UNESCO-Friedenspreis: Presse huldigt Angela Merkel „Sie ist eine wirklich bewundernswerte Frau“

Von Kai Rebmann

Kaum eine Auszeichnung ist unter Künstlern so gefürchtet wie jene für das „Lebenswerk“. Damit werden oft Schauspieler, Musiker oder auch Journalisten bedacht, bei denen es in der bisherigen Karriere – oder zumindest in der jüngeren Vergangenheit – nicht für einen Preis in einer „richtigen“ Kategorie gereicht hat, die eine Auszeichnung aber trotzdem „irgendwie verdient“ zu haben scheinen. Und selbstverständlich gibt es auch in der Politik solche symbolischen Trophäen, die sich ihre Gewinner als Staubfänger ins Wohnzimmer stellen können.

Dazu gehört unter anderem der Félix-Houphouët-Boigny-Friedenspreis, der seit 1991 in unregelmäßigen Abständen von der UNESCO verliehen wird, womit bereits der erste Hinweis auf eine Alibi-Veranstaltung vorliegt. Das zweite Indiz ist die von Jahr zu Jahr variierende Anzahl von Preisträgern – sofern diese Auszeichnung gerade vergeben wird.

Aktuelle Gewinnerin des UNESCO-Friedenspreises ist keine Geringere als Altkanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese Meldung wäre uns nicht zuletzt aus den genannten Gründen – wenn überhaupt – nur eine Randnotiz wert, zumal reitschuster.de darüber bereits im August 2022 berichtet hat. Wenn es da nicht diese an Marienverehrung grenzende Berichterstattung in der hiesigen Medienlandschaft gäbe. Diese Art der Bauchpinselei ist für einen nicht geringen Teil der Kollegen zwar längst zur gängigen Stellenbeschreibung ihres Berufs geworden, insbesondere wenn es um Angela Merkel geht. Wie die „Deutsche Welle“ jetzt aber über die Preisverleihung frohlockt, die am vergangenen Mittwoch in der Elfenbeinküste über die Bühne ging, schlägt dem Fass dann doch den Boden aus.

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Schüler müssen als Kulisse für Merkel herhalten

Los geht es mit einer Schilderung der Vorbereitungen in Yamoussoukro, dem Ort der Auszeichnung für Angela Merkel. Schnell bekommt man als Leser den Eindruck, die Einwohner der ivorischen Hauptstadt erwarteten nicht weniger als die Wiederkehr des Messias. 20 Meter lange Stoffbahnen mit dem Konterfei der Ex-Kanzlerin würden das Gebäude der Félix-Houphouët-Boigny-Stiftung für Friedensforschung zieren, schreibt DW. Es sei „ein ganz besonderer Rahmen“ für Angela Merkels Rückkehr nach Afrika geschaffen worden.

Dann folgt der große Moment, der Auftritt Merkels „vor mehreren tausend Menschen“, darunter die versammelte Politprominenz der Elfenbeinküste und einiger weiterer afrikanischer Staaten. Und nicht zu vergessen: „Auch Schülerinnen und Schüler aus der Region waren anwesend.“ Oder anders ausgedrückt: In der Elfenbeinküste, zumindest aber in der Hauptstadt, gab es diesen Mittwoch schulfrei. Galt es doch, eine würdige Kulisse für den Friedensengel aus Deutschland zu schaffen. Wie sähe das denn aus, wenn Angela Merkel ihre Rede nur vor ein paar handverlesenen Vertretern der UNESCO und Afrikas Politelite halten müsste?

In eben dieser Rede blieb sich Merkel treu und gab die empathische Weltretterin. „Niemand verlässt sein Land ohne einen Grund“, so der ehemalige FDJ-Kader. Das stimmt wohl, nur können diese Gründe eben sehr vielschichtig sein. Da gibt es die Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung. Genau hierfür wurde das Asylrecht einst ersonnen. Es soll aber auch Menschen geben, die ihre Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa und vorzugsweise in Deutschland verlassen. Auch hiergegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenngleich es für diese Gründe gänzlich andere Regeln und Gesetze gibt – die Merkel mit ihrer „Willkommenspolitik“ kurzerhand außer Kraft gesetzt hat.

