Tatsächlich sind aber 1.021.430 Menschen gestorben, was einer Übersterblichkeit von 3,21 Prozent entspricht oder einer empirischen Standardabweichung um mehr als den doppelten Wert. Besonders auffällig: Betrachtet man einzelne Altersgruppen, so sticht sofort ins Auge, dass es lediglich bei den 0- bis 14-Jährigen eine Untersterblichkeit (minus 0,67 Prozent) gibt. In allen acht weiteren Altersgruppen kam es im Jahr 2021 zu einer mehr oder weniger hohen Übersterblichkeit. Während die Übersterblichkeit bei den beiden Gruppen der über 80-jährigen (80 – 89 sowie 90plus) noch im Bereich von rund einem Prozent lag, wird für die Altersklasse der 40- bis 49-Jährigen mit 9,27 Prozent die höchste Übersterblichkeit ausgewiesen.
Zahl der Totgeburten ebenfalls stark gestiegen
Da Übersterblichkeit aber nicht gleich Übersterblichkeit ist, haben sich Kuhbandner und Reitzner auch mit der Frage auseinandergesetzt, wer wann gestorben ist. Ein besonderes Augenmerk richteten die beiden Professoren auf die Gruppe der jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 59 Jahren, da diese üblicherweise „nicht einfach so“ sterben. Hierbei fällt auf, dass es in Deutschland in dieser Altersgruppe bis März 2021 sogar noch eine Untersterblichkeit gab. Danach steigt die Kurve im April 2021 stark an (plus 8,30 Prozent) und verläuft bis zum Spätjahr auf einem konstant hohen Niveau. Im November 2021 (plus 9,27 Prozent) sowie Dezember (plus 16,43 Prozent) steigt die Übersterblichkeit dann ein weiteres Mal stark an.
Ab dem Jahreswechsel 2021/22, also jenem Zeitpunkt, ab dem in der vorliegenden Altersgruppe (15 – 59 Jahre) kaum noch jemand geimpft wurde, verkehrt sich die Entwicklung der Vormonate wieder ins Gegenteil. Seit Jahresbeginn bis Juni war der April 2022 (plus 1,43 Prozent) der einzige Monat, in dem die beiden Autoren der Studie eine Übersterblichkeit feststellen konnten.
In einem weiteren Kapitel ihrer Untersuchung beleuchteten Kuhbandner und Reitzner auch die Anzahl der Totgeburten in Deutschland und deren Entwicklung in den Jahren 2019 bis 2022. Und auch hier konnte für das Jahr 2021 ein dramatischer Anstieg festgestellt werden, sowohl bezüglich der absoluten als auch der relativen Zahlen. Im 2. Quartal 2021, also just zu dem Zeitpunkt, als die Impfkampagne ihren Höhepunkt erreichte, kam es bei den Totgeburten zu einem Anstieg von rund 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Man kann es nicht oft genug betonen, dass die vorliegende Studie nicht mit letzter Sicherheit beweist, dass die Übersterblichkeit und die Impfkampagne in einem kausalen (!) Zusammenhang stehen. Darauf weisen auch die Autoren hin, die in ihrem Fazit ausführen, dass „die Kovariation zwischen der Übersterblichkeit und den COVID-19-Impfungen“ die wichtigste von mehreren offenen Fragen sei. Ebenso klar ist aber auch, dass der zeitliche (!) Zusammenhang zwischen der Übersterblichkeit und dem Beginn bzw. der Intensität der Impfkampagne kaum geleugnet werden kann. Es wäre also höchste Zeit, dass die Politik ein ernsthaftes Interesse an der Beantwortung dieser offenen Fragen zeigt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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