Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Der Juli brachte eine solche „Gluthitze, dass die Kirchen Bittgebete aussandten, während Rhein, Elbe und Seine trockenen Fußes durchwatet werden konnten. Dort, wo noch Wasser floss, färbte sich die warme Brühe grün“, Fische trieben tot mit dem Bauch nach oben. „Der Bodenseepegel sank auf Rekordniveau, Lindau war sogar mit dem Festland verbunden. Bald verdunstete das Oberflächenwasser vollständig, die Böden platzten auf, manche Trockenrisse waren so groß, dass ein Fuß darin Platz fand.“ (Wikipedia Dürre 1540)
Eigentlich galt die Zeit um den Dreißigjährigen Krieg, der achtundsiebzig Jahre später begann, als kleine Eiszeit und die Menschen hatten vor allem mit Kältebedingungen zu kämpfen. Dabei gab es Sommer, in denen auf den Feldern das Getreide nicht gedeihen konnte, weil sie so kalt und regnerisch waren, wie milde Winter. Eine Ausnahme machte im Jahr 1540 die große Dürre, die gut dokumentiert ist und mit Hitzewellen, weit über vierzig Grad, einherging. Ein besonderes Wetterphänomen, das mit einem stabilen atlantischen Hoch- und Tiefdruckwetter über weiten Gebieten von Russland zusammenhing.
Stimmt es eigentlich, dass Extremwetter-Ereignisse mit der statistischen Erderwärmung häufiger geworden sind, also in Wirklichkeit Klimaereignisse darstellen, vielleicht sogar eine Klima-Katastrophe, wie die Grünen nicht müde werden zu beteuern?
Vielleicht, aber es gibt keine Beweise dafür.
Im November 1872 gab es in Schleswig-Holstein eine ganz ungewöhnliche Flutkatastrophe, von der meine Familie, die ihren Hof damals etwa fünfhundert Meter von der Ostsee entfernt hatte, betroffen war.
Mitte November drückte ein Orkan aus Nordost das Meer weit ins Landesinnere und verwüstete Häuser und Felder. Der damalige Höchststand der Ostsee ist heute noch an vielen Orten gekennzeichnet und war ungewöhnlich. Der Wind hatte gedreht! Tage zuvor war das Wasser der Nordsee von einem spiegelbildlichen Sturm in die Ostsee gedrückt worden, die nun, prall gefüllt, von einem Nordost-Orkan auf das Land geworfen wurde.
Auf unserem Hof stand das Wasser in drei Metern Höhe und vernichtete fast alles, was ihm in den Weg kam.
Ein echtes Extremwetter-Ereignis, aber 1872, und nicht 2021. Es gab damals noch keine nachgewiesene Erderwärmung, die gar als menschengemacht eingestuft wurde, und das Ereignis wurde dementsprechend nicht als Klimaereignis eingestuft. Es war ein besonderes Wetterereignis und durch die damalige Wetterlage zu erklären.
In meiner Geburtsstadt Hamburg gab es 1962 eine Sturmflut, die über dreihundertvierzig Menschen das Leben gekostet hat. Ich war damals zwei Jahre alt und kann mich natürlich nicht daran erinnern, aber auch der Wasserspiegel der Alster, an der wir wohnten, stieg an und Teile unseres Wohngebietes wurden überflutet. Knapp neun Jahre zuvor gab es eine ähnlich schlimme Sturmflut an der holländischen Küste, bei der allein in den Niederlanden 1.835 Menschen ihr Leben ließen. In Großbritannien forderte die Flut über dreihundert Menschenleben.
Seither sind die Deiche erhöht und bauliche Maßnahmen in den Städten und Dörfern zur Flutvorsorge getroffen worden. Es gab danach noch Sturmfluten, die sich aber nicht mehr so verheerend ausgewirkt haben. In den siebziger Jahren gab es zahlreiche Sturmflutserien, die immer wieder Rekordwasserstände brachten, bei denen zahlreiche Deiche brachen, aber weniger Menschenleben zu beklagen waren.
Extremwetter-Ereignisse, an die sich die Anrainerstaaten der Nordsee inzwischen angepasst hatten.
Es gibt keinen Grund, solche Wetterereignisse schicksalsgläubig hinzunehmen und nicht darauf zu reagieren. Die Nordsee hat die Menschen dazu gezwungen, sich darauf einzustellen und überall woanders ist das auch erforderlich.
An der Oder, am Rhein und an der Mosel gab es immer wieder Hochwasser und Anpassungsmaßnahmen, die das nächste Hochwasser eindämmen sollten. Bei der nächsten katastrophalen Flut war das aber oft trotzdem nicht hinreichend. Dabei ist die Einschätzung, dass die Flut eben noch extremer war, als die vorangegangenen, oft nicht zu beweisen. Die Wasserstände jedenfalls sagen nicht aus, dass es von Jahrzehnt zu Jahrzehnt schlimmer würde.