Kritik bleibt tabu

Es gehe darum, die Ursachen für Flucht und Migration zu bekämpfen. Wie das funktionieren soll, wenn in Deutschland ständig neue Anreize für illegale Migration geschaffen werden, verriet die Ex-CDU-Chefin nicht. Aber das wollte in der Elfenbeinküste ohnehin niemand hören. Kritik an den fatalen Folgen der verfehlten Migrationspolitik anno 2015 oder daran, wie Merkel Deutschland über Jahre und Jahrzehnte hinweg in die totale Abhängigkeit von Russland geführt hat, bleibt für die DW-Kollegen tabu. Der gesamte Artikel kommt ohne auch nur den leisesten Ansatz eines Hinterfragens aus.

Stattdessen wurden in den Straßen von Yamoussoukro fleißig Interviews geführt, jede Menge sogar. Denn je mehr Leute man in der Elfenbeinküste (oder anderen Herkunftsländern illegaler Migranten) nach ihrer Meinung über Angela Merkel fragt, desto mehr positive Aussagen kann man später in seinen Bericht einfließen lassen. Ein durchaus schlauer Zug. Damit können sich die Kollegen darauf berufen, man habe ja lediglich Zitate wiedergegeben, keinesfalls aber die eigene Meinung.

Hier eine kleine Auswahl: „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass sie den Félix-Houphouët-Boigny-Friedenspreis erhält. Sie hat ihn verdient, weil sie eine großartige Frau ist. Sie hat viele Aktionen für den Frieden durchgeführt.“

„Sie ist eine wirklich bewundernswerte Frau. Wir würden gerne so werden wie sie.“

„Sie war eine echte Führungspersönlichkeit. Sie hat viel geleistet. Sie hat auch dazu beigetragen, dass Migranten nach Europa gekommen sind und hat die Tür für mehrere Tausend geöffnet.“ Es waren natürlich eher Millionen, aber wer wird denn hier schon eine solche Haarspalterei betreiben wollen?

Und natürlich durfte auch das Zitat des nach Ansicht der DW inzwischen „legendären Ausspruchs“ aus dem Munde Angela Merkels nicht fehlen: „Wir schaffen das!“ Eine Behauptung, die inzwischen nicht mal mehr von grünen Politikern geteilt wird, die – im Gegensatz zu den Eliten in Berlin – tagtäglich mit den Folgen der Migrationspolitik zu tun haben.

Friedenspreis nach mehrjähriger Pause wieder vergeben

Nachdem sich jegliche Kritik an der Person Angela Merkel und deren politischem Wirken in den Augen der meisten Journalisten per se verbietet, so könnte man zumindest den Friedenspreis der UNESCO hinterfragen. Aber auch das geschieht bei der DW nicht. Was ist ein Preis wert, der in den letzten zehn Jahren gerade dreimal vergeben worden ist? Und auch der Blick auf die Namen der zuletzt ausgezeichneten Menschen und Organisationen ist vielsagend.

In den Jahren 2014 bis 2016 wurde der Preis nicht vergeben, im Jahr 2017 wurden dann Giuseppina Maria Nicolini, damalige Bürgermeisterin von Lampedusa, und „SOS Méditerranée“, ein in Deutschland gegründetes Netzwerk zur zivilen Seenotrettung im Mittelmeer „belohnt“. Nach einjähriger Vakanz leistete sich die Jury im Jahr 2019 einen eklatanten Bauchklatscher. Der UNESCO Friedenspreis im Jahr 2019 ging an Äthiopiens Ministerpräsidenten Abiy Ahmed für dessen Bemühungen um die Befriedung des Konflikts mit dem benachbarten Eritrea. Nur ein Jahr später brach in Äthiopien ein blutiger Bürgerkrieg aus, für den Ahmed maßgeblich verantwortlich gemacht wird.

Von alledem erfahren die DW-Leser jedoch nichts. Weil es das „Lebenswerk“ von Angela Merkel schmälern könnte? Oder es die Reputation dieser wohlklingenden Auszeichnung in Frage stellen würde? Man weiß es nicht.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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