Die komplexesten Wettermodelle sind nicht in der Lage, einzelne Extremwetter-Ereignisse auf den Klimawandel zurückzuführen. Auch die wahrgenommene Häufung von Extremwetter-Ereignissen hat mehr mit Bewusstsein, gesellschaftlichen Interessenlagen und einer dominanten Informationsgesellschaft zu tun, als mit einer tatsächlichen Häufung.
Wie sonst wären die sieben mageren Jahre aus dem Alten Testament, die auf eine lang anhaltende Dürre hinwiesen, einzuordnen? Die Verwüstung Nordafrikas vor über zweitausend Jahren dürfte wohl kaum auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen gewesen sein. Allerdings schritt über die Jahrtausende die Verkarstung des Mittelmeerraumes voran, auch weil die Anwohner Wälder zum Bau von Häusern und Schiffen und als Brennholzquelle benutzt haben.
Der Mensch ist immer ein Faktor bei katastrophalen Wetterereignissen, aber nur einer. Auch das Klima ist ein Faktor, der schwer auf das Wetter heruntergebrochen werden kann. Der Mensch mag auch ein Faktor in der Erderwärmung sein, und somit das Klima beeinflussen. Aber ganz sicher ist der Mensch nicht in der Lage, das Wetter in den Griff zu bekommen und Extremereignisse zu verhindern, außer er bereitet sich darauf vor, damit der Schaden nicht so groß wird.
Die Vorbereitung auf Extremwetter sollte weder magischen noch religiösen Überlegungen folgen, sondern pragmatisch sein.
Es nützt verhältnismäßig wenig, wenn man aus einer Flutkatastrophe nach Starkregen eine „Klimakatastrophe“ macht, wie es die politischen Kräfte tun, welche die Gesellschaft in Panik versetzen wollen. Die hysterischen Botschaften der Grünen und der grünen Teile unserer Zivilgesellschaft von Greenpeace bis Fridays for Future bewirken ein magisches Denken, das so effektiv ist wie „kirchliches Fürbitten“ im sechzehnten Jahrhundert. Ein erreichtes Klimaziel würde aber keine einzige Wetterkatastrophe verhindern.
Vielleicht würde es sehr wünschenswerte Effekte mit sich bringen, dass der Permafrostboden in Sibirien weniger schnell auftaut, dass die Polkappen langsamer abschmelzen und die Gletscher weniger fulminant zurückgehen. Aber Wetterkatastrophen werden dadurch nicht verhindert.
Wir können uns, so gut es geht, darauf einstellen, Risikogebiete genauer identifizieren, Wälder und Natur diversifizieren und ihnen dadurch ihre natürliche Schutzfunktion zurückgeben, anders bauen, Frühwarnsysteme verbessern, vielleicht auch Warnsirenen wieder einführen.
Was auch immer! Es sollte viel getan werden. Aber es sollte nicht die Unwahrheit behauptet werden, dass der Kampf gegen den Klimawandel uns vor Wetterereignissen schützen kann. Es sollte nicht einmal behauptet werden, dass Extremwetterereignisse aus dem Klimawandel resultieren.
Das ist bestenfalls magisches Denken und schlimmstenfalls bewusste Desinformation mit der Absicht, Wahlen zu gewinnen.
Die Aktionspläne der Grünen zur Vorsorge gegen Hitzeereignisse und Flutkatastrophen sind gespickt mit Hinweisen auf den Klimawandel und stellen in jedem zweiten Satz eine Verbindung zwischen der grünen „Klimakatastrophe“ und Wetterkatastrophen her. Dazwischen empfehlen sie zwar Vorsorgemaßnahmen, die für jeden nachvollziehbar und vernünftig sind, aber genauso von anderen Parteien gefordert werden.
Der permanente Bezug zum Klimawandel ist aber eine Reminiszenz an die Zeit, in der die Kirche Wetterkatastrophen zu göttlichen Strafen für menschliche Sünden erklärte. In solchen „kirchlichen Fürbitten“ kamen in jedem Satz mindestens einmal die Worte „Gott“ und „Sünde“ vor. Die Grünen und große Teile unserer Zivilgesellschaft praktizieren diese Art der Manipulation fast identisch, nur mit den Begriffen „Klima“ und „CO2-Ausstoß“.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich weder Gott, noch den Klimawandel leugne. Auch kann es durchaus sein, dass sowohl Gott als auch der Klimawandel zu wesentlichen Teilen menschengemacht sind.
Aber im sechzehnten Jahrhundert stand bereits die Aufklärung vor der Tür und einige Zeit später schrieb Kant die »Kritik der praktischen Vernunft«.
Das sollten wir im Jahr 2021 nicht vergessen haben, nur weil gerade Wahlen anstehen, welche die Grünen gern gewinnen möchten.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: ShutterstockText: Gast